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Abstimmung 23.09.2012: Sicheres Wohnen im Alter

Mit der Volksinitiative „Sicheres Wohnen im Alter“ will der Hauseigentümerverband (HEV) schuldenfreies Wohneigentum von Rentnern fördern, indem diese wahlweise auf die Eigenmietwertbesteuerung verzichten können. Dieser Text erläutert die heutige Situation, die allfälligen Änderungen sowie die Argumente der Gegner und Befürworter dieser Initiative.

Ausgangslage

Privates Wohneigentum führt heute zu einem höheren steuerbaren Einkommen, ermöglicht aber auch steuerliche Abzüge.

Wer eine Wohnung an jemanden vermietet, muss das daraus entstehende Einkommen normal versteuern. Nutzt der Eigentümer seine Wohnung selbst muss er sich den Mietwert dieser Wohnung als steuerbares Einkommen anrechnen lassen. Dieser Betrag wird als Eigenmietwert bezeichnet. Der Bund ermöglicht den Eigenmietwert tiefer zu bewerten als den „wahren“ Mietwert, der durch eine Vermietung erzielt werden könnte. Dies führt zu einem tieferen steuerbaren Einkommen, wenn die Wohnung selbst genutzt wird. Damit fördert der Bund gemäss seiner Verfassungspflicht den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum.

Ein privater Hauseigentümer kann auch Steuerabzüge geltend machen. Hauseigentümer können Unterhaltskosten, Verwaltungskosten, Versicherungskosten (z.B. Brandschutzversicherung) sowie aus Denkmalschutz entstehende Kosten abziehen. Unterhaltskosten sind diejenigen Kosten, die den Zustand oder den Wert der Liegenschaft erhalten (z.B. Austausch einer alten Heizung). Energiesparende oder umweltschützende Investitionen weist man im Allgemeinen ebenfalls den Unterhalskosten zu. Wenn der Eigentümer sein Haus mit einer Hypothek finanziert hat, darf er die bezahlten Schuldzinsen vom steuerbaren Einkommen abziehen. Dies soll seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit aufgrund der Hypothek ausgleichen.

Der vom Eigenmietwert stammende Teil des Einkommens unterscheidet sich von anderen Einkünften. Man erhält dieses Einkommen nämlich nicht in Form von Geld, sondern konsumiert es direkt durch das Wohnen im Eigenheim. So liegt das steuerbare Einkommen über dem tatsächlichen Einkommen in Form von Geld. Dies wirkt sich oft bei Rentnern problematisch aus, besonders wenn ein Ehepartner im Rentenalter verstirbt. Ihr Einkommen besteht nur noch aus der Altersrente. Das bedeutet, dass der Eigenmietwert einen relativ grossen Anteil am gesamten Einkommen ausmachen kann. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass der Steuerbetrag grösser wird als das nach Ausgaben für Lebenskosten zur Verfügung stehende Einkommen und die Rentner (Verwitweten) das Haus aus finanziellen Gründen verlassen und verkaufen müssen.

Richtigstellung

Es wird oft argumentiert, dass die heutige Besteuerung des Eigenmietwerts die Verschuldung fördere. Weil man die Schuldzinsen vom steuerbaren Einkommen abziehen kann, sei verschuldetes Wohneigentum attraktiver als die Rückzahlung der Hypothek. Diese Argumentation ist jedoch falsch. Bereits heute ist es in der Schweiz finanziell attraktiv, seine Schulden zurückzubezahlen. Man zahlt zwar mehr Steuern, dafür muss man keine Schuldzinsen mehr bezahlen. Die Zinsersparnis ist dabei generell grösser als die zusätzlichen Steuern (vgl. Kasten unten).

Was wird geändert?

Wird die Initiative angenommen, erhält jeder Hauseigentümer ab Erreichen des Rentenalters ein einmaliges Wahlrecht.

Man kann sich dafür entscheiden, dass der Eigenmietwert nicht mehr besteuert wird. D.h. der Eigenmietwert wird ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dem steuerbaren Einkommen hinzugerechnet. Gleichzeitig fällt mit dieser Entscheidung aber auch ein Teil der steuerlichen Abzüge weg. Für Unterhaltskosten darf man neu maximal 4000 CHF pro Jahr vom steuerbaren Einkommen abziehen. Ausgaben für Energie- oder Umweltschutzmassnahmen und Denkmalpflege sind weiterhin vollständig abziehbar. Sie sind von diesem Pauschalbetrag ausgeschlossen. Für Schuldzinsen, Verwaltungs- und Versicherungskosten sind hingegen keine Abzüge mehr möglich. Das Wahlrecht bezieht sich nur auf selbst genutztes Wohneigentum am Wohnsitz. Der Eigenmietwert einer Zweitwohnung ist davon nicht betroffen.

Verzichtet man auf das Ausüben des Wahlrechts, gelten die bisherigen Regelungen. Wer sein Wahlrecht ausgeübt hat, kann nicht mehr zum alten System zurückwechseln. Die Entscheidung ist bindend.

Auswirkungen

Basierend auf einer Hochrechnung der Zahlen des Kanton Berns schätzt der Bund, dass über 80% der Rentnerhaushalte (ca. 470‘000 Steuerpflichtige) von ihrem Wahlrecht profitieren würden. Nützen sie diese Möglichkeit, entstehen Steuerausfälle für Bund, Kantone und Gemeinden. Die eidgenössische Steuerverwaltung schätzt die Steuerausfälle auf jährlich 250 Millionen Franken bei der direkten Bundessteuer. Kantonen und Gemeinden fallen gemäss der Finanzdirektorenkonferenz jährlich 500 Millionen Franken aus.

Argumente der Befürworter

Die Initiative bekämpfe die Benachteiligung älterer Wohneigentümer und sichere ihnen die Möglichkeit, auch im Alter in ihrem Eigenheim zu bleiben. So stärke man das Wohneigentum als Altersvorsorge.

Bei älteren Wohneigentümern mache der Eigenmietwert oft einen relativ grossen Teil des steuerbaren Einkommens aus. So müssten ältere Personen mit tiefem Einkommen trotzdem hohe Steuern bezahlen und im Extremfall sogar ihr Haus verkaufen. Die Initiative schaffe diese Ungerechtigkeit ab.

Die Initiative unterstütze den Mittelstand. Viele Leute hätten für den Kauf ihres Hauses und das spätere Abbezahlen auf anderen Luxus verzichtet. Gerade diese Leute sollten vom Staat nicht übermässig besteuert werden.

Die Initiative berücksichtige auch Personen, die ihre Hypothek nicht zurückbezahlen können. Ihnen sei der Steuerabzug auch in Zukunft möglich.

Argumente der Gegner

Es liege keine flächendeckende Notlage für Eigenheimbesitzer im Rentenalter vor. Die vorgeschlagene Lösung biete vor allem vermögenden Personen weitere Steuervorteile.

Die Initiative benachteilige Mieter und Wohneigentümer, die das Rentenalter noch nicht erreicht hätten. Ihnen stünden keine vergleichbaren Vorteile zur Verfügung.

Die Umsetzung der Initiative verkompliziere das Steuerrecht, da in jedem Einzelfall überprüft werden müsste, wie die neuen Bestimmungen anzuwenden seien. Weiter sei die Initiative eher offen formuliert, was zu unbeantworteten Fragen führe.

Die Initiative sei unfair. Wenn der Eigenmietwert nicht mehr besteuert werde, sollten auch die Unterhaltskosten nicht mehr abgezogen werden dürfen. Der verbleibende Kostenabzug von bis zu 4000 CHF sei deshalb ungerechtfertigt.

Literaturverzeichnis

Beobachter (2012). Wohneigentum. Was gilt bei den Steuern?. Gefunden am 19. Juli 2012 unter Link

Bundesrat (2010). Botschaft zur Volksinitiative „Sicheres Wohnen im Alter“. Gefunden am 20. Juli 2012 unter Link

Eidgenössisches Finanzdepartement [EFD] (2012). Initiative „Sicheres Wohnen im Alter“. Gefunden am 20. Juli. 2012 unter Link

Hauseigentümerverband Schweiz [HEV] (2009). JA zur Eigenmietwertinitiative des HEV Schweiz. Gefunden am 19. Juli 2012 unter Link

Hauseigentümerverband Schweiz [HEV] (2012). Gezeter um Eigenmietwertinitiative. Gefunden am 19. Juli 2012 unter Link

Hausinfo (2012). Steuern rund ums Eigenheim. Gefunden am 19. Juli 2012 unter Link

Komitee Nein zur Initiative Wohnen im Alter (2012). Argumentarium. Gefunden am 2. August 2012 unter Link

Komitee „Sicheres Wohnen im Alter“ (2012).Sicheres Wohnen im Alter. Faire Steuern. Gefunden am 31. Juli 2012 unter Link

Steueramt Kanton Zürich (2012).Steuerberechnung. Gefunden am 30. Juli 2012 unter

Link

Text_Sicheres_Wohnen_im_Alter.pdf – PDF

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