„In zwei Bereichen zeigt die Coronakrise klar auf, dass die Widerstandsfähigkeit gegenüber derartigen Schocks gestärkt werden könnte: bei der Liquiditätsausstattung und in der Versorgungssicherheit von Unternehmen. In beiden Fällen spielt die Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik eine gewisse Rolle, doch sind es in erster Linie die Unternehmen selbst, bei denen Anpassungen notwendig sein dürften.
Der Lockdown als Reaktion auf die rasche Ausbreitung der Pandemie hatte bei vielen Unternehmen zu einem plötzlichen Einbruch der Einnahmen geführt, was bei weitgehend gleichbleibenden Kapitalkosten rasch die Liquidität austrocknen liess. Ohne die massiven und sehr raschen Massnahmen zur Liquiditätsstützung hätte in der Schweiz wohl schon zu Beginn des Lockdown eine Welle von Konkursen an sich solventer Gesellschaften gedroht. Nach dem Coronaschock ist jetzt allerdings klar, dass ein solcher Lockdown grundsätzlich möglich ist, und die Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten, in Zukunft mit einem solchen Ereignis umgehen zu können. Das wird zum normalen Risikomanagement gehören, so wie sich Unternehmen auch gegen andere bekannte Risiken absichern müssen.
Die entsprechenden Anpassungen dürften zu einer gewissen Abkehr von bisherigen betriebswirtschaftlichen Praktiken wie der Just-in-Time-Produktion und der Minimierung der Lagerhaltung führen. Solche Massnahmen zur Liquiditätssicherung für allfällige zukünftige Pandemien sind keine Staatsaufgabe, gehören also nicht direkt zur Wirtschaftspolitik; das ist Sache der Unternehmen. Eine wirtschaftspolitische Aufgabe ist es allerdings, schon vor der nächsten derartigen Krise unmissverständlich zu erklären, dass bei einem Lockdown, der durch eine künftige Pandemie ausgelöst werden sollte, der Staat nicht mehr flächendeckend mit Liquiditätshilfen einspringen wird. Damit die Unternehmen wirklich einen Anreiz haben, dieses Risiko in Zukunft in ihre Liquiditätsplanung einzubeziehen, muss das klar sein. Die staatliche Unterstützung bei Lockdowns würde sich demgemäss in Zukunft auf die – auch in der laufenden Krise substanziellen und zentralen – arbeitsmarktlichen Instrumente wie Arbeitslosenunterstützung oder Kurzarbeitsentschädigung beschränken.
Versorgungssicherheit stärken
Die Auswirkungen der Pandemie haben ein weiteres Mal vor Auge geführt, wie stark verflochten internationale Wertschöpfungsketten sind. Vor allem zu Beginn der Lockdowns war die Sorge gross, dass die Versorgung von Bevölkerung und Unternehmen mit gewissen wichtigen Gütern gefährdet sein könnte. Auch längerfristig wird man nach dieser Erfahrung nicht mehr automatisch davon ausgehen können, dass die Versorgungssicherheit allumfassend und immer gewährleistet ist. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie bei wichtigen Rohstoffen grössere Lager halten und/oder die Bezugsquellen dafür diversifizieren. Auch das ist in erster Linie eine privatwirtschaftliche Aufgabe.
Was die Wirtschaftspolitik betrifft, so sollte nach der Krise einerseits sicher die Pflichtlagerhaltung genauer angesehen werden. Noch wichtiger scheint allerdings andererseits, dass die internationale Offenheit der Schweizer Wirtschaft gesichert und weiter ausgebaut wird, idealerweise über multilaterale, in vielen Fällen aber pragmatisch über bilaterale Handelsabkommen. Wobei mit Blick auf die Versorgungssicherheit hier – anders als üblicherweise bei Handelsabkommen – die Sicherung der Bezugsquellen für Importe (und nicht der Marktzugang für Exporte) im Vordergrund steht. Da die Versorgungssicherheit in einem kleinen offenen Land nie und nimmer durch Selbstversorgung gewährleistet werden kann, ist ein möglichst offenes, geografisch diversifiziertes Aussenhandelsregime die beste Vorkehrung für die Versorgungssicherheit in Krisenzeiten.
Insgesamt bleibt die Schlussfolgerung, dass die Aufarbeitung der Coronakrise in den Kernbereichen der Wirtschaftspolitik kaum einen grösseren Anpassungsbedarf zutage fördern dürfte.“ (Aymo Brunetti in Finanz und Wirtschaft, 18.01.2021)
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