Blutsbrüder – Deutsche Geschichtsklitterung
Text aus einer deutschen Tageszeitung
zum Anlass der Begegnung von Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier auf dem Hartmannsweilerkopf – Le Vieil-Armand – am 11.11.2017; der Dritte durfte nicht kommen .
Am 11.11.2018 trat der Waffenstillstand zwischen den siegreichen Alliierten und den besiegten Deutschen in Kraft.
“Vor neunundneunzig Jahren endete ein Weltkrieg, von dem jene, die ihn, oft genug an Leib oder Seele versehrt, überlebt hatten, noch nicht wussten, dass er eines Tages der „Erste“ heißen würde, weil er schon die Frucht des nächsten Weltenbrandes in sich trug, der noch monströser werden sollte. Der „Große Krieg“, wie ihn Briten und Franzosen nennen, ist gut erforscht. Ein Rest des Unerklärlichen aber bleibt. Wie konnten die europäischen Völker jubelnd in eine Selbstzerstörungsorgie ziehen, aus der sie vier Jahre lang nicht mehr herausfanden, bis sie in mehrfacher Hinsicht ausgeblutet waren? Auch danach hörte der Hass nicht auf. Millionen waren im Trommelfeuer umgekommen, Großreiche waren zerfallen, Hunger und Krankheiten grassierten – aber die „Erbfeindschaft“, Revanchismus und National(sozial)ismus blühten auf. Nur zwei Jahrzehnte nachdem die europäischen Kulturnationen endlich, zu Tode erschöpft, voneinander abgelassen hatten, stürzten sie sich wieder aufeinander.
Hätten Kaiser, Könige, Zaren und Generäle vor einem Jahrhundert gehandelt, wie sie handelten, wenn sie gewusst hätten, was sie ihren Völkern, Ländern und sich selbst antun, mit entsetzlichen Folgen auch für die nächsten Generationen?
Wir wissen, was kam, und haben daraus den Imperativ „Nie wieder!“ abgeleitet.
Deutschlands Eintreten für die europäische Einigung wird unmittelbar von dieser Erfahrung und Erkenntnis angetrieben.
Doch die Zahl der Menschen, die zumindest noch den Schrecken des Zweiten Weltkriegs erlebten, schrumpft zusammen. Gleichzeitig ist nicht nur in Europa eine Renaissance nationalistischen Denkens zu erkennen. Das Fieber vom Sommer 1914 hat die Welt zum Glück noch nicht wieder ergriffen. Doch sollten gerade die Europäer nicht so arrogant sein, zu glauben, die Menschheit sei für alle Zeit gegen kollektive Wahnzustände gefeit.
Es war daher richtig und wichtig, dass der deutsche und der (jüngere) französische Präsident auf dem Hartmannsweilerkopf gemeinsam in die Vergangenheit und in die Zukunft Europas blickten. Deutsche und Franzosen sind in drei Kriegen zu Blutsbrüdern geworden, deren Schicksale, bei allen Unterschieden, untrennbar miteinander verbunden sind. Das sollte man auch und gerade dann nicht vergessen, wenn es im politischen Tagesgeschäft wieder schwieriger wird.
m/Kommentar:
„Nur zwei Jahrzehnte nachdem die europäischen Kulturnationen endlich, zu Tode erschöpft, voneinander abgelassen hatten, stürzten sie sich wieder aufeinander.“
Mit großem Erstaunen habe ich den Satz gelesen, der die historischen Fakten in keiner Weise zutreffend wiedergibt.
Auch die Aussage der „Blutsbrüderschaft“ sucht die Tatsachen zu verwischen – wohl im Glauben, dass dann alles zusammenwachsen werde – auf ewig unzertrennlich-
Aus meiner Sicht und aus der der Franzosen, die uns in unseren Ferien immer wieder ansprechen: „Vous êtes allemands?“ – „Ah, vous êtes suisses!“ sehe ich keinerlei Blutsbrüderschaft zwischen Deutschen und Franzosen.
Das ist reines Wunschdenken. In mir erzeugt der von Ihnen verwendete Ausdruck „Blutsbrüder“ das Bild von toten Poilus und toten Boches, deren Blut sich im Schützengraben vermischt – mehr nicht.
Herr Macron denkt in seiner Anbiederung an Deutschland, an die EU an Geldquellen, mit denen er Frankreich modernisieren möchte, ohne die Franzosen, die ihn nicht mehr mögen, durch Sparmaßnahmen noch mehr zu verärgern. Er kaschiert das nun sehr gut, nachdem er am Anfang seiner Präsidentschaft etwas tollpatschig sich klar geäußert hatte und auf stille, aber eisige Ablehnung bei Frau Merkel gestoßen ist.
„Hätten Kaiser, Könige, Zaren und Generäle vor einem Jahrhundert gehandelt, wie sie handelten, wenn sie gewusst hätten, was sie ihren Völkern, Ländern und sich selbst antun, mit entsetzlichen Folgen auch für die nächsten Generationen?“
Nun, von Menschen, die sich an die Spitze eines Gemeinwesens stellen – sei dies nun Kaiser Wilhelm II. oder Bundeskanzlerin Merkel – sollte man erwarten können, dass sie Eventualitäten ihrer Entscheide, ihres Handelns erwägen und nicht alternativlos, sondern mit einem Plan B im Hinterkopf (das heißt Führen!) vorgehen. (Solche Personen wie Merkel gab und gibt es auch auf der Exekutivebene der Schweiz. In historischen Volksentscheiden konnten deren die Interessen des Landes schädigenden Absichten jedoch verhindert werden).
Kommt dazu, dass Kaiser Wilhelm II eine äußerst gestörte Persönlichkeit war: ein in seiner Stellung äußerst belastender Geburtsschaden und dazu noch eine äußerst harte Mutter. Das war die Folge des Adel-Systems, bei dem – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch die unfähigsten, die charakterlosesten, die gestörtesten Personen, die größten Trottel der Erbfolge wegen an die Spitze ihrer Untertanen getreten sind – außer man hat sie ermordet; ein Bayer zum Beispiel hat sich ertränkt oder wurde ertränkt.
“Deutschlands Eintreten für die europäische Einigung wird unmittelbar von dieser Erfahrung und Erkenntnis angetrieben.”
Westdeutschland – und nur um Westdeutschland geht es in diesem Satz – unter Adenauer hatte gar keine andere Wahl: Westdeutschland war von den West-Alliierten besetzt (das GG wurde vom Alliierten Kontrollrat genehmigt) und vom Sowjetblock bedroht. Diese Erkenntnis hat u. a. den deutschen BundeskanzlerDem schweizerischen Bundeskanzler bzw. der Bundeskanzlerin o..., vor dem ich Respekt habe, Helmut Schmidt (ein anderer ist Willy Brandt) dazu gebracht den Doppelbeschluss der Nato zu initiieren und durchzusetzen: „… bei einem „Ansteigen öffentlicher Emotionen“ müsse er das persönliche Risiko auf sich nehmen, sich „unter Umständen erschießen zu lassen“.
Das waren Persönlichkeiten – nicht eine Frau Merkel, die nur der Machtausübung willen zum Schaden des Landes an der Macht bleiben will, unterstützt von ihrer Entourage, die um ihre Pfründen fürchtet. „Die mächtigste Frau der Welt“ flötet „Forbes“ – ganz einfach: die mächtige Frau Südkoreas ist abgesetzt und wird verurteilt werden, die mächtige Frau von Myanmar enttäuscht in jeder Hinsicht.
Es war nicht die EU oder einer ihrer Vorläufer, der Westeuropa in Ruhe zusammengehalten hat. Nein, es war die Bedrohung durch die Sowjetunion, die die Franzosen zwang sich mit Deutschland – unter dem sanften Druck der USA – zu arrangieren. Das führte zu 45 Jahren friedlichem „Zusammenleben“ in Westeuropa.
Wie immer wenn äußere Zwänge wegfallen beginnt die Entzweiung. Mit populistischen Entscheiden wie der Einführung einer Einheitswährung in etlichen Ländern Europas hat man die Menschen geködert, wie immer im EU-Europa ohne sie zu fragen –wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Das rächt sich nun.
Es mahnt ja zum Aufsehen, wenn die Herren Macron und Steinmeier eine “Neugründung von Europa“ fordern, die die „F.A.Z,.“ in ihrem Titel (11.11.2017) als „dringlich und notwendig“ bezeichnet.
Nun, könnte man die beiden Politiker beim Wort nehmen: „Neugründung von Europa“, dann müsste man sie in die Schweiz einladen, da könnten sie lernen, wie sich verschiedenste Partner (Kultur, Geschichte, Interessen, Bindungen) zusammenfinden – es muss ja nicht hunderte von Jahren dauern, und wie dabei die Bürgerinnen und Bürger an vorderster Front waren und sind, schlicht das Sagen haben.
Aber wir müssen uns in der Schweiz nicht auf Staatsbesuche vorbereiten: bei beiden Herren sind es Worthülsen.
Schade für Europa.
Wer wurde nicht eingeladen?
Polen!
Polen wurde als erstes Land von Deutschland überfallen: “Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten!”. Darauf erst erklärte Frankreich Deutschland den Krieg, ebenso Grossbritannien. Polen, Frankreich und Deutschland sind im “Weimarer Dreieck” miteinander verbunden.
“Weimarer Dreieck soll Zusammenhalt Europas stärken”
“F.A.Z.” vom 28.08.2016, 17:47 Uhr
Ettersburg/Weimar (dpa) – Deutschland, Frankreich und Polen wollen ihre Zusammenarbeit im Weimarer Dreieck wiederbeleben, um den Zusammenhalt der EU nach dem Brexit-Referendum zu stärken. Schon im November soll das erste Gipfeltreffen in diesem Format seit mehr als fünf Jahren stattfinden. Darauf verständigten sich die Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Jean-Marc Ayrault und Witold Waszczykowski am Sonntag bei einem Treffen zum 25-jährigen Bestehen des Gesprächsforums auf Schloss Ettersburg bei Weimar.
«Das Weimarer Dreieck ist eine wirklich große Erfolgsgeschichte», sagte Frank-Walter Steinmeier als deutscher Aussenminister nach dem Treffen. Als deutscher BundespräsidentDer Bundespräsident der Schweiz ist eines von insgesamt sie... hat er das vergessen.
Die Außenminister wollen ihre Konsultationen wieder verstärken und sich künftig vor jedem EU-Treffen abstimmen. «Wir müssen den Geist von Weimar wiederbeleben und nach ganz Europa weitertragen», sagte Ayrault. Auch Waszczykowski meinte, dass das Weimarer Dreieck eine «noch wichtigere Rolle» auf allen Ebenen spielen könne. Das Format war am 28. und 29. August 1991 bei einem Treffen der damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Roland Dumas und Krzysztof Skubiszewski im thüringischen Weimar gegründet worden. Es diente zunächst vor allem der Heranführung Polens und anderer osteuropäischer Staaten an die Europäische Union und an die Nato. Zuletzt hat das Dreieck aber deutlich an Bedeutung verloren. Der geplante Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union könnte nun eine Wende bringen. «In Anbetracht der beispiellosen Herausforderungen für Europa erachten wir es für erforderlich, die Zusammenarbeit zu intensivieren und ihr einen neuen Impuls zu geben», heißt es in einer gemeinsamen Jubiläums-Erklärung der Außenminister. Als gemeinsame Handlungsfelder sind darin die Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Wirtschafts, Energie- und Beschäftigungspolitik genannt.
Das Streitthema Flucht und MigrationUnter Migration versteht man das dauerhafte Verlegen des Woh... kommt zwar als eine «der großen Herausforderungen unserer Zeit» vor. Die Außenminister gehen aber nicht näher auf Lösungsmöglichkeiten ein. Polen zählt in der Europäischen Union zu den schärfsten Gegnern der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. «Wir wissen, dass es keine einfachen Lösungen für die genannten Herausforderungen gibt», heißt es in der Erklärung. «Wir sind jedoch entschlossen, sie gemeinsam anzugehen, im Geiste eines erneuerten gegenseitigen Vertrauens.» Die drei Länder wollen der EU sicherheitspolitisch eine «echte strategische Unabhängigkeit» von den USA verschaffen. Dazu gehöre eine Stärkung der europäischen Rolle in der Nato und eine wettbewerbsfähige Rüstungsindustrie. Wirtschaftspolitisch setzten sich die drei Minister unter anderem für weitere strukturelle Reformen ein, um die Attraktivität Europas für internationale Investitionen zu erhöhen. Zudem wollen sie die Harmonisierung der Steuer- und Sozialsysteme beschleunigen.
Für viele Polen hat Frankreich durch sein Desaster im Sommer 1940 den moralischen Anspruch auf eine privilegierte Führungsrolle in Europa verwirkt. De Gaulle und die Résistance mögen zwar die Ehre Frankreichs gerettet haben, doch der reale militärische Beitrag Frankreichs zum Sieg war 1944 – gemessen an den bewaffneten Soldaten, die im gleichen Jahr gegen das „Dritte Reich“ kämpften – deutlich geringer als der polnische.
Leserbrief in der “F.A.Z.” vom Donnerstag, den 16.11.2017 (Auszug)
“Und wo bleibt Polen?”(Weimarer-Dreieck)
“Drei „Fremde Federn“ werben in der FAZ vom 11. November für Vorschläge des französischen Staatspräsidenten Macron: ein Europa der Sicherheit und Verteidigung, eine einheitliche Asylpolitik und eine gemeinsame Bekämpfung der Fluchtursachen. Und sie reichern Macrons Vorschläge an mit bedenkenswerten Forderungen – Programm für Künstliche Intelligenz, einheitliche Unternehmensregeln, Klimaschutzengagements, erlernen der Nachbarsprache und so weiter.
Im Resümee heißt es weiter, dass „Freundschaften gepflegt und gelebt werden“ müssen. …
Sie blenden aus oder nehmen nicht wahr – beides ist geradezu unpolitisch, dass ein wichtiger Nachbar, nämlich Polen, zu diesem EU-Mächte-Verbund gehört. Sie haben offensichtlich vom „Weimarer Dreieck“ nichts vernommen oder ignorieren es mit Absicht.
Obwohl doch BundespräsidentDer Bundespräsident der Schweiz ist eines von insgesamt sie... Steinmeier, vor Jahresfrist noch als deutscher Außenminister, ausdrücklich dieses Format als ein außenpolitisches Gesprächsforum dieser drei Länder bezeichnete (F.A.Z vom 29. August 2016). Dass Steinmeier Arm in Arm untergehakt mit Macron am 10. November sich der Opfer im Ersten Weltkrieg erinnert, aber keine Adresse an Polen erfolgte, muss irritieren. Polen hat am 11. November 1918 die Unabhängigkeit wiedererlangt und begeht dies an jedem 11. November als nationalen Feiertag.
Dieses Ereignis bei unserem östlichen Nachbarn war den beiden ebenso wenig eine Silbe wert, wie es den drei „Fremden Federn“ nicht in diese geflossen ist: sich der Polen am 11. November zu erinnern.
Im „Weimarer Dreieck“ will Polen zusammen mit Frankreich und Deutschland unter anderem in Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie Wirtschafts-, Energie- und Beschäftigungspolitik enger kooperieren, wie die F.A.Z. berichtete.
Das Auswärtige Amt zitiert dazu aus der „Gemeinsamen Erklärung der Außenminister des Weimarer Dreiecks“ vom 28. August 2016: „Wir schauen mit Zufriedenheit und Stolz auf die letzten 25 Jahre des Weimarer Dreiecks, das als trilaterales deutsch-französisches-polnisches Gesprächs- und Kooperationsforum für den politischen und zivilgesellschaftlichen Austausch intensiv genutzt wurde und wird.“ Weiter wird in dieser Erklärung abgehoben auf „historische Wegmarken und Zeugnisse“ und darauf, dass sich das „Weimarer Dreieck“ zu einem wichtigen Forum des Austausches entwickele, das dem größeren Zusammenhalt der erweiterten Europäischen Union diene.
Die drei „Fremden Federn“ befremden in ihrer Ignoranz und Ausgrenzung Polens, obwohl ihre Absichten mit denen des „Weimarer Dreiecks“ nahezu übereinstimmen.
Vermutlich, weil nach ihrer Auffassung Polen trotz 123 Jahre dauernder Fremdbestimmung – initiiert von Preußen, Österreich und Russland – nun gefälligst beizudrehen hat zum Brüsseler Tanker in Fragen innerstaatlicher Verfasstheit und grenzenloser Migrationspolitik.
Solche Attitüde wirkt borniert und verstörend, weil politisch unsensibel nicht bedacht wird, was gerade Polen als zuerst angegriffener Verbündeter Frankreichs 1939 erlitten hat: totale Vernichtung seiner Städte, mörderische Dezimierung seiner Bevölkerung, Demütigung der Überlebenden.
Und schon deshalb ist zu akzeptieren, trotz Willy Brandts Kniefall und verbindlicher Anerkennung der polnischen Westgrenze nach dem Mauerfall, dass Polen höchst empfindlich reagieren muss, wenn von deutscher Seite Belehrungen kommen. Weil das aber nicht erfolgt, ja sogar Polen Mitte November 2017 beim Gedenken an Opfer weder bei Macron noch bei Steinmeier, auch nicht in „Fremde Federn“ eine Rolle spielt, ist es passend, Jaroslaw Kaczynski am Unabhängigkeitstag des 11.11. zu zitieren, wie im Deutschlandfunk berichtet wurde:
„Ein Pole zu sein heißt in Europa etwas Wichtiges zu sein.“
Ein sehr selbstbewusstes Bekenntnis, das anbietet und auffordert, mit Polen gemeinsam Europa weiterzuentwickeln – ganz im Sinne der Intentionen des „Weimarer Dreiecks“. Und „Freundschaften pflegen und leben“, nicht nur mit Frankreich und Deutschland, sondern auch mit Polen, hoffentlich auch im Sinne der drei „Fremden Federn“.”
Dem ist nichts beizufügen.
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Kommentare anzeigen Hide commentsSchöne Zusammenstellung, Herr Meyer. (Wahrscheinlich haben Sie den Datumfehler (“11.11.1918”) auch bemerkt).
Ich glaube aber, dass es nicht um Geschichtsklitterung ging. Man versucht aufgestapeltes Unrecht, welches in allen Kriegen geschah, mündlich etwas zu “überspielen”. Denn “löschen” ist angesichts des Kriegsgrauens aus zwei Weltkriegen einfach nicht machbar.
Jüngere Politiker haben den Krieg nicht mehr erlebt. Nur ältere Politiker wären in der Lage zu verzeihen oder sich zu entschuldigen. Üblicherweise tut man das durch Symbolik wie Kranzniederlegungen oder wie es Willy Brandt getan hat, er ging vor einem Soldatengrabdenkmal auf die Knie.
@ Alex Müller
Der Kniefall von Warschau am 7. Dezember 1970 war eine Demutsgeste im Rahmen der von Willy Brandt und seiner Regierung betriebenen Ostpolitik am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos. Es war eine Geste mit der Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs.
Hermann Schreiber, der zugegen gewesen war, schrieb eine Woche später im Nachrichtenmagazin Der Spiegel:
„Wenn dieser (Willy Brand, damals Bundeskanzler Deutschlands) für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige Warschauer Ghetto nimmt und dort niederkniet – dann kniet er da also nicht um seinetwillen. Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.
Die Demutsbekundung war überraschend:
für die Delegation, die Gastgeber und die Öffentlichkeit. International wurde sie als Bitte um Vergebung verstanden und zum Symbol der Ostpolitik, für die Willy Brandt 1971 der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland stieß sie auch auf Ablehnung. Einer Spiegel-Umfrage zufolge fanden damals 48 Prozent der Westdeutschen den Kniefall übertrieben, 41 Prozent angemessen, 11 Prozent hatten keine Meinung dazu.
Die Presse der DDR erwähnte die Geste überhaupt nicht. Kein Wunder, hatten diese Warschauer Freiheitskämpfer (Zivilisten, keine Soldaten) auf die Hilfe der herannahenden Sowjetarmee Stalins gehofft, wobei diese sozialistischen “Weltverbesserer” sie von den Nazis elendiglich abschlachten, aus skrupellosester Machtgier einfach krepieren liessen. Warum? Weil sie die 100 % sozialistisch-kommunistische Macht nach dem Kriege in Polen wollten, mit keinerlei Beteiligung dieser aufständischen Polen an der politischen Macht in ihrer eigenen Heimat. Auch dies sollte man nicht so schnell vergessen. Denn wiederholt sich diese 100 % sozialistische “Machtgeilheit” gegenwärtig – nur in etwas abgeänderter versteckter Form – jetzt denn nicht schon wieder?.