Wer erinnert sich noch daran, dass die Schweiz knapp einer Atomkatastrophe entging?
Wie bazonline 2009 anlässlich des unrühmlichen 40-“Jahrjubiläums” einleitend schrieb, schrammte die Schweiz vor 40 Jahren knapp an einer nuklearen Katastrophe vorbei. Der Atomunfall von 1969 bei Lucens (VD) gilt als einer der schwersten Unfälle …………………………Wer erstaunt es, dieser Artikel ist nicht mehr online verfügbar! Soweit hat sich die Basler Zeitung unter dem Einfluss neuer Besitzer entwickelt. Zum Glück gibt es noch unabhängige schweizerische Medien und Quellen, ums sich umfassend zu informieren.
Tatsächlich wurde am 21. Januar 1969 der Betrieb im Versuchsreaktor von Lucens nach einer Revision wieder aufgenommen. Während der Steigerung der Reaktorleistung kam es zur Überhitzung mehrerer Brennelemente. Nr. 59 erhitzte sich so stark, dass es schmolz und schliesslich auch das Druckrohr zum Bersten brachte. Dabei wurden schweres Wasser und geschmolzenes radioaktives Material durch die Reaktorkaverne geschleudert.
Die aus dem geschmolzenen Uran freigesetzten Aktivstoffe lösten wenige Sekunden vor dem Bersten des Druckrohres eine Schnellabschaltung des Reaktors aus. Das anwesende Betriebspersonal konnte aus den im Kommandoraum verfügbaren Informationen innerhalb der ersten Minuten feststellen, dass der Primärkreislauf aufgebrochen war, der Reaktor jedoch sicher abgestellt und die Kühlung des Reaktorkerns gewährleistet war. Sie leiteten die nötigen Notfallmassnahmen ein und konnten dabei einen vorläufig sicheren zustand der Anlage und deren Umgebung feststellen. Nach einer Stunde wurde auch in den übrigen Kavernenanlagen eine erhöhte Radioaktivität festgestellt, was bedeutete, dass die Reaktorkaverne nicht dicht war. Bei Messungen in den umliegenden Dörfern konnte ein Anstieg der Radioaktivität festgestellt werden.
Wegen dem Störfall wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Ursache ermitteln sollte. Erst nach 10 Jahren publizierte diese 1979 einen Schlussbericht. Dieser kam zum Schluss, dass sich während Revisions-Arbeiten vom Herbst 1968 bis zum Januar 1969 in einigen Brennelementen Wasser angesammelt haben musste, was die Elemente teilweise von innen korridieren liess. Die Dekontamination und Zerlegung des Reaktors zog sich bis Ende 1971 hin. Insgesamt fielen 250 Fässer radioaktiver Abfälle an. 2003 wurden diese Fässer von Lucens ins Zwischenlager nach Würenlingen (AG) transportiert.
Im gleichen Jahr, als der Untersuchungsbericht über die Havarie bei Lucens erschien, ereignete sich ein sehr schwerer Störfall im KKW Three Mile Island bei Harrisburg (USA). Am 28. März 1979 kam es im Reaktorblock 2 zu einer partiellen Kernschmelze, in deren Verlauf etwa ein Drittel des Reaktorkerns fragmentiert wurde oder geschmolzen ist.
Lange Zeit waren die Techniker ratlos, wie sie die Problematik einigermassen in den Griff bekommen könnten und die Welt hielt den Atem an.
Weitere exemplarischen Vorfälle in diesem 2-Reaktoren-Atomkraftwerk:
– Am 7. Februar 1993 durchfuhr ein Mann mit einem Pkw die Absperrungen vor dem KKW und weiter durch ein Rolltor in die Turbinenhalle. Zu diesem Zeitpunkt war der Reaktor voll in Betrieb. Der Mann konnte erst Stunden später festgenommen werden und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Der Vorfall wurde acht Jahre später erstmals publiziert!
Der unbeschädigte Block 1 des KKW wurde 1985 wieder in Betrieb genommen, obwohl eine unverbindliche Volksabstimmung in der Region Harrisburg 1982 dies mit zwei Dritteln Mehrheit abgelehnt hatte.
– Am 21. November 2009 kam es in diesem gerade zu Wartungsarbeiten stillgelegten Block zu einer Freisetzung von Radioaktivität, bei der mehrere Mitarbeiter kontaminiert wurden.
– Aufgrund eines überhitzten Kühlpumpenmotors an Reaktor 1 kam es in der Nacht des 5. Oktober 2015 zu einem Brand in der Anlage. Laut Behördenauskunft sei dabei keine Radioaktivität freigesetzt worden.
Interessant ist die Geschichte von Three Mile Island bei Harrisburg auch im Zusammenhang mit der aktuellen Ausstiegsabstimmung in der Schweiz, wonach bis spätestens bis Ende 2017die ältesten AKW ausgeschaltet werden sollten, welche notabene noch vor Three Mile Island in Betrieb genommen wurden.
Aufgrund des Fracking-Booms in den Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 2010 ist Three Mile Island zunehmen unrentabel geworden und es wurde mehrfach über eine vorzeitige Stilllegung gemutmasst. Im August 2015 konnte sich die Anlage bei einer Ausschreibung nicht dafür qualifizieren, ihren Strom über das Jahr 2018 hinaus in die Stromnetze einzuspeisen. Dasselbe Schicksal erteilte mehrere weitere Atomkraftwerke desselben Betreibers, die akut von einer endgültigen Abschaltung vor 2020 betroffen sind.
Beat Murer, Luzern
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