„Hakim versteht die Aufregung um ihr Buch nicht. Für sie geht es um eine besondere Form von Macht, über die nur Frauen verfügten. Die zunehmende Sexualisierung mag sie deshalb nicht kritisieren: «Let’s relax. Weshalb gegen den Strom schwimmen, wenn es mit dem Strom einfacher geht?» Abgesehen davon sei die Herkunft weitaus entscheidender für eine erfolgreiche Karriere – und daran könne man nichts ändern. Das sei unfair. Aus sich etwas machen könne indes jede. Und sie zitiert Schönheitsunternehmerin Helena Rubinstein, die einst gesagt hatte: «Es gibt keine hässlichen Frauen. Nur faule.»“ Es geht um ein Buch, geschrieben von der englischen Soziologin Catherine Hakim. Es trägt den Titel: „Honey Money – The Power of Erotic Capital“. Nein, auch ich habe es nicht gelesen. Nur am Artikel im Tages Anzeiger vom 21.09.11 bin ich hängen geblieben. Im Grunde genommen ist es ja nichts neues, dass attraktive Frauen gefallen. Neu ist aber, dass es wieder Frauen gibt, zumal Soziologinnen, die ihren Geschlechtsgenossinnen empfehlen, ihr „erotisches Kapital“ bewusst einzusetzen. Kein Wunder, dass das weibliche Soziologie-Establishment Schreikrämpfe kriegt, wenn ein derartiger Einbruch in die Errungenschaften des Feminismus droht. Jahrzehntelang haben sich die Blaustrümpfe Mühe gegeben, die Männer dazu zu erziehen, die Frauen nicht als Lustobjekt, sondern als intelligente Arbeitskolleginnen und Chefinnen anzusehen. Frauen mit geraden Beinen, die in Strümpfe gehüllt sind und deren untere Enden in 12 Zentimeter hohen Stöckelschuhen stecken, werden von den Suffragetten selbst als intelligenz-defizitär beargwöhnt. Dass beides möglich ist, intelligent zu sein und auch noch gut auszusehen, war den Männern längst klar – natürlich auch bei Frauen. Bettina Weber vertieft die Frage in unserem Leibblatt und lässt zum Glück nicht nur die Vertreterinnen des Gendermainstreams zu Wort kommen, sondern auch unsere Nationalratskandidatin Inge Schütz, die auf der Auslandschweizer Liste figuriert und als Geschäftsführerin die Wirtschaftsfrauen Schweiz vertritt. Sie weiss, wie wichtig gutes Aussehen in einer Dienstleistungsgesellschaft ist. Doch zu gestylt dürfe man auch nicht sein, um nicht Neid und Missgunst zu wecken. Und was lernen wir aus dem Ganzen? Dass es den Mainstream zwar gibt, aber glücklicherweise in unserer modernen Gesellschaft alternative Modelle davon nicht erdrückt werden. Ausserdem scheint sich zu bewahrheiten, dass die Welt sich in Zyklen bewegt. Modische Kleider und ein gepflegter Auftritt sind en vogue. Das wissen Jugendliche, die ihre Wunsch-Lehrstelle suchen. Sie müssen auch auf die Erscheinung achten. Erstaunlich nur, dass der Tagi als Beispiel für den erfolgreichen Einsatz des erotischen Kapitals, Micheline Calmy-Rey nennt. Die Geschmäcker bleiben eben verschieden.
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