Bloss vier Monate vor der Eröffnung der Tunnel 3 und 4 am Gotthard soll noch schnell ein fünfter Tunnel bewilligt werden: Zweck: Baustellenumfahrung für die Renovation von Tunnel 2. Kosten: ein paar Milliarden, ein paar tausend Millionen also. Hoffnung: Viel hilft viel, schliesslich könnte trotz rollender Landstrassen auf drei Gotthard-Bahntunneln und am Lötschberg, einem bereits heute wintersicher ausgebauten, aber nicht gepflügten Pass, einer Umfahrungsautobahn am San Bernhardino und einer kreativen Etappierung der Revision der eine oder andere Alpenquerer auf die Idee kommen, er möchte am liebsten dort anstehen, wo er es immer tut.
Daneben gäbe es in der Schweiz auch echte Verkehrsprobleme zu lösen. Jede bessere Dorfkreuzung (bei uns im Südwestargau z.B. die Hochhauskreuzung in Reinach, der Bahnhofkreisel in Seon oder die zentralen Kreuzungen in Suhr) müssen im Schnitt mit deutlich mehr Verkehr zurechtkommen als der Gotthard, und dies mitten im Siedlungsgebiet. Trotzdem würde hier niemand auf die Idee kommen, bei einer Erneuerung ein Mehrfaches der eigentlichen Baukosten in die Baustellenumfahrung zu investieren. Es ist auch klar, wieso: hier kommt jeder vorbei und sieht: Das Aufwand-Ertrags-Verhältnis ist schlecht. Man soll die verfügbaren Mittel besser in echte Lösungen von Verkehrsproblemen investieren dort, wo sie am dringendsten sind. Dort, wo man täglich ansteht, nicht nur an Ostern und vor den Sommerferien, und nur dann, wenn man nicht die in Zukunft doppelt so schnelle Bahn wählt.
Die Argumente für das fünfte Gotthardloch sind also dünn. Das hat auch die Tunnellobby gemerkt und hat schnell noch eines hinzuerfunden: Die Sicherheit. Eine 80er-Strecke im Gegenverkehr, ohne Pannenstreifen: Viel zu gefährlich. Wirklich? Wir haben in diesem Land Zehntausende Kilometer 80er-Strecken im Gegenverkehr, davon Tausende ohne Ausweichmöglichkeiten neben der Fahrbahn und wohl Hunderte in Tunneln, ohne Rettungsstollen. Auf den meisten dieser Strecken gibt es im Gegensatz zum Gotthard Kreuzungen, Fussgängerstreifen, landwirtschaftlichen Verkehr, Wildwechsel und im Winter Schneeglätte. Welche Logik hat es da, ausgerechnet am Gotthard mit der Sanierung zu beginnen, da, wo es am teuersten ist? Ausserdem: Sind es nicht dieselben politischen Kreise, die nun am Gotthard im Dienste der Sicherheit neue Löcher fordern, die aber auch sagen, mit dem Programm “Via Secura” sei man zu weit gegangen, Aufwand und Ertrag würden nicht mehr stimmen?
Genauso ist es mit diesem Reserve-Autobahntunnel. Wer wirklich an der Lösung von Verkehrsproblemen interessiert ist, lehnt dieses Projekt ab und investiert die beschränkten Mittel dort, wo mit geringerem Aufwand mehr zu erreichen ist, für Verkehrsteilnehmer wie für Anwohner.
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Kommentare anzeigen Hide commentsAchja, und heute gab es im Tagi noch einen Artikel zum Thema: andernorts sind Gegenverkehr-Tunnel gut genug. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/warum-reicht-am-axen-nur-eine-roehre/story/27320631
Gut argumentiert Herr Kästli !!