1. Sonstiges

Es gibt viele demütigende Arten …

… in den Son­nen­un­ter­gang zu reiten

“Allmählicher Machtverlust – Merkel muss ihre Nachfolge regeln”

“NZZ” vom Samstag, den 21.10.2017, von Eric Gujer, Chefredaktor; geschrieben nach den Bundestagswahlen, vor dem Scheitern von Jamaika! Nun hat sich die Situation eindeutig verschärft.

m/Komment​​​​ar:

Nett formuliert aber eindeutig: Merkel muss ans Abtreten denken – tut sie aberr nicht: zum Schaden von Deutschland, zum Schaden der EU, zum Schaden Europas, zum Schaden unseres Landes, der Schweiz – überall zum Schaden – auch für sie!

Dazu passend: “Spiegel Online” – Fotostrecke; Link: http://www.spiegel.de​​​​/fotostrecke/ender​-​s​o​ndierungen-aus-​de​r-​tr​aum-von-jama​ika​-fo​tos​trecke-15​5443​-4.h​tml

“NZZ”:

“Im Wilden Westen steigt jeder Held irgendwann zum letzten Mal auf sein Pferd und reitet in den Sonnenuntergang. Auch im milden Westen, in der Bundesrepublik, bricht für Angela Merkel jetzt der Sonnenuntergang an. Merkels Macht bröckelt seit der Bundestagswahl. Die Frage ist, wie sie damit umgeht. Macht sie irgendwann in der Legislaturperiode den Weg frei für einen Neuanfang, oder klammert sie sich bis zuletzt an ihr Amt?

Für den Ansehensverlust gibt es mehrere Gründe: Der erste heisst Angela Merkel. Sie hat das Ergebnis der Wahl, die der Union einen Verlust von 8,6 Prozentpunkten brachte, einfach beiseitegewischt. «Wir haben verstanden» kam ihr nicht über die Lippen. Die Kanzlerin erweckt den Eindruck, als glaube sie daran, im Wahlkampf alles richtig gemacht zu haben. Dabei lässt sich aus den Resultaten unschwer ablesen, dass ihr ein substanzieller Teil der Bevölkerung den Kontrollverlust während der Flüchtlingskrise nicht verziehen hat. Es ist wie im Märchen «Des Kaisers neue Kleider»: Merkel will nicht zugeben, im Herbst 2015 einen fundamentalen Fehler gemacht zu haben, obwohl dies inzwischen alle sehen. Wenigstens in der CDU findet sich auch niemand, der bereit wäre, den erlösenden Satz auszusprechen, dass die Kaiserin keine Kleider trage.

Merkels Partei ist nicht erst seit der Flüchtlingskrise orientierungslos und entkernt, ein weitgehend sozialdemokratischer Inhalt in undefinierbarer Verpackung. Definiert sich die CDU überhaupt noch als eine bürgerliche Partei, oder ist sie tatsächlich so beliebig geworden, wie Merkels Wahlkampfslogan – «Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben» – suggerierte? Zwar bleibt Merkel Kanzlerin, doch die Beinaheniederlage rief schlagartig in Erinnerung, was die Union in den vergangenen zwölf Jahren alles preisgegeben hat – es ist nicht nur der Anspruch, für Recht und Ordnung sorgen zu können, also ein Merkmal jeder konservativen Partei.

Mit der abrupten Öffnung der Ostgrenze gab die CDU zugleich die Idee des Staatsvolkes auf, das sich von anderen Völkern unterscheidet und aus dieser Distinktion seine Existenzberechtigung ableitet. Natürlich spürt das auch die Partei, aber weil sich noch niemand traut, Merkel hierfür direkt verantwortlich zu machen, bleibt das Thema eine offene Wunde. Hier kann nichts heilen, hier kann nichts vergessen werden, weil der Herbst 2015 in allen Hinterköpfen spukt.

In der Politik gibt es nichts Gefährlicheres als Untote. Indem die Kanzlerin die Bewältigung des Problems unterbindet, macht sie sich zu dessen Gefangener. Der Schreckensruf «Die Kaiserin ist nackt» bedeutet zwar zunächst eine Demütigung, aber er ermöglicht es auch, einen Schlussstrich zu ziehen. Merkel kann vielleicht verhindern, dass jemand den ominösen Satz in ihrer Partei ausspricht, aber sie kann nichts dagegen tun, dass viele ihn denken und genau damit den Nimbus der Kanzlerin zerstören.

Der Identitätsverlust der beiden bürgerlichen Volksparteien in Deutschland ist für die CSU noch gravierender, weil sie im Gegensatz zu ihrer Schwesterpartei behauptet, sie stehe ein für konservative Werte. Horst Seehofer zieh Angela Merkel des Gesetzesbruchs wegen ihrer kopflosen Migrationspolitik, beschwor geradezu das Recht auf Widerstand – um dann doch gemeinsam mit ihr in den Wahlkampf zu ziehen, wohl tatsächlich in dem Glauben, die Wähler würden so viel Heuchelei und falsche Harmonie nicht durchschauen. Mit ihrem Spruch «Wir halten, was die CSU verspricht» vermochte die AfD in Bayern zu punkten und die nach Ostdeutschland höchsten Stimmengewinne zu verbuchen. Und Seehofer, der sonst so wendige Stratege, machte denselben Fehler ein zweites Mal. Nach der Wahl polterte er, nun sei seine Geduld erschöpft, doch dann traf er sich mit Merkel, und die beiden präsentierten den Kompromiss einer wachsweichen «Obergrenze». Die CSU ist angezählt, und sie hat ebenso wenig wie ihre Schwesterpartei einen Plan, wie sie darauf reagieren soll. Nichts ist schlimmer für eine CDU-Vorsitzende als eine weidwunde CSU, die in den Landtagswahlen vom September 2018 zu bestehen hat.

Merkel wird auch deshalb nie mehr zur alten Stärke zurückfinden, weil mit ihrem Namen der Erfolg der AfD verbunden bleibt. Sie hat mit der unkontrollierten Einwanderung der AfD eine Adrenalinspritze verpasst, als diese nach dem Abgang ihres Gründers Bernd Lucke vor sich her dümpelte. Die AfD hat gute Chancen, sich dauerhaft am rechten Rand der Union zu etablieren. Das Odium, die Populisten stark gemacht zu haben, wird Merkel nicht mehr los. Ihr geht es da wie Gerhard Schröder, der mit der «Agenda 2010» der Linkspartei zum Durchbruch verhalf. Schröder kann sich allerdings damit trösten, dass er mit den Sozialreformen dem Land einen Dienst erwies, auch wenn dies auf Kosten seiner Partei ging. Dieser Trost fehlt seiner Nachfolgerin.

Wegen der Linkspartei bleiben die Sozialdemokraten bei Wahlen stets fünf bis zehn Prozentpunkte unter ihrem Potenzial. Dasselbe Los ist nun der Union beschieden, wie man am Ausgang der Landtagswahl in Niedersachsen ablesen kann. Es sind genau die Prozentpunkte, die zu einer komfortablen Mehrheitsbildung fehlen und künftig Jamaica-Koalitionen zu einem Normalfall in Deutschland machen werden. Gäbe es die AfD nicht, wäre vielleicht die CDU jetzt die stärkste Partei in Hannover und damit in der Position, eine Regierung zu bilden. Wegen dieses Minuseffekts wird die CSU in Bayern voraussichtlich im nächsten Jahr ihre absolute Mehrheit einbüssen und so schnell nicht mehr zurückgewinnen.

Die Gewichtsverschiebunge​​​​n bleiben Merkel natürlich nicht verborgen. Sie hat nun zwei Möglichkeiten. Sie kann versuchen, den geordneten Übergang einzuleiten, und während der Legislaturperiode zurücktreten, oder sie verfährt nach dem Prinzip «Augen zu und durch». Genau das tat Helmut Kohl. Er redete sich ein, ohne ihn könne die Einführung des Euro nicht vollendet werden, und blieb deshalb, bis er gehen musste. Merkel pflegt Probleme mit unprätentiöser Nüchternheit zu analysieren. Das spricht eigentlich dafür, dass sie 2021 nicht das Risiko einer fünften Kandidatur eingeht, sondern rechtzeitig die Nachfolge für den Parteivorsitz und das Kanzleramt klärt.

Noch sind die Deutschen ihrer Kanzlerin nicht überdrüssig. Die Union hat zwar erheblich Stimmen verloren, doch insgeheim sind die meisten froh, dass die alte Kanzlerin auch die neue sein wird. Dennoch sollte ihr die Niederlage Kohls 1998 eine Warnung davor sein, dass auch verdiente Politiker sehr schnell die flüchtige Gunst der Wähler verlieren können. Das Schicksal Konrad Adenauers hält dieselbe Lektion bereit. Ihn stürzten nicht die Wähler, sondern die eigene Partei und die Koalitionspartnerin FDP, indem sie ein Schlussdatum für seine Kanzlerschaft bestimmten. Die Beispiele Adenauer und Kohl lehren, dass es viele demütigende Arten gibt, in den Sonnenuntergang zu reiten.”

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Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Es gibt viele demütigende Arten …
  • November 25, 2017

    Ja, diese EU-Europäer.

    Auf der einen Seiten lamentieren sie über die deutsche-französische​ Herrschaft. Auf der anderen Seite wird gejammert wenn die deutsche Lokomotive stottert und gerade abwesend ist.

    Auf der einen Seite ist Deutschland die Lokomotive der EU. Auf der anderen Seite fürchtet man aus historischen Gründen die Rolle der grössten Landmacht in (West) Europa.

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