Unsere Ver­fas­sung ga­ran­tiert in Ar­ti­kel 112 fol­gen­des [1]:

Art. 112 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung​
1 Der Bund erlässt Vorschriften über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung​.
2 Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a. Die Versicherung ist obligatorisch.
abis. Sie gewährt Geld- und Sachleistungen.
b. Die Renten haben den Existenzbedarf angemessen zu decken.
….

Durch diese sogenannte “Revision” wird aber der Auftrag der Verfassung, “den Existenzbedarf angemessen zu decken” immer mehr verletzt. Ihr Beispiel mit den nach Essen wühlenden Menschen (vermutlich meistens NICHT AHV-Rentner) kommt aber nicht von ungefähr.

Das Tragische an diesem ganzen Theater ist aber das Spiel der SVP: Zuerst machen sie den Leuten Hoffnung (Frau Rickli hier in Vimentis: “...Deshalb ist eine solide Gesamtreform dringend nötig und politisch bereits aufgegleist. Der Nationalrat wird in der Herbstsession über die Vorschläge der vorberatenden Kommission diskutieren….“[2], weshalb die AHV-Plus-Initiative der Gewerkschaften abzulehnen sei.

Dann torpedieren sie in eben diesem Nationalrat alle Vorschläge, die wirklich einen verfassungsmässig garantierten Existenzbedarf sichern würden. Und zu guter Letzt versucht die SVP sogar die gesamte AHV-Reform so im Parlament zu versenken, dass nicht mal das Volk darüber abstimmen darf. Und das, obwohl gerade diese Partei immer wieder betont, wie wichtig das Volk als ultimativer Gesetzgeber sei!

Was die SVP wohl aber am meisten schmerzt: Die Vorlage ist ein Kompromiss quer über alle Parteien hinweg. Alle haben etwas erhalten (die FDP und SVP zum Beispiel das höhere Rentenalter und den tieferen Umwandlungssatz), die SP einen halbpatzigen Ausgleich des gesenkten Umwandlungssatzes in Form einer um 70 Franken höheren AHV).

Und genau hier liegt der Stachel: Die SVP hat ihre Anliegen nicht vollständig durchgebracht. Sie konnten der verhassten SP nicht einen Rundum-Vernichtungssc​hlag zufügen. Darum bocken sie nun wie ein Kleinkind, das sein Müesli nicht (mehr) essen will.

Und das machen sie auch mit wissentlich falschen Angaben (einmal mehr muss man dazu sagen)!

Zum Beispiel mit den “70 Franken”. Dies sind nicht mehr die selben 70 Franken, welche die AHV-Initiative der Gewerkschaften wollten – diese 70 Franken sind eine (schlechte!) Kompensation dafür, dass die Pensionskassen den Umwandlungssatz senken dürfen [3] (übrigens ein Kernanliegen von SVP und FDP für diese Revision!).

Jedenfall​s wird überall herumgeboten, dass das Parlament ja in kürzester Zeit eine neue Vorlage herauszaubern könne… [4]
Also ehrlich, DAS würde ich ja zu gerne sehen, wie sich die zerstrittenen Parteien im Parlament “in kürzester Zeit” “den politischen Willen” zeigen könnten, eine schlankere Reform aus dem Hut zu zaubern – die dann am Ende auch noch an der Urne bestehen könnte!

Man darf sich also ernsthaft fragen, ob sich unsere Parlamentarier im Klaren sind, dass eine AHV in erster Linie einen Auftrag hat. Und dann der entsprechende Fonds so gestaltet werden muss, dass die AHV auch ihrem Auftrag nachkommen kann.

Im Moment kommt es mir mehr vor als ob die Politiker sich darum kümmern, dass der AHV-Fonds nicht zu schnell zu klein wird – egal was das für die rechtmässigen Bezüger (also die Rentner) für Folgen hat.

Einmal mehr gilt die Hauptsorge unter den politischen Akteuren dem Geld – und nicht den Menschen!
–> Das kann es doch nicht sein!

Ich persönlich empfehle darum ein doppeltes JA und ein doppeltes NEIN zur Reform:

  • Ein doppeltes JA, weil es so schnell wohl keine AHV-Revision geben wird, die alle Seiten gleich zufrieden oder eben unzufrieden macht.
  • Ein doppeltes NEIN, weil dieser Murks eine Frechheit für den Verfassungsauftrag ist – an dem sich unsere Parlamentarier eigentlich zu orientieren hätten. Und nicht daran, dass die eigene Klientel möglichst unberührt davon bleibt oder (wie im Fall der FDP mit all den Pensionskassen) sich die eigene Klientel besser daran bereichern kann als diejenige der anderen Parteien!

[1] https://www.admin.ch/​opc/de/classified-com​pilation/19995395/ind​ex.html#a112

[2] https://www.vimentis.​ch/d/dialog/readartic​le/nein-zur-teuren-ah​v-initiative/

[3] https://www.vimentis.​ch/abstimmungen#a_414​

[4] http://www.luzernerze​itung.ch/nachrichten/​schweiz/die-reform-fu​ehrt-zum-rentenalter-​67;art9641,1081149

Comments to: 2x JA und 2x NEIN

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