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Abstimmung 03.03.2013: Volksinitiative „Gegen die Abzockerei“

Managerlöhne sind gerade während guten Wirtschaftslagen viel stärker gewachsen als die durchschnittlichen Löhne. So bezahlen Unternehmen heute Saläre von einigen Millionen Franken an ihre CEOs aus.

Um die Bestimmung der Managerlöhne sowie der Abgangsentschädigungen („Goldene Fallschirme“) den Aktionären zu überlassen, wurde die „Initiative gegen die Abzockerei“ unter der Leitung von Thomas Minder lanciert. Darüber stimmt das Volk am 3. März 2013 ab. Bei einem „Nein“ wird automatisch der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments angewendet, sofern das Referendum dagegen nicht ergriffen wird.

Ausgangslage

Seit 2007 müssen die Unternehmen die Löhne der Geschäftsleitung (GL) und des Verwaltungsrats (VR) offenlegen. Der Entscheid über die Saläre der Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder liegt beim Verwaltungsrat, der einen Vergütungsausschuss wählt. Aktionäre haben in der aktuellen Situation kein Mitbestimmungsrecht über die Vergütungen. Nach der aktuellen Studie von Ethos liessen 2012 aber beinahe die Hälfte der 48 grössten börsenkotierten Schweizer Unternehmen ihre Aktionäre über die Vergütungen abstimmen. Allerdings ist der Ausgang dieser Abstimmungen nicht bindend und der Verwaltungsrat kann nach wie vor anders entscheiden. Weitere Informationen zur Zusammensetzung der Saläre finden Sie im Text „Managerlöhne in der Schweiz“ .

Was wird geändert?

Die Initiative will, dass neu die Gesamtheit aller Aktionäre in der Generalversammlung (GV) über die Gesamtsumme der Vergütungen von VR, GL und dem Beirat bestimmt. Aktionäre können elektronisch abstimmen, wenn sie an der Generalversammlung nicht anwesend sein können. Bei der Abstimmung werden Organ- und Depotstimmrechtsvertretungen untersagt sein. Das heisst, Aktionäre können ihr Stimmrecht nicht mehr der Bank oder dem Verwaltungsrat übertragen, die dann selbst stimmen können.

Pensionskassen müssen im Interesse ihrer Versicherten abstimmen und offenlegen, wie sie gestimmt haben.

Abgangsentschädigungen, Vorausvergütungen und Prämien für Firmenkäufe und -verkäufe sollen künftig verboten sein. Auch zusätzliche Beraterfunktionen oder Arbeitsverträge für ein Organmitglied sind untersagt.

Gemäss der Initiative soll die Generalversammlung zukünftig jährlich anstatt alle drei Jahre den Verwaltungsrat, den Verwaltungsrats-Präsidenten (VRP), den Vergütungsausschuss und den unabhängigen Stimmrechtsvertreter wählen. Die Amtsdauer aller Geschäftsleitungs-Mitglieder wird statutarisch (also von der GV beschlossen) verankert.

Bei Verstössen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und eine Geldstrafe von bis zu sechs Jahresvergütungen auferlegt werden.

Die Statuten regeln zudem die Höhe der Kredite, Darlehen und Renten gegenüber externen Geschäftspartnern. Weiter legen sie die Erfolgs- und Beteiligungspläne sowie die maximale Anzahl Beschäftigungen für Organmitglieder fest, welche diese ausserhalb der Unternehmung ausführen dürfen.

Der Bundesrat muss innerhalb eines Jahres nach Annahme der Initiative die erforderlichen Ausführungsbestimmungen erlassen. Es wird davon ausgegangen, dass die Verordnungen ab Anfang 2015 in Kraft treten. Allerdings werden diese wiederum Übergangsfristen beinhalten. Nach aktuellen Schätzungen greift die Initiative Anfang 2017.

Auswirkungen

Bei einem „Ja“ bestimmen in Zukunft die Generalversammlung und somit die Aktionäre die Saläre der Geschäftsleitung, des Verwaltungsrates und des Beirates. Die sogenannten goldenen Fallschirme (Abgangsentschädigungen) dürfen nicht mehr ausbezahlt werden.

Lehnt das Volk die Initiative ab, tritt der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments (sofern es kein Referendum gibt) automatisch in Kraft. Folgende Punkte sind im Gegenvorschlag anders geregelt:

Die Generalversammlung entscheidet nur bindend über die Vergütungen des Verwaltungsrats. Die Vergütung der Geschäftsleitung gehört dagegen in die Verantwortung des Verwaltungsrats. Dieser erarbeitet ein Vergütungsreglement, über das die Aktionäre an der Generalversammlung abstimmen. Dort können die Aktionäre einen Antrag zur Änderung des Vergütungsreglements stellen. Der Gegenvorschlag verbietet zudem, dass die Aktionäre ihre Stimme dauerhaft dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter übertragen.

Abgangsentschädigungen, Vorausvergütungen sowie Prämien für Firmenkäufe und –verkäufe sind beim Gegenvorschlag erlaubt, sofern die Aktionäre zustimmen. Auch zusätzliche Berater- oder Arbeitsverträge für Organmitglieder sind zugelassen.

Der Gegenvorschlag beinhaltet zudem verschärfte Bestimmungen zur Sorgfaltspflicht des Verwaltungsrats und zur Rückerstattung von ungerechtfertigten Vergütungen. Zudem muss das Protokoll der Generalversammlung offen gelegt werden.

Der Gegenvorschlag verweist bei Verstössen auf das geltende Strafrecht.

Bei einer Ablehnung der Initiative läuft zuerst eine 100tägige Referendumsfrist ab der Publikation im Bundesblatt. Wird kein Referendum ergriffen, gilt eine Übergangsfrist von zwei Jahren. Es wird davon ausgegangen, dass der Gegenvorschlag Mitte 2016 greift.

Argumente der Befürworter

Mit der Initiative könnten die Aktionäre überrissene Löhne und Boni verhindern. Das sei vor allem in wirtschaftlich schlechten Zeiten wichtig.

Gemäss den Befürwortern der Initiative würde die Generalversammlung und damit die Eigentümer das Mitbestimmungsrecht über die Vergütungen haben.

Mit der Abschaffung der Organ- und Depotstimmrechtsvertretung sowie der Stimmpflicht der Pensionskassen würden die Rechte der „echten“ Aktionäre gestärkt.

Das Vergütungssystem werde transparenter, da Pensionskassen offenlegen müssten wie sie gestimmt haben und Aktionäre ein Mitbestimmungsrecht über die Gesamtsumme der Vergütungen bekämen.

Die Einschränkung der Anzahl Beschäftigungen ausserhalb der Unternehmung beugten laut den Befürwortern Interessenskonflikten besser vor.

Mit der jährlichen Wahl des Verwaltungsrats-Präsidenten könne die Generalversammlung selbst Stellung nehmen zur Frage des umstrittenen Doppelmandats CEO/Verwal-tungsratspräsident.

Die jährliche Wahl des Verwaltungsrates stelle ausserdem ein schnelles Feedback auf dessen Arbeit sicher.

Argumente der Gegner

Die Initiative verbiete überrissene Löhne und Boni nicht, da sie keine Maximalbeträge vorschreibt.

Nur mit dem Gegenvorschlag stünden sowohl die absoluten Geldbezüge, als auch das Vergütungssystem selbst zur Debatte.

Zudem werde laut den Gegnern die unternehmerische Freiheit zu stark eingeschränkt, da Unternehmungen immer mehr durch Abstimmungen absegnen lassen müssten.

Das Verbot der Organ- und Depotstimmrechtsvertretung schränke gemäss den Gegnern der Initiative die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre ein.

Die von der Initiative geforderte jährliche Wahl des Verwaltungsrates könne gemäss den Gegnern kurzfristig denkende Verwaltungsräte und risikoreiche Investitionen fördern.

Mit der jährlichen Wahl des Verwaltungsrats-Präsidenten werde der Druck auf schnelle Erfolge erhöht. Langfristiges Wirtschaften werde so laut den Gegnern behindert.

Heutige Vergütungssysteme verfolgten laut den Gegnern bereits das Ziel, die tatsächlich erbrachten Leistungen des Managements zu vergüten und zu hohen Löhnen vorzubeugen. Die Initiative sei deswegen nicht nötig.

Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis:

Abzockerinitiative ja (2012). Was will die Initiative?. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Die Bundesversammlung (2012). Zusammenfassungen. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Eidgenössische Volksinitiative „Gegen die Abzockerei“ (2012). Initiativtext. Gefunden am 27. Dezember 2012 unter Link

ethos (2013). Gegenvorschlag zur Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ stärkt Aktionärsrechte. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

ethos (2012). Ethos Vergütungsstudie: Say on Pay zeigt Wirkung. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Finanz und Wirtschaft (2012). Ein CEO kostet dreimal so viel wie ein VR-Präsident. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Nein zur Minder-Initiative (2012). 7 Gründe gegen die Minder-Initiative. Gefunden am 27. Dezember 2012 unter Link

Neue Zürcher Zeitung (2012). „Abzocker“-Initiative ist schneller als ihr Ruf. NZZ, 29. Dezember 2012, Nr. 303, S. 10.

Neue Zürcher Zeitung (2012). Der Endspurt eines Marathons.Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Neue Zürcher Zeitung (2012). Minder mit „Mogelpackung?“. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Schweizerische Bundeskanzlei (2013). Eidgenössische Volksinitiative ‘gegen die Abzockerei’. Gefunden am 3. Januar 2013 unter Link

Text_Abzocker.pdf – PDF

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