„Selten klaffte ein derart tiefer Graben zwischen Stadt und Land“ titelt der Tages-Anzeiger vom Montag auf der ersten Seite. Iwan Städler ortet in den Städten die progressiven Globalisierungsgewinner, die der gesellschaftlichen Öffnung zuneigen, Migration befürworten und nachhaltiges Wachstum fordern, während auf dem Land die konservativen Globalisierungsverlierer leben, ohne Sinn für die moderne Gesellschaft. Der Stadt-Land-Konflikt gehört zur Schweiz. Der Gegensatz zwischen reichen Städten und ländlichen Urkantonen prägte die Schweizer Geschichte. Aber auch innerhalb der Kantone existierte das Gefälle Stadt-Land. Ersteres begründete das Ständemehr letzteres die Stadtkantone. Wir von der SVP sehen die politische Ausrichtung der Städte mit Sorge. Zwar konnte die SVP auch in der Stadt Zürich parallel zur Kantonalen SVP grosse Fortschritte erzielen. In den vergangenen Jahren flachte die Erfolgskurve aber merklich ab und pendelte sich bei 20% Wähleranteil ein. So gesehen sind 34.6% Nein-Stimmen gegen die Waffeninitiative gar nicht so schlecht. War das Phänomen bisher auf die Städte begrenzt, weitet es sich jetzt aber aus. Der Bezirk Affoltern war genau ausgeglichen 50-50, mit einem ganz leichten Nein-Stimmen Überhang von 15. Den Agglomerationen gelang es im Kanton Zürich, die Landschaft zu überstimmen. Die zunehmende Bevölkerungsdichte fördert die Entwicklung. Einerseits sieht der Hofpolitologe von SF DRS eine Verstärkung der konservativen Tendenzen in der Schweiz, andererseits stellen wir eine fortschreitende Verstädterung fest, was eher die linken Ideen fördert; widersprüchliche Tendenzen also. Ist es denn wirklich so, dass sich auf der Landschaft die Globalisierungsverlierer einigeln, ängstlich darauf bedacht, ihre kleinkrämerische Welt zu bewahren? Ich kann es nicht wissenschaftlich belegen, aber aufgrund meiner Beobachtungen komme ich zum Schluss, dass der grosse Unterschied in der Art der beruflichen Beschäftigung der Leute liegt. In der Dienstleistungsbranche verspricht man etwas und schaut dann, ob man es halten kann. Die Marktkräfte sind durch den einzelnen kaum beeinflussbar. In den persönlichen Kontakten gibt es Ausweichmöglichkeiten in der Anonymität der Masse. Die Verbindlichkeit leidet. Wer eine Arbeit hat, deren Produkt direkt von der eigenen Leistung abhängt, kann sich nicht rausreden. Die dörfliche Enge zwingt zur Auseinandersetzung mit dem Mitbürger. Ursache und Wirkung liegen nahe beieinander, während das städtische „Anything goes“ utopische Visionen zulässt. Es bleibt die Aufgabe der SVP, in den Städten zu erklären, dass physikalische, wirtschaftliche und menschliche Grundprinzipien auch von progressivsten Wunschbildern nicht aufgehoben werden. Sogar Luftschlösser brauchen Erdbindung, sollen sie gebaut werden. Realismus ist gefragt.
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