1. Sonstiges

Bürokratie ausser Rand und Band

Vor über einem Jahr kam die Bun­des­ver­wal­tung in einer Ab­tei­lung von Frau Wid­mer-­Schlumpf auf die Idee, die Be­treu­ung von Kin­dern einer Be­wil­li­gungs­pflic​ht zu un­ter­stel­len. Grossmütter, die sel­ber definitionsgemäss er­folg­reich Kin­der gross­ge­zo­gen ha­ben, hätten dann mit einem sau­be­ren Straf­re­gis­ter­aus­​zug in der Hand bei einer pädagogisch aus­ge­bil­de­ten Fach­per­son einen Kurs in Kin­der­er­zie­hung ab­sol­vie­ren und um eine Be­wil­li­gung bet­teln müssen. So wären sie schön theo­re­tisch in die Welt der neus­ten Pädagogiktrends eingeführt und die Fach­per­son schön prak­tisch einer neuen Stelle im öffentlichen Sek­tor mit si­che­rem Ein­kom­men zugeführt wor­den. Der ge­sunde Men­schen­ver­stand ist stets das erste Opfer der Bürokratie. Aber in die­sem Fall durfte Frau Wid­mer-­Schlumpf die welt­frem­den ei­ge­nen Leute me­dien­ge­recht stop­pen.

 

Auch bei den Krippen tobt sich der Staat mit all seinen Organen so richtig aus: Gleich 16 Bewilligungen muss eine Unternehmerin einholen, wenn sie einen Kinderhort eröffnen will. Das Stichwort „Kindswohl“ gibt den Technokraten eine Dauereinladung zu Vorschriften und deren Kontrolle – das ist heilig, da gilt es schon als anstössig, das nur in Frage zu stellen. Gelangweilten Sesselklebern in den Stadtzürcher Dienststellen fiel offenbar nichts Gescheiteres ein, als den Bürgern und Beizern das Fussballvergnügen zu versauen. Und boten damit den Politikern Gelegenheit, sich als volksnah zu präsentieren, und am Schluss dem zuständigen Stadtrat, sich tapfer als vernünftiger Mann der Tatkraft zu profilieren und den Beschluss seiner Verwaltung pünktlich vor der WM umzukehren; notabene erst, nachdem die Kritik und Häme kübelweise ausgegossen wurde.

 

Auch im Zürcher Unterland wütet das Verwaltungsungeheuer sinnlos an der schönen Landschaft herum: Da soll die Glatt und der Wald zwischen der ARA Opfikon und Oberglatt unter dem Titel „Überschwemmung und Revitalisierung“ umgenutzt werden. Allerdings mag sich von der alteingesessenen Bevölkerung kein Mensch an ein Überlaufen des Flüsschens erinnern. Und vital ist die Glatt sowieso, auch ohne das etwa 80 Mio. Franken teure Umpflügungsprojekt. Bleibt zu hoffen, dass der verantwortliche Regierungsrat seine Beglückungstechnokrat​en noch stoppt.

 

Man kann sich nur ausdenken, wie viel ein Gewerbetreibender in die Einhaltung all der sinnlosen Vorschriften investiert, die nicht derart von den Medien ausgeweidet werden, weil sie nur ganz wenige Bürger betreffen. Die Regulierungskosten werden in der Schweiz auf über 50 Mia. geschätzt, schon Karl Marx wusste um deren Wirkungen: „Die Bürokratie gilt sich selbst als der letzte Endzweck des Staates.“ Das Verwaltungsmonster schaut vor allem zu sich selber. Mancher Betrieb musste schon die Pforten schliessen, weil allein schon die penetranten feuerpolizeilichen Vorschriften seine Firmenfinanzen gesprengt haben. Wer dann all die Arbeits- und Lehrlingsplätze zur Verfügung stellen, Wertschöpfung betreiben und Steuergelder generieren soll, verstehe wer will.

 

Wie kommen eigentlich Beamte auf solch abstrusen Ideen? Während die meisten Gemeindeverwaltungen von überschaubarer Grösse sind und ihre Akteure unter der Arbeitsmenge ächzen, neigen grössere Staatsgebilde in den Zentralen zum unkontrollierten Selbstwachstum. Die Logik der Vermehrung der Amtsstuben hat übrigens einen wissenschaftlichen Anstrich erhalten. Ein Mr. Parkinson hatte in den 1950er Jahren untersucht, warum sich die Administration übermässig ausdehnt, bis dann die Sparrunde mit viel emotionalem Geheul über die Bühne gehen muss: Jeder Angestellte wünscht die Zahl seiner Untergebenen, nicht jedoch die Zahl seiner Rivalen zu vergrössern. Alle wollen ihren Job behalten und benötigen dazu Arbeit. Um zu behaupten und zu erweitern, schaufeln sich die Beamten gegenseitig Arbeit zu und erschliessen neue Tätigkeitsfelder. Es geht also oftmals gar nicht um das Schützen, Helfen, Fördern; das Staatsmonstrum schaut vor allem zu sich selber, anstatt den Bürgern ihre Freiheit und die Entscheidung zu lassen, was gut für sie ist.

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Comments to: Bürokratie ausser Rand und Band
  • Februar 17, 2011

    Genau: Es ist höchste Zeit dafür, dieses Thema auf den Tisch zu bringen!
    Ich versuche mir gerade vorzustellen wie riesig diese sich selber befruchtende Behördenkrake schon ist.
    Beeindruckend! Wir füttern das Tierchen wohl zu gut!
    Also sollten wir ihm vielleicht eine strenge Diät verordnen. damit es tüchtig an Gewicht verliert – an den richtigen Stellen.

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  • März 12, 2011

    Bürokratie-Abbau: Ein zweischneidiges Schwert!

    Im Gegensatz zur traditionalen und charismatischen Herrschaft verhindert die Bürokratie Bevorzugung oder Benachteiligung Einzelner in Form von willkürlichen Entscheidungen, weil sich alle an die gleichen und rational begründeten Spielregeln, bzw. Gesetze (eine gesetzte Ordnung) halten müssen. Bürokratie in diesem Sinne ist in unserem Staat unverzichtbar. Dass es dabei immer wieder zu Auswüchsen kommt, kann an manchen Beispielen offensichtlich gemacht werden. Beim Abbau der Bürokratie ist daher differenziert vorzugehen. Eine pauschale Verdammung der Bürokratie ist nicht angebracht. Bei einer allfälligen Umsetzung der Bürokratie-Initiative​ der FDP wird der Berg eine Maus gebären. Als Wahlkampf-Vehikel ist diese Initiative aber sicher geeignet.

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