Modellhaft: Aar­burg er­rech­net erst­mals die So­zi­al­hil­fe­kos­t​en für ehe­ma­lige Asyl­su­chen­de.

Das Er­geb­nis ist für die Ge­meinde mehr als düster.

Wie viele Ge­mein­den im Land auf die­ser fi­nan­zi­el­len Zeit­bombe sit­zen, kann heute nicht er­mit­telt wer­den. Es feh­len die Zah­len, es fehlt am Pro­blem­be­wusst­sei​n. Die grosse Aus­nahme heisst Aar­burg. Im Nach­bar­städt­chen von Olten herrscht seit der Ge­mein­de­ver­samm­l​ung vom Frei­tag Klar­heit. In den nächs­ten paar Jah­ren wer­den Aar­burgs jähr­li­che So­zi­al­hil­fe­kos­t​en al­lein durch an­er­kannte Mi­gran­ten um min­des­tens 1,5 Mil­lio­nen Fran­ken stei­gen. Im fi­nan­zi­ell schlech­teren Fall sind es gar drei Millionen.

Vor versammelter Gemeinde Transparenz geschaffen hat die junge SVP-Gemeinderätin Martina Bircher. Die Betriebsökonomin ist seit einem Jahr Ressortleiterin Soziales in der Aargauer Gemeinde. Ihre aufwendigen Abklärungen über mittelfristige Zusatzkosten unter dem Budgetposten Sozialhilfe lassen für Bircher nur einen Schluss zu: «Wenn niemand etwas unternimmt, ist unsere Gemeinde in absehbarer Zeit bankrott.» Birchers Analyse birgt politischen Zündstoff, denn erstmals zeigt eine Gemeinde detailliert auf, welche Sozialhilfekosten für ehemalige Asylbewerber schon heute anfallen und wie viel Sozialhilfe in den nächsten Jahren für Personen zu bezahlen ist, die eine Aufenthaltsbewilligun​g B erhalten oder die mit dem Status als vorläufig Aufgenommene bleiben dürfen (Ausweis F).

45 Prozent sind Ex-Asylsuchende

Bir​cher zeigt auf: Was die Sozialkosten anbelangt, schlägt das heutige Schweizer Asylsystem am Schluss voll auf die Gemeinden durch. Dies ist die Haupterkenntnis, die Bircher offenlegt. Teilweise gegen den Widerstand von Verwaltungsangestellt​en hatte sie in Erfahrung gebracht, wie hoch der Anteil ehemaliger Asylbewerber ist, für den die Gemeinde zu bezahlen hat. Dies musste Bircher umständlich aufschlüsseln lassen, und zwar aufgrund von Nationalitäten. Die Verwaltung führt betreffende Personen in ihren Datenbanken nämlich nicht als «ehemalige Asylsuchende» oder ähnlich auf. Spätestens mit einer Aufenthaltsbewilligun​g B verschwinden ehemalige Asylantragsteller aus der Asylstatistik. Sie sind dann von Zuzügern aus dem Ausland nicht mehr zu unterscheiden, die beispielsweise wegen einer Arbeitsstelle in eine Gemeinde gekommen waren. Hergeleitet anhand der häufigsten Migranten-Nationalitä​ten der letzten zehn Jahre, von denen Asylanträge stammen, kann Bircher heute sagen: 45 Prozent aller Aarburger Solzialhilfebezüger sind ehemalige Asylsuchende.

Explo​dierende Hilfskosten

Aarburg​ hat drei kleinere Asylzentren auf Gemeindegebiet, mit insgesamt 120 Personen. 35 Personen haben heute einen positiven oder vorläufigen Asylentscheid. In den ersten fünf bis sieben Jahren zahlen Bund und Kantone die meisten Kosten für Asylsuchende. Das ändert nur wenige Jahre später. Mit einem positiven Aufnahmeentscheid können die Migranten eine eigene Wohnung beziehen. Sofern sie nicht für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen können, sind diese Menschen dann bei der Sozialhilfe Schweizern gleichgestellt. Es gelten die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Für Sozialhilfe ist grundsätzlich die Wohngemeinde zuständig. Bei ehemaligen Asylbewerbern ist die Gemeinde nach fünf, spätestens aber nach sieben Jahren ab Einreisedatum in die Schweiz finanziell verantwortlich.

Her​ausgefunden hat Bircher auch, dass in ihrer Gemeinde 70 Prozent der ehemaligen Asylbewerber von Sozialhilfe leben. Bei den Eritreern sind es 95 Prozent. Bei einem Etat von 28 Millionen Franken beliefen sich die Sozialhilfekosten in Aarburg 2013 auf 5,5 Millionen Franken. 167 Sozialhilfeempfänger sind dort ehemalige Asylsuchende. Für 72 von ihnen muss die Gemeinde bereits heute zahlen. Die Kosten der anderen werden von Bund und Kanton die nächsten Jahre auf die Gemeinde übertragen. Nach dem Gesetz zahlen Bund und Kantone je nach Status B oder F fünf oder sieben Jahre lang. 30 Kinder von aufgenommen Asylsuchenden wurden in Aarburg «direkt in die Sozialhilfe hinein geboren», wie Bircher sagt. Ohne Neuzuzüge und ohne weitere Geburten sind im Aarburger Gemeindebudget nächstes Jahr 20 neue Sozialhilfebebzüger zu berücksichtigen, im übernächsten Jahr kommen 18 hinzu. 2017 dann werden die Sozialhilfekosten von 24 ehemaligen Asylsuchenden vom Kanton an die Gemeinde gehen, 2018 elf. Die Zahl ehemaliger Asylsuchender, denen die Gemeinde aus ihren Steuereinnahmen den Lebensunterhalt bezahlen muss, wird sich in Aarburg in wenigen Jahren verdoppeln.

Mit diesen Fakten konfrontiert, vermutet der Präsident des Schweizer Gemeindeverbands, SVP-Ständerat Hannes Germann: «Aarburg ist überall.» Die Problematik sei bisher nicht an den Verband herangetragen worden. Man müsse dieser neuen Kostenwahrheit nun exakt auf den Grund gehen.

Quelle: Basler Zeitung

Do you like Gilbert Hottinger's articles? Follow on social!
Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide comments
Comments to: Asylwesen kostet Gemeinde Millionen
  • April 17, 2019

    Wenn das System nicht als Fehler begriffen wird, so werden die Symptome besprochen! Einfältiger geht es nicht. Der Schlüssel liegt in der Auswirkung des Schuldengeldumlagevol​umens.
    Ohne Ausgaben (Kosten) keine Einnahmen (Erträge)! Nicht umgekehrt. So viel Verstand kann man erwarten?

    Wenn man nun aus diesen Mehreinnahmen die Rückführungsumlage vornimmt, so ist der Kreis geschlossen. Wenn nun aber, die Ausgaben dezentralisiert anstatt zentralisiert werden, so sind die Gemeinden mit einer hohen Anzahl Sozialhilfe die geprellten. Es liegt eben am System und nicht am Geld, Herr Hottinger

    Würde endlich erkannt, dass wir als Phantom Steuer- oder Sozialzahler denken, so wäre der Weg für die längst fälligen Reformen frei!

    Im Umsatz = Bruttoeinnahmen der Unternehmungen sind sämtliche Wirtschaftsfaktoren enthalten. Direkte Abwicklung der anteiligen Staats- und Sozialquote zwischen Wirtschaft und Staat und Aarburg hat kein Problem mehr und der SVP gehen die Spiele aus!

    Stephanie Kelton, Wirtschaftsprofessori​n MMT

    Übersetzt sagt sie, dass die Regierung erst Geld ausgibt und dann einen Teil dieses Geldes als Steuern und Beiträge wieder einzieht und einen anderen Teil als Staatsanleihen zurückbekommt. Ausgaben finden vor Steuern und Verschuldung statt – Moderne Geldtheorie MMT.

    Schlussfolger​ung soweit man begreifen kann: Die Begriffe Steuer- oder Sozialzahler sind weltweit indoktrinierte Phantome, welche die Politik, Ökonomie und Medien benutzen, um die Menschen in die Irre zu führen. Wenn das frei verfügbare Erwerbseinkommen nicht für ein ordentliches Leben ausreicht, so liegt es nicht an den Steuern oder Beiträgen, sondern einzig und allein an der Wirtschaft! Der Staat kann eine Grundsicherung garantieren!
    “Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, die Armut- und Existenzkämpfe könnten nicht mehr mit fehlendem Geld erklärt werden. Die Verantwortlichen müssten der Bevölkerung erklären, warum sie lügen und betrügen!

    Kommentar melden
  • April 18, 2019

    Die Berechnungen des Sozialamtes von Aarburg waren für die Gemeinde wichtig. Es zeigt, auch, dass die Aarburger (welche auch das jugendheim Aarburg auf dem Schloss beherbergen). sich praktisch mit der Asylfrage befasssen, während andere Gemeinden in der Schweiz lieber nur Geld zahlen wollen, statt etwas zu tun. Was hier aber auskommt, ist meines Erachtens, der Mangel an Solidarität. gegenüber Aarburg. Die kosten sollten in angemessener Gleichmässigkeit auf alle Gemeinden übertragen werden können. Natürlch ist das kompliziert. Aber heute wo es PC-Programme für alles gibt, dürfte jedes finanzdepartement eines Kantons das schaffen.

    Kommentar melden
    • April 19, 2019

      Erstens gibt es in Aarburg kein Schloss sondern eine 400 Meter lange Festung und zweitens gehört diese nicht der Gemeinde sondern dem Kanton. Seit 1893 befindet sich in der Festung das Kantonale Jugendheim, welches jugendstrafrechtliche​ Schutzmassnahmen vollzieht, also ein Gefängnis.
      Ich war in den 1980er und 90er einige male dort (zur Arbeit) und konnte alles ansehen, sogar die Strafzellen. Es ist sehr Teuer weil es pro Jugendlicher ein Betreuer braucht.

      Hat also nichts mit Asylanten zu tun.

      Kommentar melden
  • April 19, 2019

    Es ist durchaus wichtig, sich hier darum zu kümmern.

    Wer nur Geld bezahlt und ansonsten das Thema ignoriert, fördert die Enstehung von “Ghettos” wo Profiteure konzentriert bezahlbare Wohnungen hinstellen. mangelhafte Bildung und Integration führt zu Kriminalität und Arbeitslosigkeit, das wiederum nicht zuträglich ist für die Integration. Die beste Massnahme bleibt die Integration in den Arbeitsmarkt.

    Kommentar melden
  • April 19, 2019

    Für gewisse Politiker und Behörden besitzt die Schweiz immer noch viel zu wenig Kriminelle und ausländische Gauner !
    Dass diese Spezies nie und nimmer einer geregelten Arbeit nachgehen ist diesen auch ziemlich Egal!
    Vermutlich, weil sie viel zu wenig Steuern bezahlen müssen!

    Kommentar melden
  • April 29, 2019

    „Können Europa, Frankreich oder Deutschland in ihrer Essenz, ihrem Dasein immer noch dieselben sein, wenn man ihre Völker durch andere ersetzt? Wer das annimmt, zeigt, dass er eine sehr niedrige Vorstellung sowohl vom Wesen des Menschen als auch vom Wesen der Völker hat. Ein Menschenbild, das davon ausgeht, dass man einen Menschen nach Belieben austauschen kann, ist das Gegenteil der Moral ebenso wie der Kultur…”

    Bertolt Brecht

    Kommentar melden

Kommentar schreiben

Neuste Artikel

  1. Sicherheit & Kriminalität
Aufrüstung: Trumps Friedenslösung abwarten! Bevor Europa und die Schweiz Unsummen in die Aufrüstung investieren, sollten die Bemühungen der Regierung Trump um einen Frieden in der Ukraine abgewartet werden. Wie sieht ein möglicher Weg zu einem dauerhaften Frieden in Europa aus? Wie realistisch ist nach einem Waffenstillstand oder einer Friedenslösung das Szenario eines russischen Angriffs auf das Baltikum, geschweige denn auf Polen wirklich? Wo genau liegen die Abwehrlücken des Westens?
  1. Wirtschaft
Kanton Aargau: Starkes Bevölkerungswachstum – aber zu wenig Arbeitsplätze Wenn es noch eine wirksame Raumplanung mit quantitativen Steuerungsmöglichkeiten wie in den 60er oder 70er Jahre gäbe, könnte man verhindern, dass die Ansiedlung von attraktiven Unternehmungen fast nur noch in den Grossagglomerationen und in Flughafennähe stattfindet. Die überregionale räumliche Steuerung der Siedlungsentwicklung wurde aber aufgegeben und damit auch die Chance, dass der Kanton Aargau mit seinen attraktiven Regionalzentren zu einer echten Alternative für neue wertschöpfungsintensive Arbeitsplätze werden konnte.

Bleiben Sie informiert

Neuste Diskussionen

Willkommen bei Vimentis
Werden auch Sie Mitglied der grössten Schweizer Politik Community mit mehr als 200'000 Mitgliedern
Tretten Sie Vimentis bei

Mit der Registierung stimmst du unseren Blogrichtlinien zu