Volksabstimmung vom 18. Juni 2023

Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung grosser Unternehmengsruppen

Die OECD hat im Oktober 2021 zusammen mit den G20 ein Projekt zur globalen Besteuerung grosser Unternehmen beschlossen. Die Schweiz hat sich diesem Projekt angeschlossen. Es besteht aus zwei Säulen: (1) Die weltweit rund 100 grössten Unternehmensgruppen sollen dort besteuert werden, wo sie ihre Produkte verkaufen, und (2) international tätige Grossunternehmensgruppen sollen mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen. Werden in einem Land tiefere Steuern erhoben, können andere Staaten die Differenz bis zur Erreichung von 15% Gewinnsteuerlast einziehen. Da die Vorlage eine Verfassungsänderung mit sich zieht, stimmt das Volk nun darüber ab.

Ausgangslage

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben im Oktober 2021 ein Projekt zu neuen Besteuerungsmodellen im Digitalisierungs- und Globalisierungszeitalter verabschiedet. Dieses neue Modell soll dazu führen, dass hochprofitable multinationale Konzerne einen gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Das Projekt folgt auf die 15 Aktionspunkte der OECD von 2015 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS), deren Umsetzung noch immer Lücken aufweist. 136 Länder, die zusammen mehr als 90% des weltweiten BIP stellen, darunter die Schweiz, haben sich auf das neue Projekt verständigt und einen Plan für dessen Umsetzung ab 2023 vereinbart. Das Projekt besteht aus zwei Säulen:

  1. Gewinnsteuern im Marktstaat: Unternehmen mit mindestens 20 Milliarden Euro Umsatz und einer Profitabilität von mindestens 10% – also die weltweit rund 100 grössten Unternehmen – sollen dort besteuert werden, wo sie ihre Produkte verkaufen. Konkret gehen 25% des Residualgewinns (Gewinn nach Abzug der Kapitalkosten) an die Staaten, in denen sich die Kunden, bzw. Nutzer der Unternehmen befinden. Ausgenommen davon sind regulierte Finanzdienstleistungen und der Rohstoffabbau. Gleichzeitig werden Steuern auf digitale Dienstleistungen und ähnliche Massnahmen aufgehoben. Die 1. Säule umfasst auch ein verbindliches Streitbeilegungsverfahren, mit Erleichterungen für Entwicklungsländer. Die Umsetzung der 1. Säule bedingt ein internationales Übereinkommen, dessen Umsetzung noch offen ist.
  1. Mindestbesteuerung von 15%: Alle multinationalen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro unterliegen einer globalen Mindeststeuer von 15%. Davon ausgenommen sind Einkünfte aus der internationalen Schifffahrt. Diese Steuern werden nach einem einheitlichen Standard erhoben, die sich vom Standard der OECD-Mitgliedsstaaten, darunter der Schweiz, unterscheiden. Die Umsetzung ist in der EU, Grossbritannien, Kanada, Japan und der Schweiz ab 2024 geplant.
Ziele der Vorlage

Die Vorlage schafft die Grundlage für die Umsetzung des OECD-Projekts in der Schweiz. Für die 1. Säule werden lediglich die Voraussetzungen für die Umsetzung geschaffen, Bundesrat und Parlament haben noch nicht entschieden, ob sich die Schweiz einem künftigen internationalen Übereinkommen anschliessen soll. Die Mindestbesteuerung von 15% in der zweiten Säule soll hingegen 2024 eingeführt werden. Eine neue Übergangsbestimmung in der Verfassung gäbe dem Bundesrat das Recht, per Verordnung eine Ergänzungssteuer bis 15% einzuführen. Innerhalb von sechs Jahren soll dem Parlament allerdings ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt werden.

Von der Ergänzungssteuer sind multinationale Unternehmen betroffen. In der Schweiz sind dies einige hundert inländische sowie einige tausende ausländische Unternehmensgruppen. Es ergäben sich im ersten Jahr Zusatzeinkünfte von schätzungsweise 1 bis 2,5 Milliarden Franken. Diese Einkünfte sollen zu 75% jenen Kantonen zufliessen, welche heute Steuersätze unter 15% haben, und zu 25% dem Bund. Die Ergänzungssteuer findet im nationalen Finanzausgleich ebenfalls Berücksichtigung, sodass auch finanziell schwächere Kantone profitieren.

Wird die Vorlage abgelehnt, so kann das Projekt in der Schweiz nicht umgesetzt werden und die Differenz zwischen dem Steuersatz in der Schweiz und dem Mindeststeuersatz von 15% von anderen Staaten eingezogen.

Argumente der Befürworter

Die Befürworter betonen den Verbleib der Grundsteuer in der Schweiz, sowie Mehreinnahmen für die Kantone – entweder über die Ergänzungssteuer oder durch den Finanzausgleich.

Die Mindestbesteuerung der OECD sei international beschlossen worden, weshalb es nun darum gehe, keine Steuereinnahmen an das Ausland zu verschenken. Die Vorlage ist breit abgestützt und deren Umsetzung wird grundsätzlich von allen Fraktionen im Parlament mitgetragen. Die Erhebung der Ergänzungssteuer in der Schweiz schützt Schweizer Unternehmen vor der Zusatzbesteuerung und damit verbundenem administrativem Mehraufwand im Ausland, womit Rechts- und Planungssicherheit geschaffen wird. Es sind zudem nur grosse, internationale Konzerne von der zusätzlichen Ergänzungssteuer betroffen – für KMU und rein national tätige Unternehmen ändert sich nichts.

Der Verteilschlüssel unterhalb der Kantone stellt zudem sicher, dass alle Kantone profitieren: über den Finanzausgleich gewinnen auch die finanzschwächeren Kantone, welchen die Ergänzungssteuer nicht direkt zufliesst. Die Verteilung an die Kantone stellt sicher, dass die Mehreinnahmen am effizientesten umgesetzt werden, da die Kantone die lokale Branchenstruktur und die lokalen Bedürfnisse am besten Kennen.

Argumente der Gegner

Im Parlament hat eine Minderheit gegen die Vorlage gestimmt. Die Vorlage ist international schon beschlossen, weshalb sich die Debatte vor allem um die Verteilung der Einnahmen aus der Ergänzungssteuer zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen drehte. Zudem wurde eine fehlende globale Steuergerechtigkeit kritisiert.

Die Mindestbesteuerung sei ein Schritt in die richtige Richtung, da sie den Steuerwettbewerb entschärfe und zu mehr Steuergerechtigkeit führe. Allerdings führe die Verteilung von 75% für die Kantone mit Steuern unter 15% und 25% für den Bund zu einer unzweckmässigen Verwendung der zusätzlich erhobenen Steuergelder. Tiefsteuerkantone wie Zug und Basel-Stadt würden mit den Zusatzeinnahmen versuchen, Steuern für Unternehmen weiter zu senken, etwa indem sie Dienstleistungs- und Infrastrukturkosten für die Konzerne übernähmen. Die vom Bund erhobenen Mittel würden, gebunden an die Standortförderung, für ähnliche Zwecke verwendet. Die Zusatzeinnahmen würden also nur dazu dienen, Grosskonzerne wiederum zu subventionieren.

Auch werde die globale Steuergerechtigkeit hintergangen, indem die Schweiz die zusätzlichen Steuereinnahmen im Land behält. Wenn die Schweiz die Steuern erhebt, können dies die anderen Länder nicht mehr, worunter insbesondere wirtschaftliche benachteiligte Länder im globalen Süden litten.


Diesen Artikel gibt es hier als pdf: OECD-Mindeststeuer

Quellen:

Alliance Sud (2022). OECD-Mindeststeuer: so sicher nicht. Gefunden am 28. April 2023 unter https://www.alliancesud.ch/de/politik/steuer-und-finanzpolitik/steuerpolitik/oecd-mindeststeuer-so-sicher-nicht

Année Politique Suisse (2023). Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036). Gefunden am 27. April 2023 unter https://anneepolitique.swiss/prozesse/62428

Bundesrat (2022). Botschaft zum Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen. Gefunden am 29. April 2023 unter https://swissvotes.ch/attachments/1e61b29629159cfd9fe680a91f91401076e275556cd0b2f04bfb02a5beea613a

Bundesrat (2023). Erläuterungen des Bundesrates: Volksabstimmung vom 18. Juni 2023. Gefunden am 28. April 2023 unter https://www.admin.ch/dam/gov/de/Dokumentation/Abstimmungen/Juni2023/DE_Erlaeuterungen_Juni_2023_web.pdf.download.pdf/DE_Erlaeuterungen_Juni_2023_web.pdf

economiesuisse (2023). OECD-Mindeststeuer – Steuereinnahmen sichern, Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Gefunden am 29. April 2023 unter https://www.economiesuisse.ch/de/dossier-politik/oecd-mindeststeuer-steuereinnahmen-sichern-wettbewerbsfaehigkeit-erhalten

Eidgenössisches Finanzdepartement EFD (2023). Q&A zur Umsetzung der OECD-G20-Mindestbesteuerung in der Schweiz. Gefunden am 29. April 2023 unter https://www.efd.admin.ch/dam/efd/de/steuern-international/umsetzung-oecd-mindesteuer/faq-oecd-mindessteuer.pdf.download.pdf/20230403-faq-umsetzung-oecd-mindeststeuer-de.pdf

OECD (2021). Zwei-Säulen-Lösung für die steuerlichen Herausforderung der Digitalisierung der Wirtschaft. Gefunden am 29. April 2023 unter https://www.oecd.org/tax/beps/broschure-zwei-saulen-losung-fur-die-steuerlichen-herausforderungen-der-digitalisieru.pdf

Parlamentsdienste (2022). Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft). Gefunden am 29. April 2023 unter https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20220036

Sozialdemokratische Partei der Schweiz (2023). OECD-Mindeststeuer: Warum ein Nein? Gefunden am 29. April 2023 unter https://www.sp-ps.ch/artikel/oecd-steuer-warum-ein-nein/

SWI swissinfo.ch (2023). OECD-Steuerreform: Darum geht’s bei der Abtstimmung. Gefunden am 28. April 2022 unter https://www.swissinfo.ch/ger/wirtschaft/oecd-mindeststeuer–darum-geht-s-bei-der-abstimmung/48401262

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: OECD-Mindeststeuer für Unternehmen
  • Mai 16, 2023

    JA zur OECD-Steuerreform

    Es ist richtig, dass die Kantone zum Grossteil über diese Mehreinnahmen verfügen können, damit sie zugeschnittene Massnahmen für die Standortattraktivität umsetzen und die Wirtschaft bei Laune halten können, auch wenn die Steuervorteile wegfallen.

    Es ist wichtig, dass die betroffenen Unternehmen direkt profitieren, denn der Wettbewerb wird sich von den Steuern auf andere Faktoren verschieben. So sollte die Forschung begünstigt werden, etwa mit Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft, wovon beide profitierten. Auch eine leistungsfähige Infrastruktur und die Versorgungssicherheit seien wichtig. Grundsätzlich sollten die Instrumente, die andere Länder anwenden, auch bei uns eingesetzt werden dürfen; so sollen etwa sogenannte Tax-Credits möglich sein. Das sind Steuergutschriften für Ausgaben für die Forschung.

    Auch die Vermögens- und Einkommenssteuern für Private müssen nochmals angeschaut werden, um im Wettbewerb um Arbeitskräfte als Standort attraktiv zu bleiben.

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