1. Gesellschaft

Elternzeit: Vaterschaftsurlaub jetzt!

Es ist im In­ter­esse der Ge­sell­schaft und damit Sache des Staa­tes, dafür zu sor­gen, dass El­tern Zeit für ihre Kin­der ha­ben. Aber es sollte Sache der El­tern sein zu ent­schei­den, wie sie diese Zeit am liebs­ten aufteilen.

Familienpl​​anung sollte keine Rechenübung sein. Denn die Frage, ob und wie viele Kinder man haben möchte, lässt sich nicht einfach ausrechnen, sondern ist eine Herzensangelegenheit.​​​ Und dennoch sind viele Eltern in der Schweiz gezwungen, mit dem spitzen Stift zu rechnen: Wird genug Zeit für die Kinder vorhanden sein? Wird die Familie finanziell über die Runden kommen?

Die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie», die heute lanciert wurde, will den Familien in der Schweiz, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, mehr Entscheidungsfreiheit​​​ geben. Sie setzt auf die Formel 14+4: Zusätzlich zu den heutigen 14 Wochen Mutterschaftszeit sollen noch einmal vier Wochen „Papizeit“ kommen. Um Urlaub geht es hier nicht. Stattdessen können die Väter während dieser Zeit wichtige Familienarbeit leisten. Entsprechend soll diese Zeit auch über eine Vaterschaftsversicher​​​ung bezahlt werden.

Den Vater Vater sein lassen

Väter wollen nicht mehr nur Erzeuger und Ernährer sein, sondern Erzieher ihrer eigenen Kinder – wenn man sie nur lässt. In Deutschland wurde zum Beispiel vor einigen Jahren eine flexible Elternzeit von bis zu 14 Monaten eingeführt, welche die Elternteile unter sich aufteilen können. Seitdem sind die Väter viel stärker in die Erziehung involviert. Im Schnitt verbringen Väter in Elternzeit mit ihren Kindern mehr als doppelt so viel Zeit wie Väter ohne Elternzeit. Das ist gut für die Väter und noch besser für die Entwicklung der Kinder.

Wenn die Initiative Erfolg hat, wäre das ein wichtiger Schritt nach vorn. Denn damit würde die Schweiz anerkennen, was längst Realität ist. Nämlich, dass Erziehung nicht nur eine Sache der Mütter und Geldverdienen nicht nur eine Sache der Väter ist. Die Schweizer Familienpolitik ignorierte bisher, dass die klassische Rollenverteilung längst nicht mehr die einzige ist. Mit einer bezahlten Vaterschaftszeit kann der Staat die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Erwerbsarbeit und bei der Kinderbetreuung zusätzlich fördern.

Die Schweiz kann mehr für Eltern tun

In der Schweiz würden 90% der Väter gerne die Erwerbsarbeitszeit reduzieren, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Einige fortschrittliche Unternehmen in der Schweiz machen das bereits möglich. Arbeitgeber wie Mobility oder Raiffeisen bieten freiwillig 15 bis 20 Tage Vaterschaftszeit. Den meisten berufstätigen Vätern wird aber diese Möglichkeit nicht gewährt, denn einen Rechtsanspruch haben sie nicht. Gerade die ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes sind für die Familie eine intensive Zeit. Da sollten die Eltern ihren Kopf frei haben, und sich nicht mit dem Chef um Betreuungszeit streiten oder mit Nachteilen im Job herumschlagen müssen. Eine gesetzlich fest verankerte und bezahlte Vaterschaftszeit räumt diese Konflikte aus und hilft bei einem guten Start ins (Familien-)Leben.

Es gibt also gute Gründe dafür, warum andere Länder beim Thema Elternzeit bereits weiter sind als die Schweiz: In Island erhalten Eltern neun Monate Elterngeld, in Schweden dauert die Elternzeit ein Jahr und vier Monate. Und in Österreich können die Eltern bis zu zwei Jahre lang ein Kinderbetreuungsgeld erhalten. Damit werden die Eltern nach der Geburt eines Kindes mit der notwendigen Freiheit ausgestattet, um wertvolle Familienarbeit zu leisten.

Flexible Politik für vielfältige Familien

Doch wer Familien fördern will, darf nicht nur an die Väter denken. In manchen Familien gibt es keinen Vater, aber zwei Mütter. In anderen gibt es zwei Väter, aber keine Mutter. Familien heute sind bunt. Eine Familienpolitik, die einzig in den Kategorien Vater und Mutter denkt, wird diesem Alltag nicht gerecht. Der Staat sollte es seinen Bürger_innen selbst überlassen zu entscheiden, wie sie Familie leben möchten. Aber er sollte sie bestmöglich unterstützen, wenn sie entscheiden, dass sie Familie haben möchten.

Das gelingt am besten mit einer langen Elternzeit, welche die Mutter nach der Entbindung schützt und die ansonsten unter den Partner_innen frei aufgeteilt werden kann. Viele Länder, wie Schweden, machen das vor. Die Formel 14+4 der Initiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» ist dafür ein guter Anfang. Aber am Ende sollten keine Einzelzahlen für die Elternteile stehen, sondern eine Summe für die Familien. So wird die Entscheidungsfreiheit​​​ von Familien gestärkt und kein Lebensmodell einseitig bevorzugt. Man muss kein_e Rechenkünstler_in sein, um kalkulieren zu können, dass sich jede Investition in längere Elternzeiten auf jeden Fall lohnt.

Die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» kann in den nächsten 18 Monaten unter elternzeit.jetzt unterschrieben werden.

Diesen Text habe ich auch auf meinem Blog veröffentlicht. Er steht somit unter einer CC BY-ND 4.0 Lizenz.

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