1. Wirtschaft

Folgen des Streits zwischen EU und der Schweiz

120 – diese Zahl be­schreibt die An­zahl der bi­la­te­ra­len Han­dels­ver­trä­ge, die zwi­schen der Schweiz und an­de­ren Staa­ten aus dem eu­ropäi­schen Wirt­schafts­raum ab­ge­schlos­sen wur­den und noch immer rechts­kräf­tig sind. Die­ses Sys­tem einer Un­zahl an bi­la­te­ra­len Ver­trä­gen funk­tio­nierte zwar lange Zeit, war je­doch un­ü­ber­sicht­lich und sollte – so er­ga­ben es die lan­gen Ver­hand­lun­gen zwi­schen Bern und Brüs­sel – durch einen ein­heit­li­chen Ver­trag zwi­schen der Eu­ropäi­schen Union und der Schweiz er­setzt wer­den.

Dies klingt soweit sinnig, zumal der Vertrag de facto unterschriftsreif im Bundesrat vorlag. Doch das Schweizer Parlament verweigerte nun urplötzlich die Unterschrift. Eine Reaktion seitens der EU ließ nicht lange auf sich warten. Mit taktischem Kalkül wollte die europäische Staatengemeinschaft Druck auf die Schweiz ausüben, indem es die Börsenregulierung der Schweiz nicht mehr als gleichwertig anerkannte. Doch hier drehte man den sprichwörtlichen Spieß um. Nun droht europäischen Aktionären außerhalb der Schweiz ein Fiasko.

Die wichtigsten Aussagen in aller Kürze:

  • Die Schweiz verweigert die Unterschrift zum ausgehandelten Handelsvertrag zwischen ihr und der EU.
  • Grund für die Weigerung sind – angeblich – politische Scharmützel im Schweizer Parlament.
  • Die EU will als Druckmittel das Schweizer Finanzwesen verwenden und der Schweizer Börsenregulierung die europäische Anerkennung verweigern.
  • Die Schweiz reagierte und will nunmehr der europäischen Börsenregulierung die Anerkennung verweigern, wodurch nicht-schweizerische Handelsplätze nicht mehr mit Schweizer Wertpapieren handeln dürften.

Einhe​​​itliches Handelsabkommen käme vor allem Schweizer Unternehmen zugute

Eigentlich könnte alles so einfach sein. Letztlich war das Partnerabkommen zwischen der stets souveränen Schweiz und der europäischen Staatengemeinschaft längst ausgehandelt. Bislang hatte das System zwar seit dem Nein zum Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum im Jahre 1992 zwar mehr oder weniger gut funktioniert, trotzdem brauchte es ein einheitliches Rahmenabkommen, um beispielsweise festzulegen, wie der Marktzugang für Personen oder natürlich auch für den Land- und Luftverkehr geregelt ist.

Denn sowohl viele der 28 europäischen Mitgliedsstaaten wie auch die Schweiz sind auf den Handel miteinander angewiesen. Ein Beispiel: Zu den wichtigsten deutschen Exportgütern in die Schweiz zählen Produkte aus der Pharmazie, chemische Erzeugnisse sowie Maschinen und Kraftwagen. Exakt das Gleiche gilt aber auch für Schweizer Exporte nach Deutschland. Insgesamt belief sich der Außenhandel zwischen Deutschland und der Schweiz in den letzten beiden Jahren auf:

  • Exportstatisti​​​k (Exporte Deutschlands nach Schweiz):

Export gesamt: 54.054.312.000 € (2018) / 54.005.932.000 € (2017)

  • Importstatis​​​tik (Importe Deutschlands aus Schweiz):

Import gesamt: 45.880.292.000 € (2018) / 45.709.396.000 € (2017)

Am Ende würde ein einheitliches Handelsabkommen natürlich den Unternehmen aus der Schweiz zugutekommen, insbesondere wenn Waren in viele verschiedene europäische Länder exportiert werden müssen, wie es beispielsweise beim 1946 gegründeten Garagentorhersteller Normstahl der Fall ist, der als einer der größten Garagenhersteller in Europa gilt. Doch der Handel mit europäischen Nachbarländern wird erschwert, wenn stets unterschiedliche bilaterale Verträge gelten.

EU verzockt sich im Handelsstreit mit der Schweiz

Vieles spricht also für ein Partnerabkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Doch urplötzlich wurde aus einer Festigung der Handelspartnerschaft ein politisch-wirtschaftl​​​icher Streit, unter dem nicht nur Unternehmen zu leiden haben, sondern auch zahlreiche Aktionäre, Anleger und Investoren aus der EU und der Schweiz.

Grund für die Ausuferung des Handelsstreits ist allem Anschein fehlende diplomatische Kompromissbereitschaf​​​t, die insbesondere von der EU ausgeht. Folgendes war passiert: In der Schweiz stand das Parlament kurz vor Vertragsunterschrift.​​​ Dann regten sich jedoch politische Kräfte im Inneren, die allem Anschein nach von der antieuropäischen Schweizer Volkspartei (SVP) ausgehen, deren Präsident Albert Rösti aufgrund rhetorischer Fehlgriffe ins Nazi-Vokabular derzeit ohnehin in der Kritik steht.

Das Parteiprogramm der SVP im Überblick

Anfang des Jahres hat die SVP ihr politisches Programm publiziert. Zentrale Themen sind vor allem die Zuwanderung und Stärkung des Schweizer Mittelstandes – sowie das Verhältnis zur Europäischen Union. Diesem steht die SVP äußerst kritisch gegenüber. Vor allem wolle man sich von der EU nicht „eingemeinden“ lassen, wie der Zürcher Nationalrat Roger Köppel es formulierte. Als „letzte Verteidigungslinie der Demokratie“ käme es der Partei zu, den Rahmenvertrag mit der EU zu verhindern.

Nichtsd​​​estotrotz ist die SVP aktuell die stärkste Partei im Schweizer Parlament, weswegen die Regierung ein Referendum befürchtet und den Widerständen der Rechtspartei nachgeben musste. In Brüssel wiederum sah man den plötzlichen Rückschritt vom Handelsabkommen nicht gerne und reagierte prompt. Vor allem wollte man dort das hiesige Finanzwesen schwächen, was zur Folge hätte, dass Schweizer Aktien auf dem europäischen Börsenmärkten nicht mehr gehandelt werden könnten.

„Von den etwas über 200 Unternehmen, die an der Börse in Zürich notiert sind, ist gut ein Viertel auf dem jeweiligen Nischenmarkt globaler Marktführer. Für die Schweizer Firmen ist die Welt ihr Markt, rund 40 Prozent der Umsätze stammen aus Europa, zu einem guten Teil aus Deutschland, aber auch 35 Prozent aus den Schwellenländern.“ El​​​eanor Taylor Jolidon

Dies würde am Ende auch die Schwergewichte Nestlé, Novartis oder Roche betreffen. In Brüssel war man der Meinung, mit dem Finanzwesen und dem Schweizer Aktienhandel den richtigen Druckpunkt gefunden zu haben, um Bern letztlich doch noch dazu zu bewegen, das Partnerabkommen zu unterzeichnen. Hier reagierte man jedoch mit einer ähnlichen Maßnahme, die europäische Aktionäre nun deutlich härter treffen und zudem den Schweizer Aktien-Handelsplatz stärken könnte.

EU verzockt sich im Handelsstreit mit der Schweiz

Die Schweiz will als Gegenmaßnahme nun ihrerseits den Handel mit Schweizer Aktien in der EU untersagen. Bereits am 01. Juli ist eine Verordnung verabschiedet worden, welche die Anerkennungspflicht für diejenigen ausländische Aktien-Handelsplätze verlangt, die mit Aktien aus der Schweiz Handel treiben wollen. Logischerweise sollen EU-Handelsplätze diese Anerkennung nicht erhalten.

Für Investoren aus dem EU-Ausland würde dies bedeuten, sie müssten wieder in der Schweiz handeln, wenn sie Aktien von Nestlé und Co. kaufen oder veräußern möchten. Im Endeffekt würde dies also bedeuten, dass die EU mit ihrer Maßnahme das Gegenteil von dem erreicht, worauf sie anfangs abzielte: Anstatt das Schweizer Finanzwesen zu schwächen, würde es gestärkt. Denn letztlich sind Schweizer Wertpapiere auf dem internationalen Markt zu wertvoll. Die EU hat sich verzockt.

„Für den Fall, dass die Schweizer Börsenäquivalenz nicht verlängert wird, bedeutet das für unsere Kunden folgendes: Schweizer Aktien wären dann ab Montag erst mal nicht mehr handelbar.“ Sprecher der Direktbank ING

Am Ende würden also vor allen Dingen Aktionäre den Preis für das politische Versagen der EU bezahlen. Denn der Handel mit Schweizer Aktien wäre kaum noch möglich – und wenn doch, dann nur zu erhöhten Kosten. Schlichtungsgespräche​​​, davon ist zumindest auszugehen, dürften nicht vor dem 20. Oktober möglich sein. Denn erst dann stehen in der Schweiz neue Parlamentswahlen an. Und erst dann besteht die Möglichkeit, dass sich der innenpolitische Widerstand gegen das bilaterale Abkommen zwischen EU und der Schweiz abschwächt und am Ende doch noch ein für beide Seiten vorteilhafter Partnervertrag zustande kommt.

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Folgen des Streits zwischen EU und der Schweiz
  • Juli 6, 2019

    Ein typischer Anpasser-Artikel, Herr Bachmann, den Sie da veröffentlichen. Typisch auch, dass darin darüber gejammert wird, SVP-Präsident Rösti hätte die „Systempresse“ kritisiert. Um das zu belegen, bedienen Sie sich ausgerechnet aus einem Artikel der „Systempresse“ (Sonntagsblick) der diese Wortwahl als Nazimethode denunziert.

    Im Übrigen ist wohl kein einziges Wort in Ihrem Beitrag selber geschrieben, sondern einfach blind kopiert. Klar dass darin behauptet wird, die Schweiz wäre auf ein Rahmenabkommen angewiesen.
    Nicht erklärt wird jedoch, dass es sich bei diesem Rahmenabkommen um einen einseitigen Vasallenvertrag handelt, der die Souveränität und die Handlungsfähigkeit unseres Landes schwerstens schädigen würde.

    Zusammenfassend: Der Artikel ist total daneben, übermittelt null Informationen und stellt nur unbewiesene Behauptungen auf, die allesamt der EU-Aggression das Wort reden. Plump, unschweizerisch, devot. Ein Sklavenpamphlet. Einmal mehr.

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  • Juli 6, 2019

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