1. Wirtschaft

Kreativwirtschaft braucht eine starke Lobby in Bern

In der Schweiz sind rund 87’000 Per­so­nen in krea­ti­ven Be­rei­chen wie Mode, Ar­chi­tek­tur, De­si­gn, Thea­ter, Events, Gra­fik, Film etc. tätig und er­wirt­schaf­te­ten einen Um­satz von rund CHF 31 Mrd. pro Jahr. Al­leine im Kan­ton Zürich er­wirt­schaf­tet die­ser Clus­ter rund 4% des Brut­to­in­land­pro­d​uk­tes und ein Viel­fa­ches an im­ma­te­ri­el­ler Wertschöpfung.

Die Kreativwirtschaft besteht aus vielen Selbständigerwerbende​n, Freelancern, Ich-AG’s oder einfach KIK’s (Kreative innovative Kleinstunternehmen). Beinahe 80 % der Unternehmen bestehen lediglich aus einer oder zwei Personen. Die Regel sind befristete Arbeitsverträge, unregelmässige Arbeitszeiten und häufig ein tieferes Einkommen. Der Anteil an Selbständigen ist in der Kreativwirtschaft besonders hoch. Reguläre Einkommen sind eher die Ausnahme und stammen meistens aus Teilzeittätigkeiten. Das Unternehmerrisiko ist hoch, handelt es sich häufig um trendorientierte und damit volatile Märkte. In der Kultur- und Kreativwirtschaft gilt es nicht nur ein unternehmerisches Risiko einzugehen, sondern oft ist damit eine existenzielle Unsicherheit verbunden.

Seit Jahren wird darauf hingewiesen, dass die meisten Kultur- und Kreativschaffenden eine schlechte Vorsorge haben und immer wieder durch das Netz der Sozial- und Fürsorgeversicherung fallen. Die soziale Sicherheit dieses Wirtschaftszweiges ist ein Problem, welches früher oder später die Allgemeinheit durch das Steuersubstrat ausgleichen muss.

Mit der Annahme des neuen Kulturfördergesetzes im Jahre 2009 verpflichten sich Bund und Betriebe, den Kulturschaffenden einen Anteil der Auftragsgelder direkt an eine Berufliche Vorsorge des Kulturschaffenden zu bezahlen. Somit kann bis zu einem gewissen Grad die soziale Sicherheit dieser Berufsgruppen gewährleistet werden. Dennoch greift diese Regelung zu kurz. Sie regelt lediglich das Verhältnis zwischen Staat und Kulturschffende, die keine eigene Firma besitzen. Ich-AG’s, -GmbH’s und Kleinunternehmen sind von dieser Regelung ausgeschlossen. Der Bund kann höchstens prüfen, ob Beiträge an die 2. Säule ausbezahlt wurden, aber nur, wenn öffentliche Gelder im Spiel sind.

Selbständige UnternehmerInnen in der Kreativwirtschaft arbeiten jedoch häufig für andere, grössere Unternehmen. Und in einem hartumkämpften Marktumfeld bleibt dabei die soziale Sicherheit der betroffenen Auftragnehmenden häufig auf der Strecke. Beiträge an die 2. oder 3. Säule werden selten oder nicht bezahlt, da die Beitragsschwelle durch ständig wechselnden Arbeitsverhältnisse selten erreicht wird. Das starre 3. Säulenprinzip unserer Sozialversicherung muss dringend den aktuellen, volatilen Arbeitsverhältnissen angepasst werden. Die Zeche bezahlen letztlich die Steuerzahlenden, wenn Kreative am Ende ihrer Arbeitskarriere von der Fürsorge und Zusatzleistungen leben müssen. 

Mit der Kulturverordnung, die sich zur Zeit in der Vernehmlassung befindet, macht der Bund einen ersten wichtigen Schritt für die soziale Sicherheit ihrer auftragnehmenden Kulturschaffenden und Künstlern. Nun muss dieser Weg konsequent auch für Arbeitnehmende und Selbständigerwerbende​ in der Kreativwirtschaft weiterverfolgt werden. 

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Kreativwirtschaft braucht eine starke Lobby in Bern
  • Oktober 8, 2011

    Auch produktive Berufe wie Programmierer, Handwerker, Bauern etc. sind kreative Berufe! Bei den sogenannten “Kulturschaffenden”​ (eher Kulturzerstörenden) besteht die “Kreativität” vor allem im Geldabgreifen von der öffentlichen Hand. Dass sich die SP als deren Lobby betätigt, passt genau — ist aber nicht wirklich ein Wahlargument, ausser bei den Betroffenen selbst…

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  • Oktober 10, 2011

    Wie Recht sie haben, Herr Christoph Reuss,
    aber sie sind der genau gleiche Kültürbanause wie ich. Wir verstehen das einfach nicht, haben intellektuell keinen Zugang zu so immens wichtigen Themen, welche die Welt verändern.
    Kultur ist unser tägliches Leben, nicht irgend welche Weltfremden abgehobenen Träumereien …

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  • November 26, 2011

    Wer sich als Beruf eine der Fachschaften Mode, Design,
    Theater, Events, Grafik, Film etc. auswählt, dem sollte
    es bewusst sein, dass nur Überbegabte sich darin Brot
    und Butter verdienen können, und es ist denn auch nur
    eine kleine Elite, die reüssiert; der Rest lebt in der
    beschriebenen Art, schlecht und recht und sozusagen
    von der Hand in den Mund, den Vorteil der Selbständigkeit
    und Beinahe-Steuerfreihei​t geniessend. Dem Staat
    bringen diese Leute praktisch nichts. Die Gaukler und Künstler
    verstanden es, sich mit der verlogenen und elenden
    Eigenbezeich​nung „Kulturschaffende“ (er wird übrigens im
    „Wörterbuch des Unmenschen“ glossiert) vom gewöhnlichen
    Werktät​igen vermeintlich abheben zu lassen. Sie haben von
    sich aus ein Zigeunerdasein für sich bestimmt und kümmern
    sich kaum um ihre Altersvorsorge.

    Aus Herrn Katumbas Beitrag lese ich vage heraus, dass der
    Bund nun diese Kulturschaffenden (ich denke dabei natürlich
    auch an unsere diversen Hirschhorne) noch vermehrt
    alimentieren soll, und Herr Katumba winkt mit dem Zaunpfahl,
    dass diese sonst vermehrt der Fürsorge anheimfallen, zu Lasten
    der „Steuerzahlenden“ (es wird vermerkt, dass er, sich nebenbei
    auch selbst als sprachlicher Kulturbeflissener auszeichnend, den
    direkten Ausdruck „Steuerzahler“ vermeidet), als ob es nicht
    auf dasselbe hinauskäme.

    Da bin ich aber vehement dagegen, Herr Katumba, denn für
    diese kreativen Halbschmarotzer ist es angemessen, ihren
    Lebensabend kärglich, etwa in einem Wohnwagen mit externem
    Plumpsklo, zu verbringen.

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