Misrata droht ein weiteres Symbol zu werden für das Scheitern internationaler
Friedensbemühungen mit Waffen. Wer bisher ein Beispiel für solches suchte, wurde unter dem
Namen Srebrenica fündig. Das Dilemma ist vermutlich unlösbar und läuft immer nach dem
gleichen Muster ab. Irgendwo entsteht aus irgendwelchen Gründen ein bewaffneter Konflikt. Wenn
die Weltgegend für die Industrienationen interessant ist, finden Bilder von getöteten Babies und
Frauen den Weg in die Medien. Es ist von Kriegsgräueln und Massakern die Rede. Sofort steigt mit
diesen Berichten der Druck auf die Politiker, „etwas zu unternehmen“. Solche Wünsche aus der
Bevölkerung können mithelfen, innenpolitisch angeschlagenen Staatslenkern Profil zu geben. So
war Frankreichs Präsident Sarkozy einer der ersten, der ein militärisches Eingreifen in Libyen
forderte und sogar bereit ware, seine eigenen Truppen dafür einzusetzen. Krieg war schon immer
ein probates Mittel, um von Problemen im Landesinnern abzulenken und die Kraft der Bevölkerung
auf ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel zu bündeln. Aber was ist genau das Ziel? Es scheint im
Fall von Libyen einmal mehr darum zu gehen „etwas zu unternehmen“. Unsere Gesellschaft erträgt
sichtbare Gräuel nicht. Man will Gutes tun. Dass es nicht gehen wird, nur aus der Luft, quasi
chirurgisch, unter Laborbedingungen Gaddafi und seine Entourage auszubomben und seinen
Truppen den Mumm abzukaufen, dürfte inzwischen jedem klar geworden sein. So lange sich die
Truppen im offenen Gelände auf der Verschiebung befinden, können sie mit Flugzeugen und
Helikoptern vernichtet werden. Kommen sie in die Städte, ist das unmöglich. Ausserdem kommen
die humanitären Krieger ins Dilemma, dass auch Gaddafis Truppen aus Menschen bestehen. Wer
könnte genau auseinanderhalten, wer im Bosnien- und Kosovo-Krieg die Bösen und die Lieben
waren? Serben, Kroaten, Albaner alle verübten Gräuel. Bürgerkriege werden mit den jeweils
vorhandenen Mitteln ausgetragen. Ihr Treibstoff ist der Hass. Wenn Menschen sich hassen, setzen
sie alles daran, den anderen auszurotten. Auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen, ticken alle
Menschen gleich. Deshalb ist es auch illusorisch, davon auszugehen, es gebe in Europa nie wieder
Krieg. Jetzt schicken die Briten die ersten offiziellen Ausbilder nach Libyen. Der nächste Schritt
wird sein, die Rebellen mit modernen Waffen auszurüsten und wenn damit die Lage nicht bereinigt
werden kann, werden Bodentruppen eingesetzt. Gaddafi ist offensichtlich militärisch nicht
ungeschickt und seine Truppen sind loyal. Er geniesst Rückhalt in seinem Clan. Wenn es nicht
gelingt, ihn zu destabilisieren, wird das ein übler Konflikt vom Typ Afghanistan, an der Schwelle zu
Europa. Wird er getötet, haben wir einen zweiten Irak. Den Armeen der Welt geht die Arbeit nicht
aus.
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Kommentare anzeigen Hide commentsDa sie an den Frieden mit Waffen nicht glauben, müssten sie im Parlament für die Armeeabschaffung eintreten.