Rechtsliberale Kartellbefürworter proben den Aufstand. Ein Urteil des Bundesgerichts hat sie auf den Plan gerufen. Sie fordern «mehr Toleranz» gegenüber Kartellabsprachen.
Das Bundesgericht hat entschieden, dass Preis- und Gebietsabsprachen von Markenherstellern und Händlern GRUNDSÄTZLICH verboten sind. Die Kritiker sprechen von einem Fehlurteil. Mit dem Urteil schaffe das Bundesgericht Rechtsunsicherheit für viele Arten von Absprachen wie Einkaufskooperationen, die als sinnvoll gälten.
“Mehr Toleranz” bedeutet offenbar, das Bundesgericht solle in bestimmten Fällen beide Augen verschliessen, und “sinnvoll” meint “wirtschaftlich rentabel”. Ein BundersgerichtsentscheidDer Eid oder das Gelübde muss von Trägern öffentlicher Ä... gegen eine wirtschaftlich rentable Absprache ist für die Kritiker demnach wirtschaftsfeindlich, und deshalb sollen dem Kartellverbot die Zähne gezogen werden.
“Der prominenteste Kritiker ist Samuel Rutz, der frühere Chefökonom der Wettbewerbskommission (Weko), der heute für die rechtsliberale Denkfabrik Avenir Suisse arbeitet. Er vertrat in der NZZ die Meinung, es sei «sinnvoll, mit der Stigmatisierung vertikaler Abreden zu brechen und einen toleranteren Umgang zu pflegen». Bemerkenswert ist, dass der Mitautor des Artikels, der Zürcher Wirtschaftsberater Christian Jaag, mit seiner Firma Swiss Economics seit 2008 Dutzende Gutachten für den Bund erstellt hat. Zu seinen Kunden gehören das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bundesrätin Doris Leuthards DepartementDie schweizerische Bundesverwaltung ist in sieben Departemen... Uvek, die Bundesämter für Energie und für Verkehr sowie die Staatsbetriebe Post, Swisscom und SBB.”
(tagesanzeiger.ch/wirtschaft/rechtsfragen/kartellbefuerworter-proben-den-aufstand/story/15819222)
Auffallend ist, dass Rutz und Jaag, aber auch weitere Autoren, bewusst den für sie offenbar negativ klingenden Fachgbegriff “Kartell” meiden und ihn durch die euphemistischen Begriffe “(vertikale) Abrede” und “Einkaufskooperationen” ersetzen. Im Kern aber sagen sie alle das Selbe, nämlich dass vertikale Kartelle häufig gut seien und deshalb rehabilitiert werden sollten. Was steckt dahinter? Ein krasser Fall von Gebietsabsprache von BMW.
“Der Autohersteller verbot bis zum Jahr 2011 deutschen Händlern, Autos zum EU-Preis in die Schweiz zu liefern. So schützte er Schweizer Händler vor Konkurrenz. Die BMWs kosteten hierzulande deshalb bis 33 Prozent mehr als in Deutschland. So weit die Fakten, wie sie die Wettbewerbsbehörde feststellte, das KartellEin Kartell ist eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Fi... verbot und BMW eine Busse von 156 Millionen Franken aufbrummte. Der Fall ist vor Bundesgericht hängig. Doch hat ein solches Gebietskartell geschadet? Die Befürworter solcher Kartelle sagen Nein: Diese könnten sinnvoll sein, denn sie seien geeignet, den Wettbewerb anzuheizen. BMW soll das Recht haben, seine Marke vor ruinösem Preiszerfall zu schützen. Eine höhere Marge ermögliche Beratung, Imagepflege und finanziere die betriebliche Weiterentwicklung. Auch soll BMW verhindern dürfen, dass nichtautorisierte Händler, die über Nebenkanäle importieren, als TrittbrettfahrerTrittbrettfahrer werden Leute genannt, die ein Produkt oder ... von der BMW-Werbung profitierten, ohne diese mitzufinanzieren. Ob diese Argumente verfangen, wird das Bundesgericht bald entscheiden.”
(tagesanzeiger.ch/wirtschaft/rechtsfragen/kartellbefuerworter-proben-den-aufstand/story/15819222)
Ich bin für den bedingungslosen Erhalt eines wirksamen und nicht verwässerten Kartellverbots. Sind Sie auch dafür, liebe Leserinnen*? Weshalb?
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24. Februar 2020
Heute hat dieser aktuelle Blog – zitiert nach Vimentis – “Anz. Leser 3000”.
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5. Mai 2020
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“Was ist ein Kartell ?
Unter einem Kartell versteht man eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb abschwächen oder gar verhindern soll. Die Mitglieder eines Kartells versuchen so oftmals die Vorteile eines Monopols zu erreichen, ohne ihre Unabhängigkeit aufgeben zu müssen.
Man unterscheidet v.a. drei verschiedene Kartelle:
Preiskartell: Preisabsprache; Vereinbarung über den Preis
Quotenkartell: Mengenabsprache; Vereinbarung über die zu verkaufenden Mengen der einzelnen Unternehmen
Gebietskartell: Raumabsprache; Vereinbarung über die geografische Aufteilung des Marktes”
(mythreads.ch/g2e/2016/05/19/kartellverbot-in-der-schweiz)
U. a. warten wir in der Schweiz seit Jahren auf Massnahmen gegen Monopole und Kartelle der Pharmaindustrie.
https://www.vimentis.ch/d/dialog/readarticle/fuer-massnahmen-gegen-monopole–kartelle-der-chemieindustrie/
Der Umbau der Wettbewerbskommission zu einem professionellen Wettbewerbs-Gericht wurde leider 2014 vom Parlament abgelehnt.
“Eine Allianz aus SVP, BDP, einem Teil der Grünen und gewerkschaftlichen Linken stimmte gegen die Revision des Kartellgesetztes. Diese hat ihnen verschiedene Angriffspunkte geboten. Eine davon war die vorgesehene Reform der Wettbewerbsbehörden. Der Umbau zu einem eigentlichen Wettbewerbs-Gericht, den der Bundesrat vorgeschlagen hatte, stand zwar gar nicht mehr zur Diskussion.
Wirtschafts- und Gewerkschaftskreise setzten sich aber auch gegen die vom Ständerat beschlossene Professionalisierung der Wettbewerbskommission (Weko) zur Wehr. Stein des Anstosses war der geplante Ausschluss ihrer Vertreter aus dem Gremium.”
(nzz.ch/schweiz/nationalrat-versenkt-revision-1.18385417)
Offenbar hätte eine Professionalisierung die Mitwirkung von Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern ausgeschlossen – ein Dilemma.
Das Kartellgesetz wurde erst 2004 revidiert!
“Das Gesetz sieht vor, dass bestimmte Abreden unzulässig sind, der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung unzulässig ist und unter gewissen Voraussetzungen Unternehmenszusammenschlüsse untersagt werden können (…) .”
(Wikipedia)
Bezahlen ist längst nicht mehr nur mit Bargeld oder per Karte möglich: Der Konsument soll seine Einkäufe schon bald über sein Smartphone begleichen – zumindest wenn es nach dem Willen der Anbieter mobiler Zahlungsmöglichkeiten geht.
Wieder einmal versucht Apple den ganzen Kuchen allein zu verspeisen: Bezahlen mit Apple Pay über iPhone – immer und überall. Anderen Zahlsystemen soll jedoch keinen Zugang zur NFC-Technologie des iPhones ermöglicht werden.
Das sei ein klarer Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, findet die “Stiftung für Konsumentenschutz” (SKS). Sie fordert die “Wettbewerbskommission” (Weko) zum Handeln auf.
Mehr hier, unter dem Titel “Apple Monopol auch beim Bezahlen? SKS fordert Weko zum Handeln auf”:
(konsumentenschutz.ch/tag/wettbewerb-und-kartelle/)
Offenbar wird dem Kartellgesetz auch nicht Nachachtung verschafft, wenn marktdominierende Unternehmen mit Sitz im Ausland die von ihnen abhängigen Kunden in der Schweiz zwingen, ihre Produkte zu überhöhten Preisen einzukaufen, und Importe über günstigere Anbieter verhindern. Die Stiftung für Konsumentenschutz will nun, dass der Staat eingreift.
“Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) hat mit diversen Mitstreitern die Planung einer Volksinitiative gegen die Hochpreisinsel Schweiz an die Hand genommen. Besonders im Fokus stehen dabei überteuerte Importgüter: Identische Zeitschriften und auch Kosmetikprodukte kosten in der Schweiz zum Beispiel durchschnittlich rund 70% mehr als in Deutschland. Mittels einer Volksinitiative soll dieser ungerechtfertigte „Zuschlag Schweiz“ beseitigt werden. Die Unterschriftensammlung startet sobald als möglich, ein fixer Zeitpunkt ist jedoch derzeit noch nicht bestimmt.
Die Fair-Preis-Initiative verlangt, dass der Staat dann eingreift, wenn marktstarke ausländische Unternehmen die von ihnen abhängigen Schweizer Kunden (dazu gehören Unternehmen genauso wie die Endkonsumenten) zwingen, bei ihnen zum erhöhten Preis einzukaufen.”
Mehr hier, unter dem Titel “Kampf der Hochpreisinsel: Initiative für faire Preise”
(konsumentenschutz.ch/themen/hochpreisinsel-schweiz/kampf-der-hochpreisinsel-initiative-fuer-faire-preise/?gclid=CM6KkqPWxc4CFc-6GwodL8MNOg)
“In der Schweiz, welche nicht Mitgliedstaat der EU ist, ist das Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995 (Kartellgesetz, KG, SR 251) die maßgebende Rechtsnorm. Danach sind Abreden (Kartelle) unzulässig, wenn sie den Wettbewerb auf einem Markt erheblich beeinträchtigen und sich dabei nicht durch wirtschaftliche Effizienz rechtfertigen lassen oder wenn sie den wirksamen Wettbewerb beseitigen. Bei horizontalen Mengen-, Preis- und Gebietsabreden sowie bei vertikalen Abreden über Mindest- oder Festpreise sowie Gebietszuweisungen wird vermutet, dass sie den wirksamen Wettbewerb beseitigen und somit unzulässig sind (Art. 5 KG). (…)” (Wikipedia)
Zuständig ist die Wettbewerbskommission:
“Der Schutz des Wettbewerbs ist die wichtigste ordnungspolitische Aufgabe in einer Marktwirtschaft. Sie wird in der Schweiz in erster Linie über das Instrumentarium des Kartellgesetzes erfüllt. Die Anwendung dieses Gesetzes obliegt der Wettbewerbskommission, einer unabhängigen Bundesbehörde, und ihrem Sekretariat. Die Aufgaben der Wettbewerbskommission sind die Bekämpfung von schädlichen Kartellen, die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, die Durchführung der Fusionskontrolle sowie die Verhinderung staatlicher Wettbewerbsbeschränkungen.”
{weko.admin.ch/weko/de/home.html)
Nach dem Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm geht man bei der Wettbewerbskommission nur zögerlich gegen Kartelle vor …
“Immer wieder wird der Vorwurf des «Landesverrats» gegen jene Einkaufstouristen geschleudert, die im grenznahen Ausland – sei es aus sozialen Gründen oder aus Schnäppchenspielerei – Haushaltskosten einsparen. Dieses Konsumenten-Bashing ist fehl am Platz. Wer im Ausland einkauft, nutzt nur seine Rechte als Konsument.
Die grossen Konzerne haben die Hochpreisinsel längst umschifft, indem sie ihre Einkäufe über ihre ausländischen Töchter abwickeln. Aber kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind neben den Haushaltkonsumenten die echt Bestraften: Sie können nicht für jedes Werkzeug und jedes Ersatzteil ins Ausland reisen. Sie sind auf die Alleinimporteure angewiesen, die ebendiese Lieferungen nur mit dem üblichen Schweiz-Zuschlag von 30 bis 60 Prozent oder mehr vom ausländischen Lieferanten beziehen. (…)”
Mehr unter dem Titel “NZZ und Neoliberale kämpfen gegen tiefere Preise”:
(tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-profiteure-der-hochpreisinsel-schweiz/story/31756686)
Es ist offenbar auch möglich, mit Erfolg gegen Importpreiskartelle beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu klagen. So hat er eine Klage aus der Schweiz gegen überhöhte Arzneimittelpreise gutgeheissen. Das deutsche Festpreissystem für EU-ausländische Versandapotheken im Zusammenhang mit der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel verstosse gegen den freien Warenverkehr. Geklagt hat ein schweizerischer Importeur von Arzneimitteln.
http://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/europaeischer-gerichtshof-zur-deutschen-festpreisbindung-boni-auf-rezeptpflichtige-arzneimittel-sind-zulaessig/?newsID=967295
Offenbar führen uns Klagen beim Europäischen Gerichtshof weiter. Kennen Sie weitere solche Verfahren?
Die Abschaffung des Kapitalismus erfolgt ja nicht durch die SPS sondern kontinuierlich durch die Grossfinanz, die es bereits fertiggebracht hat, dass die globale Marktwirtschaft nicht mehr funktioniert! Den marktwirtschaftlichen Auswüchsen müssen JETZT Zügel angelegt werden.
Aktuell ist die Brechung von Kartellen wichtig – ein Schrittlein in die richtige Richtung.
Ringier, die SRG und Swisscom haben 2016 offenbar eine Zusammenarbeit bei der Werbung vorgespurt – mit einem sog. “Joint Venture”. Sie meinen damit eine Zusammenarbeit in der Werbung mit gemeinsamem Risiko. Es geht also Richtung Kartell. Die WEKO muss das also prüfen.
26. September 2019
Die Wettbewerbskommission winkt die UPC-Übernahme durch Sunrise durch. Sie hat KEINE Einwände! Die Wettbewerbshüter verzichten auf sämtliche Bedingungen oder Auflagen.
Nach:
https://www.nzz.ch/wirtschaft/weko-genehmigt-upc-uebernahme-durch-sunrise-ohne-bedingungen-ld.1511426?reduced=true
Dieser Entscheid widerspricht dem Kartellverbot.
16. Januar 2020
Die Wettbewerbskommission (Weko) hat eine Untersuchung wegen Preisabsprachen im Bereich der optischen Netzwerke für die Datenübertragung per Glasfaser bei Grosskunden eröffnet. Sie will herausfinden, ob Unternehmen Submissionsabreden getroffen haben. Es seien Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Von der Untersuchung seien Glasfaserausrüster betroffen. Die Untersuchung solle zeigen, ob kartellrechtlich unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen vorlägen. Welche Unternehmen betroffen sind, sagte die Weko nicht. Es heisst, die Abreden beträfen Hard- und Softwareprodukte. Im Visier sei eine Handvoll kleinerer Firmen, die Unternehmensnetzwerke ausrüsteten. Eine Selbstanzeige habe die Untersuchung ausgelöst.
Mehr hier:
netzwoche.ch/news/2020-01-16/weko-nimmt-glasfaserausruester-unter-die-lupe
3. Februar 2020
Die Wettbewerbskommission (Weko) hat anfangs Februar 2020 ein neues Merkblatt “Entscheidprozess WEKO” auf ihrer Homepage veröffentlicht. Dieses Merkblatt erörtert die Praxis der Weko.
Das Merkblatt kann hier abgerufen werden:
https://www.weko.admin.ch/weko/de/home/dokumentation/bekanntmachungen–-erlaeuterungen.html
Und wieder wurde fleissig gelöscht um die Dislike loszuwerden.
Lächerlich so ein Verhalten….
Ja, und gemäss Herrn Oberlis jeweiligen Statistiken, Herr Frischknecht, haben sich doch zehntausende von Lesern für das Gelöschte interessiert….
2022 erfolgt endlich eine Teilrevision des Kartellgesetzes.– Das Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) bezweckt, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern. Die Sicherstellung des wirksamen Wettbewerbs in der Schweiz basiert dabei auf drei Säulen: Erstens untersagt das Kartellgesetz Abreden zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb erheblich beschränken und nicht durch volkswirtschaftliche Effizienzgründe gerechtfertigt sind. Zweitens ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verboten. Drittens sieht das Kartellgesetz vor, dass bei Fusionen, an denen grosse Unternehmen beteiligt sind, durch die Wettbewerbskommission (WEKO) zu untersuchen ist, ob durch die Fusion eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann.