Die Europäische Union ist ein Staatenverbund aus aktuell 27 Mitgliedsstaaten, die in einer wirtschaftlichen und politischen Partnerschaft miteinander stehen. In einem halben Jahrhundert entwickelte sich die EU von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft zusätzlich zu einer politischen Union mit einer Einheitswährung und dem grössten Binnenmarkt der Welt. Dieser Text zeigt auf, wie diese Gemeinschaft, die eine halbe Milliarde Einwohner umfasst, politisch sowie wirtschaftlich organisiert ist und wie die Zusammenarbeit mit der Schweiz funktioniert.

Die Europäische Union

Entwicklung der EU

Aus den ursprünglich sechs Staaten, die der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) angehörten, hat sich die EU mit inzwischen 28 Mitgliedstaaten entwickelt. Diese sind in der Tabelle 1 aufgelistet. Die Tätigkeit der EU beruht auf verschiedenen Verträgen zwischen den jeweiligen Mitgliedsländern. So wurde beispielsweise mit dem Vertrag von Maastricht (1992) die EU gegründet und die Schaffung einer Währungsunion beschlossen. Durch den Vertrag von Lissabon (2007) wurden die Kompetenzen der EU ausgebaut und mit der Einführung der Bürgerinitiative die Demokratie gestärkt. Die Bürgerinitiative ermöglicht durch das Sammeln einer Million Unterschriften die EU-Kommission aufzufordern, dem Rat und dem Parlament ein Gesetz zu unterbreiten.

Politisches System der EU

Um zu verstehen, wie die EU funktioniert, ist ein Blick in die wichtigsten Institutionen hilfreich. Die Abbildung 1 zeigt, wie die aufgezeigten Institutionen zusammen arbeiten.

Die Europäische Kommission hat die Funktion einer Regierung und ist damit die Exekutive der EU. Sie sorgt für die korrekte Umsetzung der Richtlinien und Beschlüsse, die vom Parlament und dem Europäischen Rat erlassen wurden. Jeder Mitgliedstaat stellt ein Kommissionsmitglied. Die Kommission sorgt dafür, dass alle Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nachkommen. Zudem besitzt sie das alleinige Initiativrecht. Das bedeutet, nur die Kommission kann dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament einen Vorschlag für einen Gesetzesentwurf unterbreiten.

Zusammen mit dem Rat der Europäischen Union nimmt das Parlament die Gesetze der EU an. Sie bilden die Legislative der EU. Auf den Vorschlag des Europäischen Rates wählt das Parlament den Präsidenten der Europäischen Kommission. Das Parlament besteht zurzeit aus 754 Abgeordneten, die alle fünf Jahre von den Bürgern der EU neu gewählt werden. Die Anzahl Abgeordnete pro Land richtet sich nach der jeweiligen Bevölkerungsgrösse. Deutschland hat beispielsweise 99 Parlamentarier, während Luxemburg nur sechs Abgeordnete stellen darf. Das Europäische Parlament ist im Allgemeinen vergleichbar mit dem Nationalrat der Schweiz.

Der Rat der Europäischen Union ist zusammen mit dem Parlament berechtigt, Gesetze zu verabschieden. Ausserdem koordiniert der Rat die gemeinsame Wirtschaftspolitik, schliesst internationale Verträge ab und nimmt zusammen mit dem Parlament das Budget an. Bei einem Vergleich mit dem schweizerischen System entspricht er dem Ständerat. Er setzt sich aus einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen.

Mitgliedstaat Beitrittsjahr Währung
Belgien 1951 EUR
Deutschland 1951 EUR
Frankreich 1951 EUR
Italien 1951 EUR
Luxemburg 1951 EUR
Niederlande 1951 EUR
Grossbritannien 1973 GBP
Irland 1973 EUR
Dänemark 1973 DKK
Griechenland 1981 EUR
Portugal 1986 EUR
Spanien 1986 EUR
Schweden 1995 SEK
Finnland 1995 EUR
Österreich 1995 EUR
Estland 2004 EUR
Lettland 2004 LVL
Litauen 2004 LTL
Polen 2004 PLN
Tschechien 2004 CZK
Slowenien 2004 EUR
Slowakei 2004 EUR
Ungarn 2004 HUF
Malta 2004 EUR
Zypern 2004 EUR
Rumänien 2007 RON
Bulgarien 2007 LEW
Kroatien 2013 HRK

Tabelle 1: Mitgliedstaaten der EU

Der Rat der Europäischen Union darf nicht mit dem Europäischen Rat verwechselt werden. Der Europäische Rat legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest. Er sucht Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten und versucht, die Union weiterzuentwickeln. Er setzt sich aus allen Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammen. Der Europäische Rat entwickelt die Zukunftsstrategie und ist somit vergleichbar mit dem Verwaltungsrat eines Unternehmens.

Der Europäische Gerichtshof übernimmt die Rolle der Judikative. Jeder Mitgliedstaat kann einen EU-Richter stellen. Der Gerichtshof ist für die Auslegung des EU-Rechts zuständig und stellt somit sicher, dass alle Mitgliedsstaaten das EU-Recht gleich anwenden.

Wie weit gehen die Kompetenzen der EU? Im Allgemeinen kann man zwischen verschiedenen Zuständigkeiten unterscheiden: Solche, die ausschliesslich der EU zuzuordnen sind (z.B. Wettbewerbspolitik) oder solche, die dem jeweiligen Mitgliedsstaat unterliegen (z.B. Schullehrpläne). Daneben gibt es noch Kompetenzen, die sich die EU und die Staaten teilen (z.B. Entwicklungshilfe). Die EU kann nur in diesen Bereichen Regelungen treffen, in welchen sie gemäss den Verträgen auch Kompetenzen besitzt. Aber auch dort ist ihre Zuständigkeit nicht unbeschränkt. Die EU ist beispielsweise nur für etwas zuständig, wenn dessen Ziele auf dieser Ebene besser umgesetzt werden können als auf nationaler Ebene.


Abb. 1: Zusammenarbeit zwischen den Institutionen der EU

Politisches Verhältnis Schweiz – EU

Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union. 2001 hat das Stimmvolk eine Volksinitiative abgelehnt, welche die sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU forderte. Die Beziehungen zur EU sind mit sogenannten bilateralen Verträgen geregelt. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Vimentis-Text „Beziehungen Schweiz – EU“.

Die Wirtschaft in der EU

„Grundfreiheiten“

Die EU verfügt über den grössten Binnenmarkt der Welt. Der Binnenmarkt gilt als Kernstück der europäischen Einigung. Damit der Binnenmarkt in Europa entstehen konnte, mussten die Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedstaaten abgebaut werden. Dazu hat man die sogenannten „Grundfreiheiten“ eingeführt:

Der freie Warenverkehr stellt sicher, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beschränkt ist. Die Zollunion sorgt dafür, dass für den Handel unter den Mitgliedstaaten keine Zölle erhoben werden. Auch mengenmässige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen sind verboten.

Allen Unionsbürgern steht aufgrund des freien Personenverkehrs offen, in welchem EU-Mitgliedstaat sie wohnen oder arbeiten wollen. So darf kein EU-Bürger aufgrund seiner Staatsangehörigkeit bei der Anstellung oder Entlohnung unterschiedlich behandelt werden.

Die Dienstleistungsfreiheit stellt sicher, dass jeder Unternehmer seine Dienstleistungen auch in anderen Mitgliedstaaten anbieten darf.

Die letzte der vier „Grundfreiheiten“, der freie Kapital- und Zahlungsverkehr, garantiert eine uneingeschränkte Übertragung von Geld- und Sachkapital. Der Kapitalfluss ist dabei nicht nur zwischen den Mitgliedsländern, sondern auch mit Drittstaaten uneingeschränkt.

Währungsunion

1999 wurde der Euro als offizielle Währung der EU eingeführt. Heute zahlen 327 Millionen Europäer täglich mit dem Euro. 17 der 27 Mitgliedstaaten haben die gemeinsame Währung eingeführt (siehe Tabelle 1). Grundsätzlich sind alle EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, den Euro einzuführen. Nur Grossbritannien und Dänemark haben sich das Recht ausgehandelt, dass sie ihre eigene Währung behalten dürfen. Alle anderen Staaten müssen den Euro einführen, sofern sie gewisse Bedingungen (Konvergenzkriterien) erfüllen. Diese Konvergenzkriterien schreiben die maximal zulässigen Werte vor, was die Verschuldung, das Zinsniveau und die Inflationsrate betrifft. Zudem muss sich der Wechselkurs der Landeswährung gegenüber dem Euro stabil entwickeln. Da sich die schwedische Bevölkerung in einem Referendum gegen die Einführung des Euros ausgesprochen hatte, verletzt Schweden die Konvergenzkriterien (genauer: die Wechselkursstabilität) absichtlich. Dadurch muss Schweden den Euro nicht einführen.

Diese gemeinsame Währung bietet den Mitgliedstaaten verschiedene Vorteile. Beispielsweise verschwindet durch die Einführung der Währungsunion das Wechselkursrisiko. Zudem werden durch Preisvergleiche die Märkte durchschaubarer. Auf der anderen Seite hat eine Gemeinschaftswährung auch Nachteile. Die Staaten können keine eigenständige Geldpolitik mehr betreiben, was insbesondere bei unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen der Mitgliedstaaten ein Problem darstellt. So verliert ein Land die Kontrolle über ein wichtiges Instrument, um die Wirtschaft eigenständig zu steuern. Zudem nimmt auch der Druck auf Sozialversicherungssysteme zu, da die Mitgliedsstaaten aufgrund der Konvergenzkriterien kein zu grosses Budgetdefizit aufweisen dürfen.

Die Europäische Zentralbank ist das Organ der EU, welches für die Geldpolitik zuständig ist. Sie arbeitet mit den nationalen Zentralbanken der EU-Länder zusammen. Die Europäische Zentralbank besitzt zwei oberste Leitziele: Erstens soll sie ein stabiles Preisniveau erhalten. Das bedeutet, dass eine zu starke Inflation vermieden werden soll. Zweitens will sie für eine stabile konjunkturelle Entwicklung sorgen. Das heisst, man will Rezessionen und Wirtschaftsblasen verhindern. Zu den Instrumenten, um die obengenannten Ziele zu erreichen, gehören die Steuerung der Geldmenge und das Festlegen von Leitzinsen.

Wirtschaftsbeziehungen Schweiz – EU

Durch die bilateralen Verträge ist auch die Schweiz eng mit dem europäischen Binnenmarkt verbunden. So wurden die Märkte in bestimmten Sektoren liberalisiert und geöffnet. Durch die Personenfreizügigkeitsabkommen wurde der freie Personenverkehr auch auf die Schweiz ausgedehnt. Wie in Abbildung 2 ersichtlich ist, ist die Europäische Union der wichtigste Handelspartner der Schweiz. 58,5% aller Schweizer Exporte gehen in die EU. Die EU hingegen exportiert 7,8% aller Ausfuhren in die Schweiz. Die Schweiz ist hinter den USA und China der drittgrösste Handelspartner der EU.


Abb. 2: Importe und Exporte zwischen der Schweiz und der EU im Jahre 2010 (Quelle: Avenir Suisse (2012))

Ausblick

Zukunft der EU

Die Europäische Union ist in den letzten Jahren stark gewachsen. So traten immer wieder neue Staaten der Union bei. Zurzeit gibt es fünf offizielle Beitrittskandidaten: Island, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei. Damit diese Länder der EU beitreten können, müssen sie bestimmte Kriterien in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfüllen.

Ebenfalls offen ist, wie sich die Integration weiterentwickeln wird. Hierzu gibt es verschiedene Szenarien. Manche Einschätzungen prognostizieren ein bundesstaatliches Europa, in welchem die Mitgliedstaaten weitreichende Kompetenzen in Innen-, Aussen-, Verteidigungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik an die EU abtreten. Die Kommission würde zu einer richtigen Regierung, das Parlament zur Volkskammer (Schweiz: Nationalrat) und der Rat zur Länderkammer (Schweiz: Ständerat). Kritischere Stimmen gehen von einem Zerfall der heutigen Union aus. Aufgrund der Uneinigkeit über die zukünftige Entwicklung würde nur eine kleine Gruppe von Staaten übrig bleiben, die ihre zwischenstaatliche Zusammenarbeit vertiefen.

Zukunft Schweiz – EU

In der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Schweiz gibt es immer noch einige offene Fragen. So verlangt die EU eine automatische Übernahme von EU-Recht oder Anpassungen bei bestimmten Steueraspekten. Andererseits hat der Bundesrat ein grosses Interesse, weitere Abkommen abzuschliessen, wie zum Beispiel im Strom- und Energiebereich. So ist für die Schweiz auch offen, wie sie in Zukunft mit der EU zusammenarbeiten will. Eine Möglichkeit ist, die bestehenden bilateralen Verträge weiterzuführen bzw. auszubauen. Ein anderer Weg wäre ein EU-Beitritt mit oder ohne Übernahme des Euros. Zudem gibt es Politiker, die eine Reduktion der Zusammenarbeit mit der EU fordern.

Literaturverzeichnis

Avenir Suisse (2012). Eine Frage der Relation. Gefunden am 5. Mai 2012 unter Link

Baldwin, R. &Wyplosz, C. (2009).The Economics of European Integration (Third Edition).London: McGraw-Hill Higher Education.

Economiesuisse (2012). 40 Jahre Freihandelsabkommen Schweiz – EU. Gefunden am 25. Mai 2012 unter Link

Europäische Union (2012). Wie funktioniert die EU? Gefunden am 5. Mai 2012 unter Link

Herrmann, M. & Stieler, M. (2010). Europa und seine Institutionen. Gefunden am 24. Mai 2012 unter Link

Kristoferitsch, H. (2007). Vom Staatenbund zum Bundesstaat? Die Europäische Union im Vergleich mit den USA, Deutschland und der Schweiz. Wien: Springer.

Thiel, E. (1998). Die Europäische Union: Von der Integration der Märkte zu gemeinsamen Politiken. Opladen: Leske und Budrich.

Weidenfeld, W. (2010). Die Europäische Union. Paderborn: Fink.

Text_WE-3_EU_10.pdf – Artikel als PDF

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