Wenn es ein Element der Schweizerischen Armee gibt, dem ich bei der Armeeabschaffung nachtrauern würde, wäre es die Wehrpflicht. Ich lehne deren Abschaffung daher ab, eher wünsche ich mir die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht.
Wo in der Schweiz ausser im Dienst sind sich alle gleich, werden alle Schichten und (bisher) Männer gleichermassen in einen Topf geworfen und gezwungen, sich miteinander auseinanderzusetzen. Wo, wenn nicht im Militär, lernt mann die Schweiz und ihre Gegenden und Gebräuche kennen, hat mann Kontakt zu Alterskollegen aus der ganzen Schweiz? Das Institut der Dienstpflicht ist mir zutiefst sympathisch, das Pech ist nur, dass die Dienstpflicht heute meistens einen blödsinnigen und unnötigen, nicht in meinem Sinne ausgestalteten Militärdienst betrifft.
Ich sehe massenhaft sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für Dienstpflichtige, im Sozial-, Friedens-, Katastrophen-und Umweltdienst, in der Land- und Forstwirtschaft, im Inland wie im Ausland. Die Zivildiensteinsätze weisen in die richtige Richtung. Meine Vision geht in eine Richtung, dass die heutigen Beteiligungsformen in einer allgemeinen Dienstpflicht aufgehen. Männer leisten heute einen übermässigen Beitrag im Bereich der institutionalisierten Dienstpflichten, Frauen leisten überdurchschnittliche Beiträge in der Familienarbeit und der unbezahlten Care economy. Diese Beiträge sollen verallgemeinert und vermehrt auch bewertet werden. Diese Vision ist aber noch nicht ausgereift. vgl. www.allgemeine-dienstpflicht.ch
Das Milizprinzip ist eine der tragenden Säulen der Schweiz und des gesellschaftlichen Zusammenhangs. Das Milizprinzip besteht bei weitem nicht nur in der Armee, sondern durchdringt die gesamte Zivilgesellschaft, von Schulkommissionen, Feuerwehr, Kultur bis natürlich in die Politik. Ich mache mir heute mehr und mehr Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz, u.a. wegen der Schwächung des gesellschaftlichen Engagements. Früher bestanden vielfältige explizite und implizite Verpflichtungen, um sich im Interesse der Allgemeinheit zu engagieren. So bestanden früher z.B. auf Gemeindeebene Gemeinwerkpflichten, die heute leider ersatzlos weggefallen sind. Bei allen Vorbehalten gegen dem heute bestehenden Militärdienst kann eine Dienstpflicht eine Basis legen für das gesellschaftliche Verständnis, dass nicht alles gratis und selbstverständlich zu haben ist. Dass die gelebte Demokratie nicht nur aus Abstimmen und Steuern bezahlen besteht, sondern dass damit auch weitere Pflichten verbunden sind. Dieses
Verständnis wird als antiliberal gegeisselt, was natürlich zutrifft, insofern bekenne ich mich offen zum Antiliberalismus. Ich bin aber der Meinung, dass ein Ursprung der Grünen Bewegung genau in solchen zusätzlichen Engagements- und Beteiligungsformen besteht. Bildlich gesprochen: Das Grüne Modell ist die Genossenschaft, bei der jedeR Einzelne mitarbeiten muss, nicht die anonyme Aktiengesellschaft.
Aus diesen Gründen wünsche ich mir einen Umbau der Dienstpflicht, und nicht deren Abschaffung. Die GSoA versucht mit dieser InitiativeDie Initiative ist in der Schweiz ein politisches Recht der ..., der heutigen Armee ihre Grundlage zu entziehen. Ich mag sie darin nicht unterstützen.
In Konsequenz führt dieser Vorstoss zu einer Freiwilligen (Rambo)armee oder einer Berufsarmee, beides lehne ich ab, auch wenn dieses Argument hier nicht im Vordergrund steht.
Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide commentsGuten Tag Herr von Graffenried,
Obwohl wir scheinbar eine komplett andere Vorstellung der Schweizer Armee haben (resp was diese für Aufträge haben soll) muss ich Ihnen bezüglich der Dienstpflicht Recht geben. Gerade uns Studenten (ich studiere selber an der ETH) tut es gut nicht nur immer hochgestochene und häufig realitätsfremde Theorien zu betrachten, sondern auch mal mit der Realität konfrontiert zu werden.
Die Dienstpflicht (in welcher Form auch immer) ist aus meiner Sicht eines der stärksten Argumente für eine (Miliz-)Armee in der Schweiz, da diese jeden dazu zwingt mit Leuten zusammen zu arbeiten mit denen er normalerweise kein Wort wechseln würde – und dabei realiesiert man trotz aller Unterschiede in Herkunft und Ausbildung (und vielleicht gerade deshalb) bestens zusammenarbeiten und profitieren kann.
Ob man eine ähnliche Form eines Dienstes an der Allgemeinheit auch für Frauen einführen sollte ist aus meiner Sicht durchaus positiv.
Noch zur Gsoa-Initative: Die Gsoa hat genau ein Ziel: Dasjenige in ihrem Namen: die Abschaffung der Armee. Jeder muss für sich selber entscheiden ob er dem zustimmt oder nicht, aber dass hierbei die Dienstpflicht als Argument herhalten muss ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wie auch immer die Disskusion um die Armee herauskommt: Die Dienstpflicht muss aus meiner Sicht in irgend einer Form erhalten bleiben. Sie garantiert, dass jeder mindestens eine Zeit lang für die Allgemeinheit gearbeitet hat und so wertvolle Erfahrung gesammelt hat.
Ich rechne Ihnen, Herr von Graffenried, hoch an dass Sie nicht wie Andere blind auf alles einschlagen was nach Armee aussieht, nur weil Sie diese für unnötig halten, sondern sich vor dem Schlag überlegen was Sie anrichten.
Auf die “Realität” im Militär hätte ich gerne verzichtet. Tagelanges herumstehen und warten bis irgendetwas läuft. Damit ist herumlungern gemeint und nicht etwa Wache schieben. Sonst war die ganze Geschichte alkoholhaltig und bekifft. Wer Drogen sucht wird im Militär garantiert fündig.
Herr Meier,
natürlich haben Sie recht wenn Sie sagen es gäbe Drogen im Militär. Aber zeigen Sie mir eine Organisation in der es das nicht gibt. (und schon gar nicht so eine grosse mit so vielen ca. 18-22 jährigen unter Druck). Unter diesen Umständen würde ich sagen ist das Problem sogar recht klein.
Aber auf Grund einiger weniger alle zu verurteilen ist unfair und ungerechtfertigt!
Zum “Rumstehen”: Man kann gar nicht mehr soviel machen kann wie man will, aus Materialgründen! Wenn von 5 gefassten Radschützenpanzern 2 funktionieren und der Rest nur teilweise oder gar nicht weil das Zeughaus zuwenig Personal hat um Ihre Arbeit richtig zu machen, kann man den Zug nicht verschieben, ob man will oder nicht. Resultat: herumlungern.
Abgesehen davon: Was war Ihr schönstes Erlebnis im Militär? Am ehesten sind es die strengen Sachen, nicht das faule herumliegen. (So sagt es auch meine Erfahrung mit meinen Rekruten). Darum sage ich: Weg von Samthandschuhen und Kuschelmilitär und wieder mehr übungen, Hindernisbahn usw. Das ist es was die Leute wollen: Fördern durch fordern! Am Wochenende sind dann nämlich alle stolz wenn sie erzählen können dass sie unter der Woche etwas GELEISTET haben. Und sei dass ein 50 km Marsch.
Herr von Graffenried,
Ihre Haltung bezüglich Armee kann ich nicht teilen. Aber zur Dienstpflicht gegenüber der Gesellschaft noch eine Anmerkung: Falls man diese Idee weiter entwickelt, sollte man die ausländische Wohnbevölkerung auch miteinbeziehen. Wenn es sich ja um zivile Dinste handelt, wäre dies kein Problem. Dies würde sich vor allem auch positiv auf die Integration von diesen Leuten auswirken.
Ich bin dagegen. Ausser im Katastrophen- und Friedensdienst werden damit nur Arbeitsplätze wegrationalisiert. Zivis ersetzten Angestellte im Sozial- und Umweltdienst und in der Land- und Forstwirtschaft.
Unabhängig von der Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Konkurrenzierung des ersten Arbeitsmarktes durch Pflichtarbeitende ist an der Stellungnahme des Herrn von Graffenried ja sehr interessant, dass sich nun auch einmal jemand von der anderen Seite des politischen Spektrums gegen völkerrechtlich geschützte Grundwerte engagiert (mit Ausnahme des Wehrdienstes und eventueller Ersatzdienste hierzu sowie einiger weiterer kleinerer Ausnahmen ist die Zwangsarbeit sowohl nach Art. 4 EMRK als auch nach einem von der Schweiz unterzeichneten ILO-Übereinkommen verboten).
Die Gemeinde, der Kanton und der Staat und dessen Bewohner leisten viel, damit mein Leben angenehmer ist (Verkehrswege, Bildung, öffentlicher gepflegter Raum etc.). Ich bin der Meinung, dass ich dafür auch etwas zurückgeben darf und mich am gemeinschaftlichen Leben aktiv gestaltend beteiligen soll.
Auch mit dem sozialisierenden Inhalt der Dienstpflicht bin ich einverstanden. Natürlich werde ich bei meiner Auswahlfreiheit beschnitten, aber ich erhalte so die Möglichkeit die Auseinandersetzung mit dem Anderen zu üben und erhalte einen grösseren Einblick in die Welt (= Bildung).
Ich kann ihre Meinung voll unterstützen (auch wenn sie antiliberal ist).
Auch ich bin für eine Dienstpflicht und kann mich Ihnen vorbehaltslos anschliessen. Alle Schweizer (Frauen und Männer) sollen dem Land dienen – ob Zivil- oder Militärdienst, sollen diese frei entscheiden können, bzw. wer Militärdienstuntauglich ist Zivildienst leisten. Es ist mir sowieso unbegreiflich, wieso jemand auch automatisch Zivildienstuntauglich ist, wenn er Militärdienstuntauglich ist.
In welcher Form dabei der Zivilschutz eingeordnet wird, ist natürlich auch noch eine wichtige, zu klärende Frage.
Wie wäre es mit einer Zivildienstschule, ev. zusammen mit Katastrophen- und Zivilschutz?
Alle Zivildienstler besuchen einen Grundkurs, der 4-8 Wochen dauert, der sie dazu befähigt die Katastrophenhilfe-Verbände und den Zivilschutz zu unterstützen. Auf dem Programm stehen z.B. Sanitätsdienst, ABC-Schutzdienst sowie der richtige Umgang mit dem für die Rettungseinsätze benötigten Material.
Dem Grundkurs folgt ein gemeinsamer vierwöchiger Einsatz zu Gunsten der Allgemeinheit. Gerade in den Randregionen gibt es viele Einsatzmöglichkeiten.
Die so gebildeten Einheiten benötigen Kader. Es sollte ein finanzieller Anreiz zu Uebernahme dieser Funktionen geschaffen werden. Z.B. eine Soldzulage in der Höhe von 200 Franken für jeden zusatzlich geleisten Diensttag (Kaderschule, “Abverdienen”, besondere Kaderkurse). Diese Regelung sollte auch für Armee und Zivilschutz gelten.
Schweizerinnen leisten keinen obligatorischen Dienst, Ausländer leisten keinen Dienst, das ist unfair! Ausserdem haben die regelmässigen Absenzen vom Arbeitsplatz negative Auswirkungen auf die Vermittelbarkeit dienstpflichtiger Arbeitloser. Eine allgemeine Dienstpflicht wäre kaum durchsetzbar, aber möglicherweise eine Ersatzabgabe. Z.B. ein Monatslohn (minimal 3’500 Franken, bzw. der Mindestlohn, falls er in der Abstimmungen angenommen werden sollte).