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Abstimmung 28.11.2010: Steuergerechtigkeitsinitiative

Heute bestehen in der Schweiz bei den kantonalen Einkommens- und Vermögenssteuersätzen teilweise grosse Unterschiede. Die SP hat deshalb eine Initiative eingereicht, die die einzelnen Steuern in der Schweiz teilweise harmonisieren, d.h. angleichen will. Diese kommt am 28. November 2010 vors Volk zur Abstimmung.

Dieser Text erläutert mögliche Auswirkungen dieser Initiative und zeigt die Argumente von Befürwortern und Gegnern auf.

Ausgangslage

Die Kantone können heute ihre Einkommens- und Vermögenssteuer grundsätzlich frei wählen. Deshalb ist es möglich, dass man in verschiedenen Kantonen für das gleiche Einkommen oder Vermögen unterschiedlich viel Steuern bezahlt. Mehr Informationen zu diesen Unterschieden finden Sie in unserem Text „Kampf um mehr oder weniger Steuerwettbewerb“.

Ganz frei sind die Kantone jedoch nicht. Bereits heute müssen die Steuersätze von Reichen immer zwingend gleich hoch oder höher sein als von Ärmeren. Das heisst, zahlt jemand mit 100‘000 Fr. Einkommen 15% bzw. 15‘000 Fr. Steuern, so muss jemand mit 200‘000 Fr. Einkommen auch mindestens 15% oder 30‘000 Fr. bezahlen. In allen Kantonen sind die Steuersätze heute für Reiche aber nicht nur gleich hoch wie für Ärmere, sondern höher.

Des Weiteren kennt die Schweiz einen zusätzlichen Ausgleich zwischen den Kantonen. Durch den Neuen Finanzausgleich (NFA) werden finanzschwache Kantone von finanzstarken Kantonen unterstützt.

Was wird geändert?

Die Initiative will, dass reiche Personen überall in der Schweiz einen gleich grossen Mindestanteil ihres Einkommens bzw. Vermögens dem Staat abliefern müssen und der Steuerwettbewerb so eingeschränkt wird.

Neu müssten alleinstehende Personen für das Einkommen das 250‘000 Fr. pro Jahr überschreitet in allen Kantonen mindestens 22% an Kantons- und Gemeindesteuern bezahlen. Dies entspricht gemäss Bundesamt für Statistik ungefähr dem durchschnittlichen Grenzsteuersatz, der in den Kantonen heute gilt.

Beim Vermögen müsste neu pro 1’000 Fr. Vermögen über 2 Millionen mindestens 5 Fr. Kantons- und Gemeindesteuern bezahlt werden, was einem Grenzsteuersatz von 0.5% entspricht.

Für gemeinsam veranlagte Paare (z.B. verheiratete Personen) und alleinstehende Personen mit Kindern würden diese Mindeststeuersätze ebenfalls gelten. Allerdings würden sie für diese Personen erst ab höheren Einkommen bzw. Vermögen zur Anwendung kommen. Wie hoch diese Schwellen sind, wird von der Initiative nicht festgelegt.

Bei einer Annahme der Initiative müssten diejenigen Kantone, die gemäss der neuen Regelung noch zu tiefe Steuersätze haben, für eine gewisse Zeit zusätzliche Beiträge an den Finanzausgleich zwischen den Kantonen zahlen.

Darüber hinaus will die Initiative den Kantonen Steuertarife verbieten, bei denen eine reichere Person einen tieferen Anteil ihres Einkommens bzw. Vermögens an Steuern bezahlt als eine ärmere (sog. degressiver Steuertarif). Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts ist so ein degressiver Steuertarif allerdings bereits heute nicht erlaubt.

Nicht geändert bzw. vereinheitlicht würden die kantonal unterschiedlichen Steuer-Abzüge.

Auswirkungen

Wenn die Initiative angenommen wird müssten in 8 Kantonen (AI, AR, SG, SZ, ZG, UR, OW, NW) in allen Gemeinden und in 7 weiteren Kantonen (SO, AG, LU, SH, TG, GL, GR) mindestens in einzelnen Gemeinden die Einkommenssteuersätze für alleinstehende Personen mit mehr als 250’000 Franken Einkommen erhöht werden. Besonders stark betroffen wären die Kantone Zug, Schwyz und Obwalden, bei denen eine Person mit 500’000 Fr. steuerbarem Einkommen im Kantonshauptort um die 40% mehr Steuern bezahlen müsste als heute. Bei der Vermögenssteuer müssten 14 Kantone (ZH, LU, UR, SZ, OW, NW, GL, ZG, AI, AR, SO, SG, GR, TG) in allen Gemeinden und 2 weitere (SH, AG) mindestens in einzelnen Gemeinden die Steuersätze für alleinstehende Personen mit Vermögen von mehr als 2 Mio. Franken erhöhen. Davon wären vor allem die Kantone Schwyz, Obwalden und Nidwalden betroffen. In deren Hauptorten müsste eine alleinstehende Person mit 5 Mio. Franken Vermögen mehr als doppelt so viel Vermögenssteuer wie heute bezahlen.

Ob die Kantone dabei die Steuern auf Gemeinde- oder Kantonsebene anpassen, ist ihnen freigestellt. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann kaum zuverlässig abgeschätzt werden, wie viel Steuermehreinnahmen generiert werden könnten.

In der gesamten Schweiz hatten (gemäss Zahlen aus dem Jahr 2007) 0.69% aller Steuerpflichtigen (ca. 31‘581 Personen) ein höheres Einkommen als 250‘000 Franken. Unter denjenigen Kantonen, die ihre Steuern anpassen müssten, sind Schwyz mit 1.71%, Nidwalden mit 1.22% und Zug mit 1.89% ihrer Steuerzahler besonders stark betroffen. Bei der Vermögenssteuer wären es rund 1.8% aller Steuerpflichtigen (ca. 86‘127 Personen).

Argumente der Befürworter

Die Befürworter der Initiative wollen mehr Steuergerechtigkeit zwischen hohen und tiefen Einkommen und Vermögen, weil man Superreiche gegenüber der restlichen Bevölkerung nicht mehr bevorzugt behandeln solle. Zusätzlich würde die Initiative auch die Steuerunterschiede zwischen den Kantonen verkleinern. Damit würde der Missbrauch beim Steuerwettbewerb zu Lasten der tiefen und mittleren Einkommen gestoppt werden, so dass Personen, die sowieso schon reich sind, nicht auch noch mit Steuergeschenken belohnt würden. Bisher sei es nämlich so gewesen, dass Reiche mit tiefen Steuern hergelockt worden seien. Falls aber einmal mehr Steuereinnahmen benötigt wurden, habe der Rest der Bevölkerung dafür aufkommen müssen.

Zudem argumentieren die Befürworter, dass die Kantone weiterhin selbst über ihre Steuern entscheiden könnten. Es werde nämlich nur ein Mindeststeuersatz festgelegt. Dieser beträfe laut Befürwortern auch nicht den „Normalbürger“. Es sei nur eine Minderheit der Bevölkerung, die Superreichen, betroffen. Die Befürworter befürchten auch nicht, dass reiche Leute bei einer Annahme der Initiative aus der Schweiz abwandern würden, um Steuern zu sparen. Ihre Mobilität würde im Normalfall überschätzt werden. Zudem stehe die Schweiz bei einer Annahme immer noch auf einem Spitzenplatz, wenn es um tiefe Steuersätze gehe.

Schlussendlich würde die Initiative den Zusammenhalt der Schweiz stärken, da der heutige Steuerwettbewerb nur das Konkurrenzdenken unter den Kantonen fördere und auch der NFA nicht dagegen wirken könne.

Argumente der Gegner

Bei einer Annahme der Initiative müssten, gemäss den Gegnern, mehr als die Hälfte aller Kantone die Steuern teilweise deutlich erhöhen. Deshalb würden reichere Personen ins Ausland abwandern, was uns schlussendlich allen schade.

Zudem würden die Kantone und Gemeinden mit einer Annahme in der Festsetzung der Steuertarife stark eingeschränkt. Damit werde der Steuerwettbewerb für einen grossen Teil der Steuereinnahmen faktisch abgeschafft. Dies führe zu höheren Staatsausgaben und einer Schwächung des Standort Schweiz, da die Kantone und Gemeinden keinen Anreiz mehr haben, effizient zu arbeiten.

Laut den Gegnern sei der Steuerwettbewerb zudem heute mit dem neuen Finanzausgleich (NFA) und dem Verbot von degressiven Steuersätzen bereits ausreichend eingeschränkt.

Die Initiative würde zudem die Steuergerechtigkeit nicht erhöhen. Besser Verdienende würden bereits heute einen überdurchschnittlichen Teil der Lasten tragen. Personen mit einem höheren Einkommen als 200‘000 Franken (2% aller Steuerpflichtigen) würden bereits heute 40% der gesamten Einkommenssteuern bezahlen. Zudem sei ihr Steuersatz wegen der Steuerprogression bereits heute deutlich höher als derjenige von ärmeren.

Schliesslich müsse man bei einem „Ja“ auch tiefere Einkommen höher besteuern. Die Bundesverfassung schreibe nämlich einen gleichmässigen Verlauf der Steuertarifkurve vor. Wenn man also die Steuersätze bei den reichen Leuten erhöhe, müsse man zwangsläufig auch jene der niedrigeren Einkommen erhöhen.

Literaturverzeichnis

Brühlhart, M. (2009). Ökonomische Überlegungen zur „Steuergerechtigkeitsinitiative“. Gefunden am 20. September 2010 unter

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Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (2010). Art. 129 Steuerharmonisierung. Gefunden am 20. September 2010 unter

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Freisinnig-Demokratische Partei FDP (2010). Steuergerechtigkeits-Initiative ist eine linke Mogelpackung. Gefunden am 20.September 2010

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Neue Zürcher Zeitung NZZ (2010). Umverteilung als Maxime. Gefunden am 1. Oktober 2010 unter

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Schweizer Parlament (2009). Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb (Steuergerechtigkeits-Initiative). Gefunden am 20. September 2010 unter Link

Schweizerischer Bundesrat (2009). Botschaft zur Volksinitiative «Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb

(Steuergerechtigkeits-Initiative)». Gefunden am 20. September 2010 unter Link

Sozialdemokratische Partei der Schweiz SP (2009). Für faire Steuern! Stopp dem Missbrauch im Steuerwettbewerb!.Gefunden am 20. September 2010 unter Link

Steuharm_final.pdf – PDF

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