Gestern Morgen traute ich meinen Augen nicht, als ich die Schlagzeilen in diversen Sonntagszeitungen las: Die Parteichefs von SP, CVP, FDP, Grünen, BDP und Grünliberalen verlangen gemeinsam von der «Weltwoche», dass diese ihre Besitzverhältnisse offenlegt. Entweder verblödet die Politik oder uns geht es zu gut. – Noch!
Die Presse zeigt ihrerseits jedoch auch Unfähigkeit, die wirklich relevanten Themen auf den Punkt zu bringen. Seit Januar wird das Thema Hildebrand durchgekaut, Experten werden interviewt, Politiker befragt und eine Tageszeitung versteigt sich sogar noch dazu, Gesichtsanalysen der Mitbeteiligten in der Devisenaffäre zu publizieren. Die Zeitungen in unserem Land schreiben sich nicht nur gegenseitig ab, viel schlimmer noch, – sie langweilen. Es sind die heleunden Hunde, die verbreiten, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban beschneide die Medienfreiheit. Dabei ist es unsere heimische Presse, die sich selber und ihre Leser zensuriert – was noch viel schlimmer ist.
Geht es uns wirklich so gut? Der Qualitätsjournalismus ist auf der Strecke geblieben. Medien und Politik, die sich so oft gegenseitig die Verantwortung für Oberflächlichkeit und Verflachung geben, sitzen in einem Boot. Der Schweizer Journalismus befindet sich im Zustand der schleichenden Verwahrlosung. Eine kleine Gemeinde geltungssüchtiger Medienprofis, dominiert das redaktionelle Tagesgeschäft, zettelt Debatten an, lenkt das politische Feuilleton und wirkt in die öffentliche Sphäre hinein. Durch ihr dauerhaftes Mitteilungsbedürfnis auf allen Medienkanälen sichern sich diese Lichtgestalten ein Mitspracherecht auf höchster Ebene und beeinflussen so zugleich, was ihre Kollegen denken und publizieren – oder verschweigen.
So verschwörungsideologisch sich derartige Kampfdefinitionen auch anhören mögen – die Medienkritik unserer Tage liegt durchaus auf einer Wellenlänge mit den negativen Einschätzungen in der Bevölkerung. Die rückläufigen Abozahlen zeigen es. Umfragen scheinen den desolaten Zustand zu bestätigen. Im gesellschaftlichen Ansehen von Berufsgruppen finden sich Journalisten neben Lehrern und Politikern an unterster Stelle der Vertrauensskala. Die Bürger finden sich danach in der Berichterstattung genauso wenig wieder wie in der Politik.
Überall sind Strippenzieher am Werk, die sich einen feuchten Kehricht um ihre Verantwortung für die Gesellschaft kümmern. Fahrlässig – wenn nicht sogar vorsätzlich – würde die wichtige Funktion der Kontrolle der Mächtigen im Lande aufgegeben, heisst es immer wieder. Aus den Wachhunden der Demokratie sind Schosshündchen der tonangebenden Klasse geworden. Ganz unverfroren bedienen Journalisten politische Interessen und sind sich nicht einmal mehr darüber bewusst, dass sie mit ihrer Korrumpierbarkeit das fein austarierte demokratische System destabilisierten. Das Journalisten-Bashing ist in Mode gekommen. Ob bei der Weltwoche oder anderswo. Wir haben Kampagnen- statt kritischem Journalismus. Wir bekommen Kommerz statt Aufklärung, Verblödung statt Bildung. Wir werden mit der Gefolgschaft zu Parteien und dem Personal der Politik abgefertigt, statt kritische Distanz zu wahren. Wir bekommen eine Berichterstattung, die geprägt ist durch Nähe und Kooperation mit Wirtschaft, Parteien und Verbänden statt durch Vorsicht und Abstand. Wir sehen die Verneigung vor den Mächtigen und vermissen die Zuneigung zu den Schwächeren. Wir erleben Nachklappern und Nachplappern statt Analyse und Nachdenken. Nach der schlichten Parteilogik, mit der wir es hier zu tun haben, erfüllen Journalisten offenbar ihre Aufgabe als Hüter der Demokratie nur dann, wenn sie sich für “gute” politische Kampagnen von Parteien, Gewerkschaften oder Wirtschaftslobbyismus vereinnahmen lassen. Dagegen betreiben Publizisten nur verdammungswürdigen “Kampagnenjournalismus”, wenn sie den politischen Gegnern oder dubiosen Interessengruppen nahe stehen.
Der Schweizer Journalismus hat sich vom höchsten Gut der Meinungs- und Pressefreiheit längst verabschiedet und das müsste den Politikern mehr zu denken geben als die Weltwoche per se.
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