1. Abstimmungen & Initiativen

Es wird nie so viel gelogen wie bei Bundesratswahlen….

.… konnte ver­schie­dent­lich in den Me­dien ge­le­sen wer­den.

Nach zweieinhalb Jahren Einsitz im Nationalrat würde ich es einmal so formulieren: Bundesratswahlen funktionieren wie ein Spiel. Wer gewinnen will, muss die anderen durch Taktik überlisten. Und das heisst automatisch, irreführende Dinge sagen. Beispiel: Ein Fraktionschef sagt vor laufender Kamera: „Diese Kandidatin ist keine Alibikandidatin“. Ich gebe zu, dass ich solche Sätze anfänglich noch geglaubt hatte. Regelrecht wütend wurde ich nach einer Wahl, als ein solcher Satz wie folgt kommentiert wurde (lächelnd):“ Das war natürlich unsere Alibikandidatin“.

An​deres Beispiel: Partei A behauptet im Sinn der „Konkordanz“ habe sie Anspruch auf zwei Sitze im Bundesrat. Schliesslich habe sie mehr Wähleranteile als eine andere Partei mit zwei Sitzen. Partei B argumentiert ähnlich, ebenfalls mit der „Konkordanz“, sie habe schliesslich überhaupt den grössten Wähleranteil und gehöre deswegen ohnehin mit Doppelvertretung in den Bundesrat und das Bundespräsidium müsse man ihr auch gleich überlassen. Partei C wiederum legt dar, dass gemäss der Konkordanz ihr Wähleranteil grösser sei, als der Anspruch auf einen zweiten Sitz einer anderen Partei, die nur wenige Prozent mehr Wähler auf sich vereinigen kann. Was heisst nun „Konkordanz“? Niemand weiss es mehr. Jeder und jede interpretiert sie so, wie es ihm oder ihr gerade passt.

Aber auch die Medien spielen wacker mit: Eine Umfrage in der Bevölkerung soll die Kandidatinnen und Kandidaten aufs Podium heben. Jedoch: Nicht alles was Gold ist, glänzt, und nicht alle Kandidierenden, welche häufig in den Medien erscheinen, setzen sich glaubhaft im Politgeschäft ein. Wie soll die Bevölkerung erkennen, wer wirklich arbeitet und wer nur die Publizität geniesst?

 

Bundesr​atswahlen sind tatsächlich wie ein Spiel, oder wie eine Theateraufführung. So auch die Aktuelle. Einige der genannten Top-Kandidierenden – egal aus welcher Partei – sind von Anfang an nicht wählbar. Das wüsste auch die Presse, doch sie sagt es noch nicht, weil sie sich entscheidende News noch aufsparen will.

 
Für mich muss die Person X in erster Linie eine Person sein, die nicht nur furchtlos führt, sondern sich auch unabhängig von externen Einflüssen, also auch unabhängig von der eigenen Partei, für das Land einsetzt. Von denen gibt es nur wenige.

 
Ebenfalls sollte endlich wieder klar sein, nach welchen Kriterien der Bundesrat zusammengesetzt wird. Es ist  nämlich kein Wunder, dass ein System, in welchem nicht einmal elementarste Begriffe klar sind (Konkordanz, Kollegialität…), wie ein zerstrittener Hühnerhaufen erscheinen muss. Das alles muss besser werden. Doch dazu braucht es den Mut zum Kompromiss und viel persönliche Unabhängigkeit. Unserer Politik würde es gut anstehen, sich auf diese Werte wieder zu besinnen.

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Comments to: Es wird nie so viel gelogen wie bei Bundesratswahlen….
  • Juli 16, 2010

    Sie haben recht, Frau Schmid-Federer aber Sie haben es in der Hand und nicht wir. Die meisten Stimmbürger haben das Theater sowieso satt. Aber überzeugen Sie Ihren Parteipräsidenten und andere tun das ebenso mit ihren Parteipräsidenten und dann hört das Theater vielleicht auf.
    Abgesehen davon hat gerade Ihre Partei in den vergangenen Jahren ein undurchsichtiges Spiel geradezu gefördert.
    Ich bin aber sehr Ihrer Meinung. Wenn Sie das schaffen, dann BRAVO.

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  • Juli 17, 2010

    Ich verfolge nur noch die Wahl selbst. Das Monatelange hin und her interessiert mich nicht.

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  • Juli 17, 2010

    Wenn es dem Parlament nicht mehr gelingt, einen funktionierenden Bundesrat zusammenzustellen, können wir diese Aufgabe auch direkt dem Volk übergeben. Ich bin eigentlich für die Beibehaltung des jetzigen Wahlsystems. Aber so gut wie das Parlament den Bundesrat zusammenstellt, so gut kann es das Volk alleweil. Also liebe Parlamentarier, nehmt es euch zu Herzen, sonst werden die Bestrebungen einer Volkswahl des Bundesrates langfristig erfolgreich sein.

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  • Juli 19, 2010

    Wenn die bestehenden Probleme bei Bundesratswahlen gelöst werden sollen, ist die Volkswahl sicher das falsche Rezept. Vor allem aus drei Gründen:
    Erstens zwingt sie die einzelnen Bundesräte noch mehr Zeit der eigenen Profilierung zu widmen, notfalls auch gegen Amtskollegen. Zweitens würde dadurch das Parlament sehr deutlich geschwächt. Da wir wegen der fehlenden Vertrauensfrage und der sehr starken Verwaltung/Regierung bedingt durch das Milizsystem eh schon ein schwaches Parlament haben, würde das die bestehende Machtbalance sehr strapazieren. Drittens, es müssten wohl oder übel de facto Wahlkreisgrenzen entlang der Sprachgrenzen gezogen werden (siehe SVP Vorschlag). Dies ist erstens föderalismusfeindlich​, weil die bestehenden Kantonsgrenzen in Frage gestellt werden, zweitens Gift für den Zusammenhalt des Landes. KandidatInnen mit deutlich weniger Stimmen als nicht gewählte deutschschweizer KandidatInnen sässen wegen ihrer Herkunft aus der lateinischen Schweiz im Bundesrat. Auf Dauer würde dies zumindest von Teilen der deutschschweizer Bevölkerung nicht akzeptiert werden.

    Die CVP kann dazu beitragen, dass Bundesratswahlen ihre Würde zurückerhalten. Wenn sie beispielsweise im Rahmen der von-Wattenwyl Gespräche dazu drängt die Spielregeln für Bundesratswahlen zu besprechen und sie dann auch in den Augen der Öffentlichkeit ein für alle Mal festzuhalten. Dies würde “Spielchen” aller Art sicher deutlich einschränken.

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  • August 27, 2010

    Frau B. Schmid-Federer kann man zustimmen, dass die BR-Wahlen immer mehr den Eindruck eines orientalischen Basars machen und zu einem unwürdigen Gerangel verkommen. Nicht zustimmen kann ich bei den Konkordanzbemerkungen​. Da ist die Sache nun wirklich klar. Wir haben die Wählerprozente der Parteien aus den letzten Bundeswahlen 2007 – voilà. Das ist die Basis. Wer sich nun durch das Geschwätz von der “Inhaltlichen Konkordanz” verwirren lässt ist selber schuld. Die gibt es nicht. Ein BDPler ist kein FdPler und sicher kein SVPler und vermutlich auch kein Roter. Ebensowenig ist Frau Widmer eine SVP-BR auch wenn sie von den Rot-Grünen und Teilen der CVP so gewählt wurde. Einige Monate später war sie nämlich nicht mehr bei der SVP und das hatte sie sich völlig selbst zuzuschreiben. Eine CVP hätte in so einem Fall genau gleich gehandelt wie die SVP, ich hoffe es jedenfalls für die CVP. Spätestens 2011 wird die neue Wahrheit ans Licht kommen und es kommt mit fast 100%iger Sicherheit zu einer neuen Zauberformel: SVP 2, FdP 1, CVP 1, SP 2, Grüne 1 BR.

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    • Juli 18, 2021

      @Stamm
      Die Mär der Bundesratswahl Widmer-Schlumpf hat sich fest eingeprägt, ich weiss. Doch die Wahrheit ist sie nicht: Persönlich kann ich nur noch einmal festhalten, dass ich den Entscheid, Widmer-Schlumpf zu wählen, nicht etwa in Absprache mit der SP gefällt habe (!…), sondern ein paar Monate zuvor. Grund: Weil die SVP diese Frau seit Jahren als hochkarätiges Aushängeschild feierte und weil die SVP selber sie dereinst als Topkandidatin ins Spiel gebracht hatte. Und deine solche wäre sie auch geblieben, wenn da nicht a BR Blocher gewesen wäre, der plötzlich ein persönliches Problem hatte. Ich habe innerhalb 2,5 Jahren dreimal SVP Namen aufgeschrieben und es ist alleinig das Problem der SVP, wenn sie diesen Namen im nachhinein für ungültig erklärte.

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    • Juli 18, 2021

      @Schmid-Federer
      Was ich über die Wahlvorgänge 12.2007 weiss weiss ich vom SF DRS und der CH-Presse. Darauf sollte man sich verlassen können, jedenfalls grosso modo. Sie müssen sich keinesfalls durch meinen 1. Beitrag persönlich angesprochen oder sogar angegriffen fühlen. Ihre allf. Rolle bei der Wahl von Frau Widmer steht nicht zur Debatte. Bitte beachten Sie, dass dabei nicht nur ein zur Wahl empfohlener Kandidat nicht gewählt wurde (das hat es schon einige Male gegeben) sondern, dass ein amtierender BR ohne Fehlleistung abgewählt wurde. Ich entsinne mich nicht, dass das in den letzten 65 Jahren vorgekommen wäre. Insofern kann man die Umstände bei der Abwahl von Dr. Blocher und die Rolle gewisser Parteien und Exponenten nicht einfach mit einem Achselzucken abtun. Ich habe übrigens damals erfahren, dass die Umstände der Abwahl von Dr. Blocher viele Menschen im Land (gerade auch junge) angewidert haben ganz unabhängig davon ob man Blocher-Fan war oder nicht. Das war eine Frage von Anstand und Ehre.

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    • Juli 18, 2021

      @Stamm
      Die erste Bundesrätin, welche ohne Fehlleistung abgewählt wurde, war CVP-Frau Ruth Metzler: Weil a.BR Blocher dies so wollte.
      Er hat sie abwählen lassen, und er hat – was ich nie tun würde – bei ihrer Abwahl gejubelt und geklatscht. Was man ihm zugute halten muss: Er hat es geschafft, dass die Medien sein Jubeln nicht thematisiert haben. Bei der Nicht-Wiederwahl von sich selber hingegen – Hut ab vor dieser Leistung – hat er es bis zur NZZ hin geschafft, die CVP als “Jubelnde” darzustellen. Es ist nicht mein Stil, Abwahlen zu bejubeln. Seiner anscheinend schon.

      Ihre “Kenntnisse” über die Nicht-Wiederwahl von Herrn Blocher entnahmen die Medien- und auch Sie – einem einzigen Doc-Film, der im SF ausgestrahlt wurde. Diesen Doc-Film habe ich 6x angeschaut und ich kann bestätigen, dass er nicht das wiedergibt, was ich live erlebt habe.
      Die Weltwoche hat dann noch mit einem Bild von jubelnden CVPlern nachgedoppelt, doch das Bild wurde nicht dann aufgenommen, als die Wahlen stattfanden.
      Das Parlament hat offenbar Herrn Blocher für fähiger befunden als Frau Metzler. Die CVP hat dies akzeptiert. Das Parlament hat Frau Widmer-Schlumpf für fähiger befunden als Herrn Blocher. Die SVP hat dies nie aktzeptiert und wird es auch nie akzeptieren. Das ist weder Anstand noch Ehre, denn es ist genau die SVP, die täglich wiederholt, der Volkswille müsse respektiert werden. Ich bin Vertreterin des Volkes (gewählt) und ich erachte Frau Widmer-Schlumpf als fähigere Bundesrätin als Herrn Blocher. Ausgerechnet die selbst ernannte Volkspartei will dies nicht akzeptieren….

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    • Juli 18, 2021

      @Schmid-Federer, die Abwahl von Frau R. Metzler tat auch mir leid. In der Tat, sie versah ihr Amt 4 Jahre lang mit Energie und Engagement. An grobe Schnitzer erinnere ich mich nicht. Sie wurde aber Opfer der Wahlumstände 2003 und nicht einer Fähigkeitsbeurteilung​: Die SVP schob sich deutlich vor die CVP (die genauen %-Sätze weiss ich nicht mehr) und wurde aus Konkordanzgründen nicht mehr gewählt. Soweit dürften wir einigermassen einig sein. An das Verhalten von Herrn Blocher bei der Abwahl von RM 2003 erinnere ich mich nicht mehr. Wenn er gejubelt und geklatscht hat so würde auch mich das befremden. Ostentative Schadenfreude passt weder zu einem BR noch zu einem NR oder StR. Nicht einig sind wir in der Beurteilung von Frau BR Widmer. Sie wurde nicht wegen der besseren Fähigkeiten gewählt, sondern weil die Linken und Grünen BR Blocher los werden wollten. Ein Teil der CVP half dabei, Rachegelüste dürften eine Rolle gespielt haben, das wollen wir doch nicht beschönigen. So kam es zu einer vorabgesprochenen Abwahlaktion, die man ruhig als Intrige bezeichnen kann. Frau Widmer spielte diese mit, bei ihr kam wohl auch der persönliche Ehrgeiz dazu (ihr Vater war schon BR, wie wir wissen). Dass bei all dem Fähigkeitsüberlegunge​n das Parlament geleitet haben sollen scheint doch recht naiv-beschönigend. Viel eher war das in beiden Fällen (Metzler, Blocher) reine Machtpolitik, das eine Mal konkordanzbedingt, das andere Mal weltanschaulich-chara​kterlich bedingt. Uebrigens: Man warf BR Blocher mangelnde Kollegialität vor. Wie steht es damit beim heutigen BR ? Ich verweise auf den PUK-Bericht UBS/USA-Bankdatentran​sfer von diesem Sommer ! Nun, diese Sachen sind passé, wir machen sie nicht mehr rückgängig. 2011 wird’s zeigen.

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