Die jo­delnde Schildwachen

von unserem Literaturnobelpreistr​äger Carl Spitteler

(Kopier von meinem Blog auf www.vimentis.ch)


O​bschon heute kaum jemand mehr Gedichte liest (das ist doch “ewiggestern, oder?”), geschweige denn kennt, kopiere ich hier ein rund 100 Jahre altes Gedicht von Carl Spitteler, das gut zeigt, dass unser auf der allgemeinen Wehrpflicht basierendes Milizsystem für die Wehrhaftigkeit freier, demokratischer und manchmal aufmüpfiger Menschen steht.


Am Ütliberg im Züribiet, da steht ein Pulvertum im Riet,

Herr Pestalozzi, der Major, pflanzte drei Mann als Wacht davor.

“Hier bleibt ihr steht, ihr Sakerlott! und dass sich keiner muckt und rodt!

Sonst – Stahl und Hagel – gibt’s etwas!  Verstanden? – Also merkt Euch das”

Drauf bog er um den Albisrank, wo er ein Tröpflein Roten trank,

Ein Schöpplein schöpft’ er oder zwei, da weckt’ ihn eine Melodei.

Dreistimmig​ wie ein Engelchor, scholl’s hinterm Pulverturm hervor,

Da half kein Zweifeln: das ist klar! Die Schildwach jodelte fürwahr.

Wer galoppiert jetzt ventre à terre, wie Blitz und Stahl vom Albis her?

“Vor allem haltet dieses fest, drei Tage jeder in Arrest!

Ja wohl! das käm mir just noch recht! Um eines aber bitt’ ich, sprecht!

wie diese Frechheit Euch gelingt, dass einer auf dem Posten singt?”

Da sprach der erste: “Kommandant, dort unten liegt mein Heimatland.

Ich schütz es mit der Flinte mein. Wie sollt ich da nicht lustig sein?”

Der zweite sprach: “Herr Pestaluzz! Sehr Ihr das Rathaus dort am Stutz?

Dort wähl ich meine sieben Herrn, drum leist ich gern.”

Der dritte sprach: “Ich halt als Norm: s’ist eine Freud, die Uniform.

s’ist eine mutige Mannespflicht. Da muss man jauchzen – oder nicht?”

Der Junker schrie:”Zum Teufel hin! Die erste Pflicht heisst Disziplin!

Ihr Lauser, wart’! euch krieg ich schon! Glaubt mir’s”und wetterte davon.

Am selbigen Abend spät indes, meint Oberst Bodmer in der Mess: (Offiziersmesse)

“W​as Kuckuck hat nur der Major! Er kommt mir heut ganz närrisch vor!

Singt, pfeift und möggt in seinen Bart! Das ist doch sonst nicht seine Art.”

Der Pestalozzi hörte das, sprang auf den Stuhl und hob sein Glas!

“Mein lieber Vetter Ferdinand, Stadtrat und Oberst zubenannt!

Wenn einer kommt und hat die Ehr, und dient in solchem Militär

von wetterfestem Bürgerholz, gesteift von Trotz, gestählt vom Stolz,

Lausketzer, die man büssen muss, weil ihnen schildern ein Genuss, (Schildwache stehen)

Mannschaften​, wo der letzte Hund, hat ein Ideal im Hintergrund –

komm her beim Styx! stoss an beim Eid! Wer da nicht mitmöggt, tut mir leid.”







 

 

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Comments to: Die jodelnde Schildwachen
  • März 25, 2013

    Lieber Herr Frick,

    das Gedicht wieder einmal zu lesen war mir sehr vergnüglich, und
    Ihr Kommentar dazu ist treffend. Nur gehört dieser Geist im grossen
    Ganzen zu den tempi passati und herrscht leider nur mehr bei Bürgern
    unserer bodenständigen Landesteilen. Vornehmlich die Partei, der Sie
    angehörigen, wird Sie deswegen belächeln. Das wissen Sie natürlich,
    und ich bewundere Sie ob Ihrer herausragenden Standhaftigkeit in
    diesem Umfeld.

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  • März 26, 2013

    Noch älter, aber dennoch unvergessen ist auch dieses urschweizerische Gespräch:

    Rudenz​, (schwärmerisch):

    V​ergeblich widerstreben wir „der EU“,
    die Welt gehört ihr, wollen wir allein
    uns eigensinnig steifen und verstocken,
    die Länderkette ihr zu unterbrechen,
    die sie gewaltig rings um uns gezogen?
    Ihr sind die Märkte, die Gerichte, ihr
    die Kaufmannsstrassen, und der Lastwagen selbst,
    der durch den Gotthard ziehet, muss ihr zollen.
    Von ihren Ländern wie mit einem Netz
    sind wir umgarnet rings und eingeschlossen.
    Wohl​tat ist’s und weise Vorsicht,
    in diesen schweren Zeiten der Parteiung,
    sich anzuschliessen an ein mächtig Haupt.

    • Zum Glück war der Uli verliebt, und zwar in ein chäches Fraueli. Die hat ihm dann aber erst mal gehörig die Kappe gewaschen:

    Berta (ernst und streng):

    Dürft Ihr von Liebe reden und von Treue, Ihr
    der treulos wird an seinen nächsten Pflichten?
    Der Sklave „Eurolands“, der sich dem Fremdling
    verkauft, dem Unterdrücker seines Volks?

    Rudenz (weinerlich):

    Will​ ich denn nicht das Beste meines Volks?
    Ihm unter EU / UNO’s Zepter nicht den Frieden?

    Berta (aufgebracht):

    Kne​chtschaft wollt Ihr ihm bereiten!
    die Freiheit wollt Ihr aus dem letzten Schloss,
    das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen.
    Das Volk versteht sich besser auf sein Glück,
    kein Schein verführt sein sicheres Gefühl,
    Euch haben sie das Netz ums Haupt geworfen!

    • Hoffen​ wir, dass Liebe zur Schweiz die Augen auch heute noch öffnet. Beim Uli ist das ja bekanntlich gelungen, der hat dann seine Berta schlussendlich noch bekommen.

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