Ist die Meinung anderer Länder über die Schweiz unwichtig?
In meinem Artikel “Am 18. Mai geht es um die weltweite Wahrnehmung der Schweiz” habe ich darauf hingewiesen, dass die Medien der Welt ironisch, hämisch, sarkastisch oder ungläubig über die Unfähigkeit der Schweiz berichtet haben, selbst im Frieden ihren eigenen Luftraum zu kontrollieren. Sie fügten noch an, Regierung und ParlamentDas Parlament ist in demokratischen Verfassungsstaaten die V... wollten die erkannten Lücken mit dem GRIPEN schliessen, aber das Volk könnte die Anschaffung ablehnen.
Erstaunlicherweise haben Leser meines Artikels in Kommentaren die Ansicht vertreten, die Meinung der Welt sei für uns unwichtig. Auch wenn man, wie der Verfasser, für eine unabhängige, selbstbewusste und weltoffene Schweiz einsteht, heisst das nicht, dass das, was andere Länder von uns denken, unwichtig sei. Für jedes Land ist es wichtig, in einem positiven Licht gesehen zu werden, damit es sich erfolgreich behaupten kann. Dazu ein Beispiel.
Vor ca. 1 Jahr wurden in der chinesischen Presse die Ergebnisse einer weltweiten Befragung von rund 26’000 Leuten in Führungspositionen in fast 30 wirtschaftlich bedeutenden Ländern veröffentlicht. Die Befragten sollten die Ländern nennen, deren Firmen sie am meisten Vertrauen schenkten. Mit mehr als 70% als am vertrauenswürdigsten wurden Schweizer, schwedische und kanadische Firmen wahrgenommen. Das Schlusslicht war China, dessen Firmen nur 19% der Befragten für vertrauenswürdig halten. Jedermann wird wohl verstehen, dass für den längerfristigen wirtschaftlichen Erfolg eines Landes die Meinungen anderer Länder in diesem Bereich von grösster Bedeutung sind. Vor wenigen Wochen erschienen wieder Artikel in der chinesischen Presse, die darauf hinwiesen, dass chinesische Firmen, die im Ausland expandieren wollen, grosse Probleme hätten, weil man ihnen nicht vertraue. Auch der Verfasser hatte in einem Artikel in einer englischsprachigen Tageszeitung der kommunistischen Partei Chinas unter Bezugnahme auf diese Studie die chinesischen Führungskräfte aufgerufen, das Vertrauen als wichtigstes Gut einer Firma zu erkennen und alles daran zu setzen, dieses aufzubauen und zu erhalten.
Die Bedeutung der weltweiten Wahrnehmung eines Landes gilt auch in der Sicherheitspolitik. Die Generalstäbe von Staaten, die andere Länder angreifen wollen, überlegen sich vorher, ob sie das erfolgreich tun können und ob die Nutzen höher als die Kosten sind oder ob ein Angriff zu einem Verlustgeschäft wird. Deutlich wurde das z.B. in einer deutschen Angriffsplanung aus dem 2. Weltkrieg ausgedrückt. Dort kann man nachlesen: Nur eine „halbwegs intakte Schweizer Wirtschaft, ferner unzerstörte Kraftwerke und Eisenbahnen“ bildeten „einen angemessen Preis für eine bewaffnete Intervention in der Schweiz.“ Mit der starken Armee, der vorbereiteten Zerstörung der gesamten Verkehrsinfrastruktur und der Industrie hatte die Schweiz das Gewinnen dieses Preises verunmöglicht.
Ein Land, das sicherstellen will, nicht in einen Krieg einbezogen zu werden, muss deshalb dafür sorgen, das die Kosten/Nutzenrechnung für einen Angreifer negativ aussieht. Wie ich in meinem einleitend genannten Artikel ausführte, wurden wir bis vor wenigen Jahren weltweit von den Armeen fremder Mächte, und bis vor kurzem auch von den Durchschnittsmenschen, nicht nur als friedfertigstes, sondern auch als wehrhaftestes Volk wahrgenommen. Darum wurde in so vielen Artikeln im Zusammenhang mit der Entführung des äthiopischen Verkehrsflugzeuges darauf hingewiesen, die Schweiz sei – so wörtlich – “als uneinnehmbare Alpenfestung” wahrgenommen worden, um dann überrascht festzustellen, unser als so reich gesehenes Land sei selbst im tiefsten Frieden aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage, seinen Luftraum selber zu kontrollieren.
Jetzt ist es weltweit bekannt geworden ist, dass wir keine Armee mehr unterhalten, die stark genug ist, einen Krieg von unserem Land fernhalten zu können. Wir können somit auch die laut internationalem Neutralitätsrecht dem Neutralen zufallende Pflicht nicht mehr erfüllen, den Kriegsparteien die Benützung unseres Territoriums und Luftraumes zu verwehren. Dazu beteiligen wir uns ja auch noch an der Partnerschaft für den Frieden der NATO, die laut chinesischen Presseberichten ein Instrument der USA zur Durchsetzung von deren strategischen Interessen sei. Und schliesslich haben wir auch noch unsere Dienstgrade und die Organisation der Rumpf-Armee an die der NATO angepasst.
Deshalb ist diese Wende in der weltweiten Wahrnehmung der Schweiz eine sicherheitspolitische Katastrophe. Sie wird dazu führen, dass wir in einen möglichen zukünftigen Krieg in Europa einbezogen werden, ob wir das wollen oder nicht.
Ein Blick zurück zum 2. Weltkrieg, als das Bild der wehrhaften Schweiz noch intakt war. Ich höre schon die Einwände, im 2. Weltkrieg sei die Schweiz nur wegen dies oder jenem nicht angegriffen worden. Die Armee habe dabei keine Rolle gespielt. Das war aber weder die Meinung der deutschen Wehrmacht noch die der Alliierten. Für beide Seiten war sie im jeweiligen Zeitpunkt zu stark, obschon – auch das gilt für beide Seiten – auch kriegswichtige Lieferungen der Schweiz ihr Verhalten mitbestimmten. Das britische Aussenministerium drückte das am 22. September 1940, also nach dem Fall Frankreichs, in einem Brief an seinen Botschafter in Bern wie folgt aus: Falls die Schweiz Entgegenkommen zeige (gemeint war Deutschland gegenüber), bestehe für einige Zeit die Möglichkeit verhindern zu können, dass sie die Lieferung von Kriegsmaterial ans Vereinigte Königreich völlig einstellen müsse. Dazu muss man wissen, dass die Schweiz für alle ihre Ein- und Ausfuhren gleichzeitig von beiden Kriegsparteien Bewilligungen brauchte. England akzeptierte mit anderen Worten, dass die Schweiz Deutschland z.B. mehr Fliegerabwehrkanonen liefere, damit sie dafür von Deutschland die Erlaubnis erhalte, kriegswichtige Güter nach England zu liefern. Mit Moral hat das nichts zu tun, aber sehr wohl mit vitalen Interessen von Staaten.
Deshalb zum Schluss noch einmal Beispiele dafür, wie die Schweizer Abwehrbereitschaft im 2. Weltkrieg wahrgenommen wurde:
- Der französische Generalstab befasst sich mit Plänen zur präventiven Besetzung der Schweiz. Da die Schweiz ab Mitte der Dreissigerjahre wieder aufrüstete, kam er in seiner Studie vom 30. Juni 1937 zum Schluss, diese Schritte würden “….renforcer considérablement la puissance militaire du pays”. Die Schweizer Armee “sera vraiement une armée moderne sous tous les rapports”.
- Am 11. November 1938 schrieb die britische TIMES, keine Armee der Welt könne schneller mobilisieren, also Kampfbereitschaft erstellen, als die Schweizer Armee.
- Schon vor und unmittelbar nach Ausbruch des 2. Weltkrieges hatten sowohl der deutsche, als auch der französische und britische Generalstab abgeklärt, ob es sich lohnen würde, die feindliche Front durch die Schweiz zu umgehen, bzw. ob das umgekehrt für ihren Feind eine gute Option wäre. Alle drei kamen angesichts der starken Schweizer Armee und dem schwierigen Gelände zu einem negativen Schluss, wobei der deutsche Generalstabschef General-oberst Halder noch anfügte: “Die Umgehung durch eine unverteidigte Schweiz wäre eine verlockende Möglichkeit”.
- Der weltberühmte, bis 1940 in Berlin stationierte amerikanische Historiker und Journalist William L. Shirer schrieb unmittelbar nach Kriegsausbruch in einem seiner Beiträge, die Schweiz habe “einen Zehntel der Bevölkerung unter Waffen, mehr als irgendein anderes Volk der Welt. Sie sind bereit für ihre Lebensart zu kämpfen…. Die Holländer werden für die Deutschen eine leichte Beute sein. Die Schweiz wird eine härter zu knackende Nuss sein und ich bezweifle, ob es die Deutschen versuchen werden”.
- Am 1. September 1940 berichtet der italienische Militärattaché aus Bern nach Italien, der Schweizer Grenzschutz werde nur 4-5 Stunden nach der Mobilmachung schon kampfbereit sein. Ein auf Schnelligkeit bedachter Angreifer dürfe dessen Abwehrkraft nicht unterschätzen. (Heute braucht die Schweizer Rumpfarmee mehrere Monate Zeit zur Mobilmachung und Erstellen der Kampfbereitschaft).
- Das für die deutschen Truppen bestimmte “Kleine Orientierungsheft Schweiz” des Generalstabes des Heeres vom 1.September 1942 meinte: “Das schweizerische Milizsystem ermöglicht eine Erfassung der Wehrfähigen unter verhältnismässig geringen Kosten. Es erhält den im schweizerischen Volk sei je regen soldatischen Geist und gestattet die Aufstellung eines für das kleine Land sehr starken und zweckmässig organisierten, schnell verwendungsfähigen Kriegsheeres. Der Schweizer Soldat zeichnet sich durch Heimatliebe, Härte und Zähigkeit aus.“ (Dieses Bild gilt natürlich heute für all die jungen Männer nicht mehr, die sich vom Militärdienst drücken).
- In einer deutschen Angriffsplanung vom 4. Oktober 1942 wurde davor gewarnt, bei der Berechnung der erforderlichen deutschen Truppen nur von der Zahl der jeweils mobilisierten Schweizer Wehrmänner auszugehen. Man müsse den Gesamtbestand der Schweizer Armee einsetzen, da die demobilisierten Wehrmänner sofort wieder kampfbereit seien.
- Im Sommer 1943 schrieb das amerikanische Nachrichtenmagazin TIME unter dem Titel: “Die Schweiz allein: Klein und zäh”: “Mann für Mann hat die Schweiz heute wahrscheinlich die zweitbeste Armee Europas”. (Die beste war die Wehrmacht).
- Im Sommer 1943 verfasste der General der Gebirgstruppen, Franz Böhme, einen weiteren deutschen Angriffsplan. Er wies darauf hin, dass die Schweiz, obschon durch die grossen Erfolge der Wehrmacht tief beeindruckt, nicht bereit sei, sich zu unterwerfen. “Die sichtbare Folge ist das Reduit: Lieber kämpfen, als sich zur Gänze in die Belange des neuen Europa einzufügen”. Dann ging er weiter: “Das Schweizer Heer verfügt über eine grosse Tradition….Der Kampfwille des Schweizer Soldaten ist ein hoher und wir werden ihn etwa dem der Finnen gleichsetzen müssen”, (die 1939/40 vier Monate lang einer riesigen sowjetischen Armee Widerstand leisteten). “Ein Volk das gute Turner hat, hat auch immer gute Soldaten gehabt”….”Die Vaterlandsliebe der Schweizer ist auf denkbar höchster Stufe.” “Seit 1939 haben zahlreiche Schweizer Truppenteile aller Waffengattungen Gelegenheit gehabt, ihr Können zu vervollständigen und haben es auch getan”. “Die Schweizer Landesverteidigung verfügt über ein Heer, dass schon wegen seiner zahlenmässigen Stärke ein äusserst beachtlicher Faktor ist. Die Bezwingung der sich erbittert verteidigenden Truppen im Hochalpenreduit wird eine schwer zu lösende Aufgabe darstellen.”
- Im Januar 1944 schrieb die deutsche Abwehr, das Réduit sei zu einer schwer zu bezwingenden Festung geworden.
- Als die Alliierten 1944 lange an der deutschen Abwehrfront in Frankreich stecken blieben, forderte sie Stalin ultimativ auf, die deutsche Front durch die Schweiz zu umgehen. Die USA und Grossbritannien lehnten sofort ab, aber der Generalstab der inzwischen so mächtigen und kriegserfahrenen US Streitkräfte prüfte diese Option trotzdem, aber lehnten Stalins Vorschlag am 29. Dezember 1944 auch aus militärischen Gründen ab: “Die Schwierigkeiten des Geländes und die anerkannte Fähigkeit der kleinen, aber effizienten Schweizer Streitkräfte im Kampf auf ihrem eigenen Boden würden ein solches Projekt fragwürdig machen”.
(Quelle: Gotthard Frick „Hitlers Krieg und die Selbstbehauptung der Schweiz, 1933-1945“, ISBN 9783033029484)
Selbstverständlich waren auch unsere Schwächen erkannt worden. Sie waren auf die nach dem 1. Weltkrieg vorherrschende Meinung zurückzuführen, es könne in Europa nie wieder Krieg geben. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hatte bis kurz vor Kriegsbeginn alle Militärbudgets abgelehnt. Aber insgesamt wurden wir als im jeweiligen Zeitpunkt zu stark wahrgenommen. Diese Wahrnehmung unseres Landes als einer uneinnehmbaren Alpenfestung war bis vor wenigen Jahren noch weltweit gültig. Heute haben wir sie durch die weitgehende Auflösung unserer einmaligen Milizarmee selber zerstört, bzw. zerstören sie immer noch weiter.
Jeder Schweizer, jede Schweizerin, müsste an sich erkennen, dass unsere Sicherheitspolitik, bestehend aus einer absoluten Friedfertigkeit und einer strikten Neutralität gepaart mit einer starken Armee, die nur kämpft, wenn das Land angegriffen wird, also nie zum Angreifer wird, moralisch auf höchster Stufe steht und allen anderen Modellen weit überlegen ist (ausser einer noch lange illusorischen Abschaffung aller Armeen). Unser Land wurde deshalb zu Recht weltweit als Vorbild gesehen. Jeden Schweizer Bürger, jede Bürgerin sollte es eigentlich mit Stolz erfüllen, als Soldat oder Soldatin unserer einmaligem, dem Frieden verpflichteten demokratischen Schweiz als Soldat oder Soldatin zu dienen und – wie in den letzten 200 Jahren – dazu beizutragen, all die Schrecken und Greuel eines Krieges von unserem Land fernzuhalten,
Es wäre an der Zeit, dass das wieder erkannt wird. Wer sich bisher getäuscht hat und glaubte, es können nie wieder Krieg geben, kann noch rechtzeitig umkehren und sich dafür einsetzen, dass der Abbau der Armee gestoppt wird und wir wieder eine glaubwürdige Landesverteidigung aufbauen.
Die wohl von niemandem vorausgesehene Entwicklung um die Ukraine hat uns wieder einmal gezeigt, wie rasch die Lage ändern kann.
Gotthard Frick, Bottmingen
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Kommentare anzeigen Hide commentsIch persönlich nehme die Schweiz aus ausländischer Sicht so wahr, dass die Schweiz ein zuverlässiger Wirtschaftspartner und eine Nation mit hohen qualitativen Ansprüchen aber mit einer unscheinbaren, eher labilen Politik darstellt. Wie überall auf der Welt sind oft falsche Leute in den Legislativen und vor allem Exekutiven. Aber das ist nicht zu ändern und wird immer so bleiben, denn vor einer Wahl weiss der Wähler ja nie genau wen oder was er wählt.
Es ist wichtig, was andere Länder denken. Wenn die Schweiz den Gripen ablehnt, verschenken wir unsere Glaubwürdigkeit. Die EU lacht sich ins Fäustchen, weil dieses Bürokratenkonstrukt nur darauf wartet, dass wir unsere Souveränität verschenken.
Bei einem Krieg (was ich nicht hoffe) benötigt jedes Land seine militärischen Ressourcen selber, es ist meines Erachtens naiv zu glauben “die sog. netten Nachbarn” würden nur darauf warten der Schweiz, im Ausnahmefall mit gekauften Mitteln zu Hilfe zu eilen.
Es ist wichtig was die Bürger/Innen der verschiedenen Nationen denken (insbesonders über Massenzuwanderung in allen Staaten).
Die EU ist kein Staat, sondern ein diktatorischer Minister-Bürokratenbund, welcher überall für Unruhe und Unfrieden sorgt und die Bevölkerungen beherrschen will.
Einmal mehr vielen Dank, Herr Frick SP, für diesen fundierten Artikel. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Leser die nötige Zeit dafür nehmen!
Herr Knall, ich wollte auf antworten meine Zustimmung bekunden und dann kam das Nachstehende. Was ist denn mit dem Vimentisserver los????
Einmal mehr vielen Dank, Herr Frick SP, für diesen fundierten Artikel. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Leser die nötige Zeit dafür nehmen!
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500 Internal Server Error
Herr Lima: das ist ein technisches Problem.
Der Webserver beim Provider wo die Webseite gespeichert ist hat Probleme.
Die Webseite ist in Deutschland, bei der Firma Hetzner Online AG
Ich habe das Problem Vimentis gemeldet. Die müssen da was machen.
Hier eine Information was der Fehler 500 Internal Server Error ist:
http://www.checkupdown.com/status/E500_de.html
Danke für den Hinweis.
Mehrere Millionen E-Mail Konti in Deutschland geknackt. Mit der nachstehenden Adresse kann man das überprüfen.
https://www.sicherheitstest.bsi.de/
Auch in der Schweiz solle man 48 Std. lang keine E-Banking Transaktionen durchführen, berichtet SRF.