Die Forderung nach der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist einmal mehr ein Beispiel dafür, wie Partikularinteressen von einigen Wenigen unsere ganze Gesellschaft auf Trab halten, egal zu welchem Preis.
Auf den ersten Blick trifft das Begehren aus Kreisen der FDP zwar den Nerv unserer Zeit: Unsere 24 Stunden-Gesellschaft soll sich in ihrem Konsumverhalten nicht länger von Behörden bevormunden lassen – der Slogan „Everything goes“ wird nun auch auf selbständige Unternehmen im Detailhandel übertragen.
Allerdings stellt man bei genauerer Betrachtung fest: Bereits heute besteht unter der Woche eine weitgehend liberalisierte Gesetzgebung bezüglich Ladenöffnungszeiten im Kanton Zürich. Und eine letzthin durchgeführte Umfrage zu den Sonntagsverkäufen in den Gemeinden des Kantons zeigt, dass das Interesse der Konsumenten wie auch der Detaillisten an zusätzlich zu den bereits bewilligten Sonntagsverkäufen eher gering ist.
Zudem: Die konsumfreudige Generation von heute kann jetzt schon Tag und Nacht ihren Einkaufs-Gelüsten nachgehen: Denn das Internet kennt keinen Ladenschluss. Zugegeben: Den Magen füllt das WorldWideWeb nicht unmittelbar, aber im schlimmsten Fall gibt’s ja auch noch Tankstellen, die den Mindestinhalt des Kühlschranks abdecken. Dort finde ich es schon sinnvoll, wenn die unnötigen Sortimentsbeschränkungen bei 24Stunden-Shops endlich aufgehoben werden.
Es stellt sich auch die grundsätzliche Frage nach dem wirklichen Vorteil für die Wirtschaft: Schliesslich wird das Konsumbudget nicht grösser, nur weil ein Einkaufstag mehr zur Verfügung steht. Und wen ich mich bei kleinen Detaillisten im Bezirk umhöre, so befürchtet man, dass die zusätzlichen Einkünfte die höheren Personalkosten nicht lohnen. Ausser vielleicht die Grossverteiler würden profitieren – was den kleinen Geschäften dann um so mehr Sorgen macht.
Meine persönlichen Bedenken gegen das Begehren zielen auf grundsätzliche Fragen in Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung unserer Gesellschaft, die sich aktuell schon in hohem Masse individualisiert und entsolidarisiert hat. Müssen wir auch am Wochenende endlos Shoppen? Mehr Arbeit am Wochenende bedeutet auch weniger Engagement für und mit unseren Nächsten. Es fehlt zu Neudeutsch an einer „Work-Life-Balance”. Ist es für die Gemeinschaft und Familien wirklich förderlich, wenn sich auch am Wochenende immer mehr Eltern ihre Zeit mit den Kindern aufteilen müssen, weil ein Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss? Wer engagiert sich noch für die Freiwilligenarbeit bei Anlässen und Veranstaltungen von Vereinen, an Sonn- und Feiertagen, die sowieso schon mit grossem Mitgliederschwund kämpfen?
Wir haben bereits genügend Berufskategorien, die aufgrund ihrer Tätigkeit z.B. bei der Polizei oder im Spital keine Sonn- und Feiertage kennen und auch an diesen Tagen arbeiten müssen. Diese Tätigkeiten sind wichtig, ja sogar lebensnotwendig.
Am Sonn- und Feiertag zu shoppen erachte ich definitiv nicht als lebensrettende Notwendigkeit. Zum Schluss noch ein kleiner formaler Zusatz zur Vorlage: auch wenn der Kanton Zürich die InitiativeDie Initiative ist in der Schweiz ein politisches Recht der ... gutheisst, werden an Sonn- und Feiertagen die Geschäfte nicht sofort automatisch geöffnet sein – denn nach Bundesrecht ist Sonntagsarbeit für Angestellte des Detailhandels grundsätzlich verboten. So gesehen ist das Begehren für alle Konsumfreudigen eine eigentliche Mogelpackung.
Darum: Nein zur InitiativeDie Initiative ist in der Schweiz ein politisches Recht der ... „Der Kunde ist König“ vom 17. Juni 2012
Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide commentsDas Interesse an Sonntagsverkäufen ist gering ? Ich weiss ja nicht wo Sie wohnen, Frau Lauener, aber machen Sie doch mal einen Ausflug in die Stadt wo in den grossen Bahnhöfen die Läden am Wochenende offen sind.
Bringen Sie jedoch viel Geduld mit – den alle diese (desinteressierten ?) Konsumenten stehen Schlange an den Läden – jedes Wochenende ! Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass die Preise happig teurer sind als in den Läden, welche Standartöffnungszeiten haben, überrascht das Interesse noch viel mehr.
Alle kommen mit dem selben Spruch. Die Leute kaufen nicht mehr nur weil 7 Tage offen. 1. Falsch und 2. Engstirnig: Falsch, weil sicherlich mehr konsumiert wird da mehr Zeit zum Shoppen zur Verfügung steht. Diese Argumentation geht nahtlos in Punkt 2 über wo gestresste Arbeitnehmer sich am Wochenende, inkl. Sonntag, sich endlich Zeit nehmen können um zu poschten.
Zudem soll es ja keinen Oeffnungszwang geben. Wer nicht will muss nicht öffnen. Ist ja kein Problem da ja angeblich nicht mehr konsumiert wird, oder ? Die Skeptiker beissen sich mit ihrer Argumentation nämlich selber ins Bein.
Mogelpackung ? Ja Frau Lauener, dann muss Bern eben das Gesetz ändern. Man kann nicht Autos erlauben aber Pneus verbieten.
Grüezi Herr Steffen
Ihre Frage nach meinem Wohnort impliziert die Feststellung, dass ich wohl mindestens auf dem Mond zuhause sein müsste, wo die Regeln des freien Marktes (noch) nicht angekommen sind und ich dementsprechend ahnungslos vor mich hinlebe.
Ich kann sie beruhigen: ich wohne in der unmittelbaren Umgebung der grössten Schweizer Stadt, in der sogenannten Greater Zurich Area. Der Grossverteiler in unserem Ort nutzt unter der Woche die bereits vorhandene Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten und dementsprechend versorgen sich Einwohner aus dem Ort selber oder der weiteren Umgebung unter der Woche ausreichend mit Lebensmitteln. Das heisst unter der Woche bis 20.00 Uhr, am Samstag bis 17.00 Uhr.
Letztes Jahr startete eben dieser Grossverteiler einen Versuchsballon und nutzte einen weit verbreiteten Feiertag als zusätzliche Einnahmequelle. Selbstverständlich wurde im voraus dementsprechend auf das Angebot aufmerksam gemacht. Ich war neugierig und wollte erfahren, wie gross das Interesse denn wirklich war. Ich habe gähnende Leere, gelangweilte Verkäuferinnen und vereinzelt besetzte Parkplätze angetroffen.
Die Umfrage bezüglich Erweiterung der bereits bewilligten Sonntagsverkäufe in den Zürcher Gemeinden stammt nicht von mir, sondern wurde von der Zürcher Regierung in Auftrag gegeben.
Der Preis für eine ultimative Konsumgesellschaft ist mir persönlich einfach zu hoch: Es muss und soll doch einfach noch Zeiten geben, wo anderes als Shoppen im Zentrum unseres Lebens steht. Unsere Gemeinschaft existiert nicht durch den Konsum und den freien Markt alleine. Und wie schon beschrieben: für all jene, die wirklich nicht ohne sein können, gibts das Internet, Tankstellen oder – wie Sie ja selber beschrieben haben – die grossen Bahnhöfe in Ballungszentren.
Sg Frau Lauener,
Das zeigt deutlich, dass wir Gewohnheitsmenschen sind. Eine solche Spontanaktion bringt nichts – auch mit Werbung. Sie können davon ausgehen, dass 99% der Leute nicht gewusst haben, dass der Grossverteiler offen ist.
Die Bahnhofgrossverteiler sprechen eine deutliche Sprache – die Nachfrage ist vorhanden.
Ich weiss nicht warum sich jeder über diese Oeffnungszeitenproblem aufregt. Lasst doch die Shops öffnen wie sie wollen – 24/7 warum nicht ? Niemand wird gezwungen offen zu haben oder einzukaufen.
Aber ich weiss schon wo das Problem liegt. Die welche nicht offen haben wollen wissen, dass die anderen deren Geschäft versauen indem die Leute dann dort einkaufen wo offen ist.
Wenn die Argumentation der Gegener stimmt (das sowieso nicht mehr konsumiert wird) gibt es ja nichts zu befürchten – oder doch ?
@Frau Lauener Ob sich jemand neben dem shoppen noch für anders interessiert, hat jeder für sich zu entscheiden und nicht der Staat. Ich schreibe dies mit einer Shoppingallergie. Für mich gibt es nichts schlimmeres. Aber wie geschrieben, das ist niemandem vorzuschreiben.
Das für den Konsum zur Verfügung stehende Geld ist beschränkt. Wer am Sonntag mehr ausgibt, konsumiert unter der Woche weniger. Der Gesamtumsatz innerhalb der Schweiz bleibt also etwa gleich. Ausser wenn mehr im Ausland eingekauft wird. Durch längere Oeffnungszeiten steigen jedoch die Gesamtkosten. Unter dem Strich bleibt also schweizweit weniger Gewinn, wenn die Läden länger offen haben.
Auch wenn alle Läden in der ganzen Schweiz an allen sieben Tagen jeweils 24 Stunden offen haben dürften, würden nicht alle Läden dieses Recht in Kauf nehmen, weil es sich nur in manchen Fällen lohnen würde.
Wir könnten es also getrost den einzelnen Läden überlassen wie lange sie offen bleiben wollen. Es ist ihr Geld, wenn der Umsatz nicht stimmt.
Nun ist es aber so, dass in den Läden keine Verkaufsroboter stehen. Dort arbeiten Menschen. Wenn sie in der Nacht oder am Sonntag arbeiten, leidet ihr Sozialleben.
Wenn das Wohl der Beschäftigten im Zentrum steht, ist es sinnvoll Nacht- und Sonntagsarbeit auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken. Denn sobald die jetzt teilweise unterbeschäftigten Verkäufer durch die Verschiebung der Nachfrage in die Nacht und auf den Sonntag voll ausgelastet sind, müssen zwangsläufig mehr Leute arbeiten. Dies gilt es im Interesse dieser Menschen zu verhindern.
Meine Sie nicht, dass es Menschen gibt die lieber am Sonntag arbeiten und dafür am Mittwoch frei haben ? Zudem, wie Sie ja schon glauben zu wissen, wird sich der Stress im Abend- und Sonntagsverkauf in Grenzen halten.
Also ein Joggijob – auf diese Branche bezogen, natürlich.
Herr Karl Müller,
Es ist ja interessant, dass eben an den Festtagen und Wochenenden der meiste Stress in Familien und in den Ausgehlokalen, auf den Strassen entstehen.
Dann wenn diese Menschen nicht wirklich wissen was sie tun sollen, ….und einander auf die Nerven gehen.
Die Initiative ist klar anzunehmen. Der Staat hat dem Bürger nicht vorzuschreiben wann er einkaufen muss. Das entscheidet der Konsument mit seinem Konsumverhalten.
Frau Nicole Lauener,
Ich weiss echt nicht, wovor alle Angst haben.
Lassen Sie doch einfach den Konsumenten, sprich den Markt entscheiden, wer wann offen hat.
Eine liberale Gesellschaft brauch nicht endlos Gesetze und Vorschriften. Das wird sich alles von selbst regeln.
Also klares JA zur Initiative „Der Kunde ist König“ vom 17. Juni 2012