Die Kantonsschule Freudenberg führt eine staatsbürgerliche Projektwoche durch. Thema: „Matura, wie weiter?“ Zum Ende dieser Projektwoche soll ein Podium mit Politikern, darunter der Schreibende, den Schülerinnen und Schülern mehr Klarheit über den „Wert der Matura“ vermitteln. Das Zielpublikum besteht aus Sechstklässlern, die an der Weiche stehen, die sie einerseits zu einer Berufsausbildung oder über das Gymnasium zur Matura hinführt. Das duale Berufsbildungssystem Schweizer Prägung ermöglicht es, je nach Neigung und Eignung eine frühe Spezialisierung oder eine breite, auf Allgemeinbildung ausgerichtete Schule zu wählen. Nachdem mit der Berufsmatura auch für die Absolventen einer Lehre die Möglichkeit besteht, später an eine Fachhochschule zu wechseln, haben heute alle einen Zugang zu höherer Bildung. Damit hat die Matura einerseits an Exklusivität verloren, andererseits wurde genau dadurch das Konzept des Bildungsbürgers vermutlich über Jahrzehnte hinaus gerettet. Hätte eine frühe Spezialisierung im Beruf weiterhin bedeutet, von einer späteren Hochschulausbildung ausgeschlossen zu sein, wäre das Thema einer vermehrt auf die individuellen Stärken ausgerichteten Gymnasialausbildung heute noch präsenter. Wechseln wir die Szene: Foyer der NZZ, Vernissage des neuesten Buches von Prof. Ulrich Zwygart mit dem Titel „(Ir-)Rationale Topmanager“. Er geht der Frage nach, warum Menschen in höchsten Führungspositionen falsch entscheiden und welche Faktoren für die Fehlentscheide verantwortlich waren. Zur Einführung des Buches sprach u.a. Dr. Hugo Bänziger. Er, der Weggefährte und erfolgreiche Chief Risk Officer von Joe Ackermann bei der Deutschen Bank, zeigte auf, dass die Topmanager selbst dafür sorgen müssen, dass sie sich mit kritischen Leuten umgeben und nicht abheben. Eine breite Allgemeinbildung, Bänziger studierte Geschichte, hilft dabei, die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen. Die Plattitüde „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ verweist zwar darauf, dass die wichtigsten Fundamente in der frühen Kindheit gelegt werden, doch auch in der Ausbildung kann zumindest korrigierend eingegriffen werden. Wer den Aufstieg und Untergang von Imperien am Beispiel der Antike gelernt hat, weiss, dass es keine Garantie für ewigen Erfolg gibt. Die menschlichen Verhaltensweisen haben sich über die Geschichte hinweg nicht geändert. Das lernt man im Gymnasium; und auch, dass es mehr gibt, als den eigenen Fachbereich. Es werden Türen aufgestossen, die einem sonst verschlossen blieben. Natürlich hält die Matura, also die Reifeprüfung nicht, was ihr Name verspricht. Reif macht nicht die Schule. Das besorgt das Leben in Beruf und Gesellschaft. Die gymnasiale Matura bleibt wichtig. Ohne die Alternative der guten Berufsbildung wäre sie ein Irrweg.
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Kommentare anzeigen Hide commentsReifeprüfung ist ein etwas seltsamer Name:
Reif für’s Leben? Maturanden sind verglichen mit Gleichaltrigen eher unreifer.
Reif für die Uni? Die meisten Fächer könnten auch von Leuten mit nur der obligatorischen 9-jährigen Schulzeit studiert werden, aber sie hätten mehr Mühe als Maturanden und das Studium würde sich verlängern.
Die Universitäten beklagen sich über die mangelnden Deutsch- und Mathematikkenntnisse der Studenten. Offensichtlich sind im Moment die Anforderungen an die Gymnasiasten zu tief.
Es gibt zu wenig neue Schweizer Ingenieure und Naturwissenschaftler.
Folgerung: Das Schulsystem muss angepasst werden:
Es wird wieder mehr Gewicht auf die Fächer Deutsch- und Mathematik gelegt. Es genügt nicht, wenn man das Grundprinzip verstanden hat. Bei diesen Fächern ist es wie bei einem Musikinstrument oder einer Sportart, man beherrscht sie nur durch langes, mühsames Ueben.
Es sollte mehrere Wege zur Matur geben:
1. Direkt nach der 6-jährigen Primarschule, noch besser wäre jedoch bereits zwei oder drei Jahre früher, für die 15-20% besten Schüler. Die Anforderungen sind sehr hoch um den Schülern eine möglichst breite Allgemeinbildung zu vermitteln. Im bisherigen System sind diese Schüler unterfordert!
2. Nach dem Ende der obligatorischen Schulpflicht, für die übrigen Gymnasiasten.
3. Als Ergänzung nach der Lehre oder der nicht zum Studium berechtigenden Fachmittelschule.