Warum der Familienartikel abzulehnen ist
Familienpolitik für alle statt für wenige
Im Rahmen der Volksabstimmungen vom 13. März 2013 kommt unter anderem der neue Verfassungsartikel zur Familienpolitik zur Abstimmung. Eine breite Allianz fordert neue Bundeskompetenzen. Der neue Verfassungsartikel stellt allerdings liberale Prinzipien infrage.
Von Matthias Teh
Mit dem Slogan “JA zur Familie” und dem Argument, dass “die Familie – neben Jugendpolitik, Alterspolitik, Bildungspolitik, Arbeitspolitik, Verkehrspolitik, Regionalpolitik, Wirtschafts- und Konjunkturpolitik keinen entsprechenden Verfassungsartikel hat” wirbt ein breites Komitee von Grüne, SP, EVP, CVP und GLP für den Familienartikel. Endlich setzt sich die Politik für die Familie ein… könnte man meinen. Wer genauer hinsieht, muss leider feststellen, dass der Familienartikel viele Familien diskriminiert.
Die Familie ist mir persönlich ein sehr wichtiges Anliegen. Sie ist tatsächlich der Kern unserer Gesellschaft und bedarf deshalb besonderen Schutzes und hat auch einen entsprechenden Verfassungsartikel verdient. Aber dieser Artikel muss allen Familien dienen und darf Familienmodelle nicht gegeneinander ausspielen bzw. eine Zwei-Klassen-Familienpolitik schaffen.
Konkret heisst es im Verfassungsartikel 115a Abs. 2 und 3:
“2 Bund und Kantone fördern die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung. Die Kantone sorgen insbesondere für ein bedarfsgerechtes AngebotAls Angebot im ökonomischen Sinn wird allgemein die angebot... an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen. 3 Reichen die Bestrebungen der Kantone oder Dritter nicht aus, so legt der Bund Grundsätze über die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung fest.”
Der Text macht klar, worum es im Familienartikel wirklich geht. In Wahrheit werden nicht Familien generell unterstützt, sondern ein bestimmtes Familienmodell und zwar jenes, bei welchem die Kinder nicht durch die Eltern selber betreut werden. Das Problem dabei ist: Wenn eine bestimmtes Familienmodell gefördert wird, wird das alternative Modell diskriminiert. Das heisst im Klartext: Wer Familien, in denen die Kinder fremdbetreut werden fördert, diskriminiert automatisch all diejenigen Männer und Frauen, die, vielleicht nur während der ersten Kinderjahre, ihre Kinder selber betreuen. Familien, bei denen die Eltern zusammen nur 100% arbeiten werden doppelt bestraft. Nicht nur, dass sie auf das zusätzliche Einkommen verzichten um ihre Zeit in die eigenen Kinder zu investieren, sondern sie müssen die Kosten für die staatlichen Unterstützung für Fremdbetreuung, Kinderkrippen und Tagesstrukturen, von welchen sie Nota bene nicht profitieren, durch Steuern und Gebühren mittragen. Das führt nicht selten dazu, dass diese Familien in ArmutArmut bedeutet Unterversorgung in wichtigen Lebensbereichen ... getrieben werden und zum Doppelverdienen gezwungen werden.
Frankreich und Schweden machen es vor. Dort gibt es gut ausgebaute staatliche Angebote – die Steuerbelastung ist aber gleichzeitig so hoch, dass das Lebensmodell junger Familien vorgegeben ist. Durch die Steuerbelastung können sie es sich schlicht nicht mehr leisten, ihre Kinder selber zu betreuen.
Der Familienartikel ist deswegen scheinheilig. Wenn wir Familien – und zwar ALLE Familien – unterstützen wollen, dann müssen wir sämtliche Steuerabzüge für Fremdbetreuung, alle Subventionen für Kinderkrippen und alle übrigen Lenkungssubventionen streichen und dafür die Kinderzulagen erhöhen. Dann liegt es in der Entscheidungsgewalt der Eltern, ob sie mit dem zusätzlichen Geld Fremdbetreuung bezahlen wollen, oder ob sie das Geld lieber in Musik- oder Sportunterricht, zusätzlichen Familienurlaub, Nachhilfeunterricht, Spielzeug, eine grössere Wohnung usw. investieren wollen.
Zu denken ist auch an die vielen alleinerziehenden Mütter und Väter. Sie sind besonders auf finanzielle Hilfe angewiesen. Oftmals werden sie zwar durch die Alimente des andern Elternteils unterstützt. Die Kinderzulagen für alleinerziehende Eltern könnte man aber zusätzlich erhöhen.
Fazit
Der Familienartikel erhöht in gravierender Art und Weise die Staatsquote, sodass die Steuerlast für alle höher wird. Es profitieren nur Eltern, die ihre Kinder fremdbetreuen lassen, also vor allem Doppelverdiener. Alle anderen spüren nur die erhöhte Steuerlast und werden gezwungen, ebenfalls doppelt zu verdienen. Deshalb ist sowohl aus freiheitlicher wie auch aus familienfreundlicher Sicht der Familienartikel klar abzulehnen.
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Kommentare anzeigen Hide commentsAls Familienfrau bin ich stolz darauf meine Kinder ohne einer staatlichen Fremdbestimmung erziehen zu können. Für mich ein Grund am 3.März ein NEIN in die Urne zu legen.
Sehr geehrte Frau Rentsch
Bravo, darauf dürfen Sie wohl auch Stolz sein, denn Sie wissen wie es funktioniert.
Auch ich werde ein Nein in die Urne legen
Yvonne Lupi
Ich denke auch, dass man die Eltern, die Kinder selbst betreuen wollen, entlastet werden müssen. Es ist diskriminierend und ungerecht, die Frauen dazu zu zwingen, auswärts arbeiten zu gehen. Die Mutter hat das Recht, sich selber um die Kinder zu kümmern. Frauen, die 100 % arbeiten wollen, sollen es tun, aber sie sollen sich nicht beklagen, wenn sie nicht wissen, wo sie ihres Kind parkieren sollen. Niemand denkt an das Wohlden Kindern.
Der Staat ist dazu da, Bedürftige zu unterstützen – nicht um Karrieren zu fördern.
Kariere Förderung unterstützt ja Bedürftige. Das fehlen von Ganztagesschulen ist sicher nicht mehr zeitgemäss und widersprechen dem Kindswohl.
Die Bedürfnisse der Kinder haben sich mit dem Fortschritt nicht verändert. Nach wie vor brauchen Kinder geborgenheit und eine soziale Bindung zu stetigen Ansprechspartner. Das sind naturgegeben die Eltern.
Wieso sollen also nun Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, bestraft werden? Nicht zeitgemäss ist, dass man ein Familienmodell politisch fördert, was eine Diskriminierung aller entgegengesetzen Familienmodell gleichkommt.
Schliesslich zahlen Steuern und Abgaben alle Menschen. Alle Familien, sowie alleinstehende Menschen.
Mit dem Familienartikel werden Eltern, welche ihre Kinder ganz under teilzeit betreuen, bestraft, weil sie ihre Kinder nicht in fremde Hände geben. Das kann einfach nicht sein.
@Heinz Mahler. Die Karrierefrau (bzw. Familie) würde auch bei Annahme der Initiative die vollen Kosten für die KITA bezahlen. Da ändert sich nichts. Von den “bedarfsgerechten Angeboten” würden also die niederigen Einkommen profitieren. Und zwar nur diejenigen, welche die Kinder extern betreuen. Das ist 1. eine Diskriminierung und 2. nicht sinnvoll. Nehmen Sie als Beispiel eine Verkäuferin mit CHF 4’000.00 Monatslohn und drei Kinder. Die alltägliche Betreuung dieser Kinder würden Kosten von CHF 6’000.00 verursachen. (3 x 100 x 20). Mal ganz abgesehen wer das bezahlt, die Kosten sind ja da, ist es doch fraglich ob es Sinn macht CHF 6’000.00 auszugeben um der Mutter ein Einkommen von CHF 4’000.00 zu ermöglichen und damit nur die zweitbeste Betreuungsmethode zu fördern.
Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir statt des Familienartikels national Ergänzungsleistungen für bedürftige Familien ausrichten würden, wie das u.A. im Kanton SO (FamEL) bereits gehandhabt wird? Obwohl ich selbst keine Kinder habe, bin ich der Meinung, dass eine Mutter selbst bestimmen sollte, was für ihr Kind gut ist. Es kann nicht sein, dass eine Mutter nur aus wirtschaftlichen Gründen eine Erwerbsarbeit annehmen muss. Andererseits sollte die Karierre einer Frau nicht mit Geburt eines Kindes beendet sein. Aber die Karrierefrauen verfügen ja meist über ein genügend hohes Einkommen, um die externe Betreuung selbst zahlen zu können.
Stimme Ihnen grundsätzlich zu, aber nicht nur die Mutter, sondern Vater und Mutter, sollen entscheiden was das Beste für ihre Kinder ist. Haben Sie weitere Informationen zu den Ergänzungsleistungen für bedürftige Familien im Kanton SO (FamEL). Hört sich sehr interessant an. Eine nationale Ergänzungsleistung für bedürftige Familien / alleinerziehende Eltern, würde ich unterstützen. Auch die allgemeine Erhöhung von Familienzulagen.
Selbstverständlich wollte ich die Väter nicht ausschliessen. Aber es sind ja meist die Mütter, die sich zwischen Familienpflichten und Berufstätigkeit entscheiden müssen.
Näheres über die FamEl finden Sie auf der website des Kantons SO. Ich glaube, auch die Kantone TI und GE haben FamEl.
Der Familienartikel sollte angenommen Werden, da die Eltern die Kinder über die Mittagspause in der Schule lassen können was viel weniger Stress bedeutet und so mehr Geld und Zeit für das Familienleben haben. Auch entlasstet dies die Staatskasse enorm da Eltern berufstätig sein können und eine Karriere mit Kindern möglich ist.
Eltern können heute schon ihre Kinder über die Mittagspause zu einem Mittagstisch bringen. Doch warum müssen Eltern, die sich gerne Zeit nehmen und für ihre Kinder kochen, für das Mittagessen selberaufkommen, während der Staat Mittagstische subventioniert. Es kann doch nicht sein, dass diejenigen, welche ihre Kinder selber betreuen doppelt verarscht werden.
Ausserdem welcher Familienartikel für welche Familien?
Die bereits schon in der Schweiz leben, oder diejenigen die noch kommen werden?
@ J.Nyffeler. Unglaublich wie gewisse Kreise jedes Thema auf ein Ausländerthema umpolen wollen. Sogar bei der Energiedebatte waren plötzlich die bösen Ausländer die Verursacher vom Problem.
Lasst es doch einfach ein Familienproblem sein. Die klaren und logischen Argumente von Matthias Teh reichen zu 100% aus um diese Initative zu versenken. Ja er verzichtet sogar darauf auf die katastrophalen finanziellen Folgen, welcher die Annahme von dieser unseligen Initiative auslösen würde, hinzuweisen. Mit einer “Milchbüechlirechnung” ist jedoch ersichtlich, dass die Kosten für die externe Betreuung höher sein werden als bei der heutigen IV. Ganz einfach weil eine Einfache IV-Rente in etwa so hoch ist wie die Kosten von einem Monat KITA. Es wird aber mehr Kinder in den KITA geben als wir Invalide haben. Deshalb NEIN