Am 18. Juni 2023 stimmen wir über die sogenannte OECD-Mindeststeuer ab. Die Besteuerung  von mindestens 15% tut erstmals etwas  gegen die weltweite Steuerflucht der Konzerne. Eine gute Sache. Die Schweiz hat den 15% bereits zugestimmt. Sie kommt also so oder so, und das ist gut so.

Weshalb dann diese Abstimmung durch die Stimmberechtigten (nur in der Schweiz!)? Weil die “bürgerliche” Mehrheit die Zusatzeinnahmen den Konzernen indirekt wieder erstatten will. Das will u. a. die SP mit einem NEIN verhindern.

DIE OECD-MINDESTSTEUER IST IN DER SCHWEIZ NUR MIT EINEM NEIN DURCHSETZBAR:

Alle weltweit tätigen Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro müssen ab 2024 mindestens 15 Prozent Steuern zahlen, unabhängig von ihrem Standort auf der Erde. Diese neue Regel trifft das Schweizer Geschäftsmodell mit seinem ungesetzlichen Steuerdumping-System empfindlich:  Heute profitieren 200 bis 300 Multis sowie rund 2000 Ableger  davon, dass sie hierzulande weniger als 15 Prozent Steuern entrichten.

Verweigert sich unser Land der neuen Steuer, hat das Ausland das Recht, in der Schweiz ansässige Konzerne über eine Zweigniederlassung zu besteuern und auf diesem Weg auf unser Steuersubstrat zuzugreifen. Eine ungemütliche Ausgangslage.

Darum griff die bürgerliche Mehrheit zu einer Schlaumeierei. Sie setzte im Parlament durch, dass 75 Prozent der geschätzten Steuereinnahmen von 1,5 bis 2,5 Milliarden Franken den Kantonen zugutekommen und der Bundesanteil von 25 Prozent für Massnahmen zur Standortförderung verwendet werden muss. Worauf dies hinaufläuft, liegt auf der Hand: Um ihren Steuer- und Standortvorteil zu verteidigen, werden die betroffenen Tiefsteuerkantone wie Zug und Baselstadt mit den Zusatzeinnahmen und unterstützt durch den Bund versuchen, neue Steuersenkungsrunden für Unternehmen und Aktionäre durchzusetzen sowie Dienstleistungs- und Infrastrukturkosten für die Konzerne zu übernehmen.

Anders gesagt: Was mit der neuen OECD-Mindeststeuer einkassiert würde, ginge über Umwege gleich wieder zurück an die Multis. Und die Bevölkerung guckte in die Röhre: kein Geld für Kitas, keine Prämienverbilligungen, kein Teuerungsausgleich für AHV-Renten. Kurzum: Ein schlechter Witz!

Darum braucht es ein NEIN an der Urne. Mit der Ablehnung des neuen Verfassungspassus kann erstens ein weiteres Anheizen des interkantonalen Steuerwettbewerbs verhindert werden. Es kann zweitens dafür gesorgt werden, dass Bundesrat und Parlament eine Mittelverteilung beschliessen, welche die Kaufkraft der breiten Bevölkerung stärkt. Und drittens würde die Bevölkerung damit zum Ausdruck bringen, dass Standortattraktivität durch Investitionen in Lebensqualität, soziale Sicherheit und Infrastruktur entsteht, nicht durch Steuersubventionen.

Das alles ist durchsetzbar, ohne dass das NEIN Risiken birgt. Denn Tatsache ist: Die OECD-Mindeststeuer kommt so oder so und ohne, dass ein einziger Steuerfranken verloren geht. Der Grund: Bei einem NEIN werden sich die eidg. Räte wie von der Tarantel gestochen beeilen, bis im Herbst eine neue Vorlage mit einer fairen Verteilung der Steuereinnahmen vorzulegen. Alles andere hiesse nämlich, ab dem 1. Januar 2024 zuzulassen, dass dann andere Staaten die hier ansässigen Konzerne über die Niederlassungen besteuern. Und das scheut die bürgerliche Mehrheit wie der Teufel das Weihwasser.

Technisch ist die Neuauflage ohnehin kein Problem: Wenn unsere Regierung fähig ist, innert 72 Stunden eine Grossbank zu retten, dann schafft sie es locker, innert 72 Stunden auch ein neues Modell für die Mittelverteilung auszuarbeiten und dieses den Stimmberechtigten rechtzeitig vor Inkrafttreten der OECD-Mindeststeuer am 1. Januar 2024 zur Abstimmung vorzulegen.

(Quellen: u. a. Walter Langenegger, SP Schweiz, Eidg. Finanzdepartement, ChatGPT)

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Comments to: DIE OECD-MINDESTSTEUER IST IN DER SCHWEIZ NUR MIT EINEM NEIN DURCHSETZBAR
  • Mai 8, 2023

    Zahlen und Fakten zur OECD-Mindeststeuer

    Weltweit haben sich die Steuersätze für Konzerne seit 1980 im Durchschnitt von rund 50 Prozent auf etwa 22 Prozent mehr als halbiert. Eine ähnliche Entwicklung hat auch in der Schweiz stattgefunden: Der Tarifsatz für Unternehmen sank im gleichen Zeitraum massiv, und zwar sowohl auf Bundes- und Kantonsebene und erst recht in den Tiefsteuerkantonen. In Zug und Schwyz beispielsweise liegen die Steuersätze für Unternehmen derzeit bei 12,3 bzw. 11,6 Prozent.
    Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet damit, dass die Mindeststeuer für multinationale Unternehmen insgesamt mehr als 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr einbringen wird.
    Mit der OECD-Mindeststeuer sehen sich nebst der Schweiz auch andere Staaten gezwungen, eine Ergänzungssteuer einzuführen, um kein Steuersubstrat zu verlieren. Dazu gehören Irland, Ungarn, Zypern oder Litauen, aber auch US-Bundesstaaten wie Delaware und Nevada sowie Offshore-Staaten wie die Kaimaninseln.
    Laut einem Bericht von Bloomberg Ende 2021 sind folgende Konzerne von der OECD-Steuer am stärksten betroffen: Apple, Microsoft, Alphabet (Google), Amazon, Facebook, JPMorgan Chase, Berkshire Hathaway, Johnson & Johnson, Procter & Gamble und Visa.

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  • Mai 8, 2023

    Die Schweiz hat sich bereits bei der Beratung der Mindestbesteuerung in der OECD unsolidarisch verhalten. Sie hat sich mit anderen Tiefsteuerstaaten wie Luxemburg und Irland erfolgreich dafür eingesetzt, dass der OECD-Mindestsatz mit 15% jetzt sehr tief liegt. Ursprünglich strebte die OECD 21% an. (Ein fairer Steuersatz für Konzerngewinne müsste bei 30% oder mehr liegen.)

    Und nun versucht die Schweiz – mit dreisten Umgehungen – das Alleinstellungsmerkmal der Schweiz mit der tiefsten Konzernbesteuerung beizubehalten.

    (frei nach NR Fabio Molina, SP)

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  • Mai 13, 2023

    Die Sozialdemokraten lehnen diese Vorlage nicht gern ab. Wegen der Umgehungsmöglichkeiten musste sie aber wohl oder übel in den sauren Apfel beissen und ein NEIN beschliessen. Dieses Ei haben ihnen die \”Bürgerlichen\” ins Nest gelegt.

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  • Mai 16, 2023

    Die OECD-Mindestbesteuerung von 15% für Konzerne ist in der Schweiz im Moment nur mit einem NEIN durchsetzbar. Nur das NEIN schliesst die offenen Türen für Umgehungen.

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  • Mai 18, 2023

    In der Schweiz ist die Umgehung die Krux der Mindestbesteuerung. Die Bevölkerung geht leer aus. Nur Kantone wie Zug profitieren. Zug bezahlt die zusätzlichen Steuereinnahmen direkt an die Konzerne zurück – so an Glencore.

    Bei einem NEIN der Abstimmenden zu dieser eigenwilligen bzw. -artigen Mindeststeuer kann das Parlament rasch eine bessere Vorlage ohne Umgehungsmöglichkeiten beschliessen.

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  • Juni 7, 2023

    Ein NEIN verhindert diese weltweite Mindeststeuer von 15% für Konzerne zum Glück nicht, jedoch die bereits von Kantonen und Konzernen eingeleiteten Umgehungen. Folgen Sie also bitte der Ablehnungs-Parole der der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz! Danke.

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