1. Sonstiges

Mehr Dampf im Kampf gegen Cyberbullying

„Cyberwas?“, frag­ten mich meine Na­tio­nal­rats­kol­l​e­gin­nen und -kol­le­gen mit­lei­dig lächelnd, als ich vor vier Jah­ren mei­nen Vor­stoss „Schutz vor Cyberbullying“ ein­reich­te. Ein C-The­ma, wel­ches nie­man­den in­ter­es­sie­re, sei dies, mein­ten sie. Und sie hat­ten Recht.

„So etwas gibt’s nur im Ausland“

Bereits 2006 hatten die CVP-Frauen Anlässe zur Fertigmacherei mithilfe neuer Medien wie Facebook, Twitter, Chats, usw. organisiert (im Fachjargon Cyberbullying oder vereinfacht Cybermobbing genannt). Die Anlässe waren gut dotiert mit Experten aller Couleur – doch das Publikumsinteresse tendierte gegen null. Auf dem Land hiess es: „So etwas passiert nur in der Stadt“. In der Stadt meinte man: „So etwas gibt’s nur im Ausland.“ Und alle waren sie sich einig: „Mobbing hat es schon immer gegeben. Was ist schon dabei? Dann müssen die Eltern halt noch etwas mehr Verantwortung übernehmen…“

„Warum tut niemand etwas dagegen?“

Wie wir heute wissen, hat sich die Ausgangslage in Warpgeschwindigkeit verändert: Cyberbullying gehört längst zum Alltag. Während in benachbarten europäischen Ländern die Mühlen schneller mahlten und man der Bedrohung mit Information und Prävention zu Leibe rückte, ging die Schweiz den steinigsten Weg: die Massnahmen entwickeln sich im Gleichschritt mit der Menge und der Schwere der auftretenden Fälle. Wir haben den Unterschied zwischen Mobbing auf dem Pausenplatz und Mobbing im Internet nicht erkannt: Das Internet ist ein öffentlicher Raum, der nie vergisst und auf dem Informationen und Bilder unheimlich rasch verbreitet werden können und so Mobbing eine unheimliche Kraft verleihen. Jedoch: Je mehr aktuelle Fälle bekannt wurden, desto mehr interessierten sich die Menschen für mögliche Gegenmassnahmen. Die Ränge füllten sich. Einige der Fragen, die nun gestellt werden, sind: „Warum hat uns das niemand gesagt? Warum tut niemand etwas dagegen?“

Dampf machen statt Resignieren

Die Entwicklung in der Schweiz wäre ein Grund, um sich masslos zu ärgern und an den Leiden der Opfer zu verzweifeln. Aber zum Glück funktioniere ich nicht so und so nahm ich dies zum Anlass, erst recht Druck zu machen. Das in meinem ursprünglich belächelten Vorstoss formulierte Anliegen, ein umfassendes Massnahmenpaket zu Cyberbullying zu erstellen, wurde wohlwollend aufgenommen und in zwei Gesamtpakete integriert. Noch fehlen konkrete Resultate und meine zweite Forderung, einen Beauftragten für Cyberbullying einzusetzen, wurde vom Bundesrat abgelehnt. Aber ich bleibe dran, denn: Das Problem Cyberbullying nimmt mit der technischen Entwicklung weiter zu. Stand heute ist, dass zum Beispiel innert Sekunden mit einem Mobiltelefon aufgenommene Filmsequenzen, die das Verprügeln von Mitschülern zeigen, im Internet per E-Mail, über Chatrooms, Instant-Messaging oder Video-Portale wie YouTube hunderttausenden von Internetnutzern zugänglich gemacht werden können. Wer früher auf dem Pausenplatz gemobbt wurde, wird heute innert kürzester Zeit international und in bewegten Bildern an den Pranger gestellt.

Ein wesentlicher Faktor dabei ist der hohe Anonymitätsgrad im Cyberspace: Niemand kann sich sicher sein, wer tatsächlich hinter Chatpartnern oder „Freunden“ in sozialen Netzwerken steckt. Und aus dieser Anonymität heraus lässt sich einfacher Unheil verbreiten. Dies müssen wir angehen.

Internation​ale Zusammenarbeit statt isolierter Schleichgang

Cyberbu​llying ist mittlerweile zu einem regelrechten Medienhype geworden. Die Journalisten durchforsten das Netz aktiv auf der Suche nach einer guten Story. Bis hin zu den ganz seriösen Medien ist das Thema beim Gros der Journalisten angekommen. Was dereinst ein C-Thema war, gehört heute zu den Problemen der Gegenwart, aber auch der Zukunft: Wir sind noch längst nicht da, wo wir hinmüssen und es wird weiterhin Opfer geben, deren Schicksal sich hätte abwenden lassen. Und gerade weil uns das benachbarte Ausland einige Schritte voraus ist, würde es hier besonders viel Sinn machen, sich den internationalen Bemühungen im Kampf gegen Cyberbullying anzuschliessen, statt weiterhin den globalen Entwicklungen im Alleingang hinterherzuhinken. Aufs Tapet damit, jetzt.

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Mehr Dampf im Kampf gegen Cyberbullying
  • September 3, 2012

    Liebe Frau Schmid-Federer
    Ich findes es ja notwendig und äusserst sinnvoll das Thema auch in die Politik zu tragen und Ihre Ratskolleginnen und Ratskollegen aufzuklären.
    Aber wo sind Ihre Ansätze und Ideen, die Problematik in die Hand zu nehmen? Ich finde in Ihrem Artikel keinen einzigen Punkt, an dem man anknüpfen könnte.
    Wenn Sie sich, und das ist in höchstem Masse unterstützenswert, schon um die digitale Gesellschaft kümmern wollen, dann bitte nicht indem Sie die erwähnten provokativen Medienberichte selber noch weiter hochspielen aber keine Vorschläge zur Verbesserung der Situation bringen.
    Ich würde mich freuen, wenn Sie hier konkret werden könnten, damit wir die Möglichkeit haben, Sie und Ihre Partei zu digitalen Themen einordnen zu können.

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    • Juli 19, 2021

      Wie Sie dem Text entnehmen können ; -) habe ich ja bereits Vorstösse dazu eingereicht: http://www.parlament.​ch/d/suche/seiten/res​ultate.aspx?collectio​n=CV&gvk_urh_key=PER_​3904_ Auf der einen Seite müssen wir präventiv handeln, d.h. Es gibt zwei Ansätze: 1. Prävention, d.h. Medienkompetenz fördern, insbesondere an Schulen, 2. Gesetzeslücken schliessen. Siehe Link.

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    • Juli 19, 2021

      Liebe Frau Schmid-Federer

      ich​ habe mir Ihre Motionen und Anfragen sehr wohl angeschaut, bin aber leider auf keine wirklich konstruktive Vorschläge gestossen. Es hilft nichts, wenn man wie in Ihrem Fall nur auf Repression setzen will. Und ganz ehrlich Frau Schmid-Federer, einfach nur auf “Medienkompetenz vermitteln” einen Hinweis anzubringen, nutzt wirklich niemandem etwas.
      Wie gesagt, ich begrüsse Ihr Engagement in dieser Sache und erfreue mich auch an den vielen Vorstössen im Parlament. Das zeigt, dass Ihnen diese Probleme am Herzen liegen. Aber nur die Strafverfolgung oder die verdeckte Ermittlung im Internet in Gesetzesartikel zu verpacken ist keine Lösung.
      Was wir brauchen ist eine umfassende Bildung, die nicht alleine auf das Internet ausgerichtet ist, sondern die eben Sozial- und Medienkompetenz, aber auch stufengerechte Sexualkunde und einen unabhängigen Ethikunterricht bietet. Nur so können sich Menschen selbstbewusst, fair und sicher in der Gesellschaft bewegen.
      Das Internet ist lediglich ein Werkzeug. Die Inhalte und der Umgang wird von Menschen bestimmt.

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    • Juli 19, 2021

      Ich teile Ihre Meinung absolut und bleibe auch an diesem Thema dran. Aber vergessen Sie nicht, dass Bildung kantonal geregelt ist, was es nicht einfacher macht für mich.

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  • September 3, 2012

    Was Frau Schmid-Federer sagt, stimmt sicher alles. Aber: Was sind ihre Vorschläge konkret ? Was beinhaltet das geforderte Massnahmenpaket gegen Cybermobbying ? Oder hat Frau Schmid-Federer noch keine konkreten Vorstellungen und erwartet die Vorschläge des BR ? Der Beitrag ist leider wenig hilfreich, da wenig konkret, wie schon M. Baur zu Recht feststellt.

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  • September 4, 2012

    Mensch oder Technik, wer ist Schuld?

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    • Juli 19, 2021

      Das ist für mich keine Schuldfrage. Der Mensch muss nur lernen, korrekt mit neuen Medien umzugehen. Sozial korrekt.

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  • September 4, 2012

    Verschiedene Autoren rufen nach konkreten Ideen. Eine ist sicher, Medienkompetenz fest in den Lehrplänen zu verankern – man hört ihn immer wieder. Ebenso routiniert wird dem entgegnet, die Lehrerinnen und Lehrer hätten dazu keine Zeit, es gebe schon zuviele Fächer (und zuviel Administration).

    Nun denn: Streichen wir doch Lesen und Schreiben aus den Lehrplänen. Das mag provokativ wirken, ist aber ernst gemeint: Lesen und Schreiben können die Eltern ihren Kindern selber beibringen – Medienkompetenz oft nicht. Die Schule soll da einsetzen, wo die Kompetenz der Eltern endet.

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    • Juli 19, 2021

      Die “Medienkompetenz” in Sachen Facebook ist sehr einfach: Schreibe nichts hinein, das du nicht auch an eine Plakatwand in deinem Wohnquarteier schreiben würdest! Rechne damit, dass alles einmal öffentlich werden könnte.
      Dafür braucht es kein Schulfach. Das kann bestens und in kurzer Zeit in den bestehenden Fächern vermittelt werden. Ob die Jugendlichen den Rat dann auch beherzigen, ist natürlich eine andere Frage. Aber das könnten auch mit zehn Medienkompetenz-Lekti​onen pro Woche nicht garantiert werden.

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    • Juli 19, 2021

      “Schreibe nichts ins Facebook, das du nicht auch an eine Plakatwand in deinem Wohnquarteier schreiben würdest” ist in der Tat eine gute Regel. Aber Medienkompetenz geht etwas weiter. Ein Punkt wäre: Verstehe die verstecken Mechanismen von Apps und lerne einzuschätzen, wer mit Deinen Daten was anstellt. Und dann ist “Medienkompetenz” natürlich nicht nur ein Facebook-Thema…

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    • Juli 19, 2021

      Natürlich ist Medienkompetenz ein weiteres Feld als nur Facebook. Durchaus auch ein interessantes. Trotzdem finde ich, dass man das Thema besser in andere Fächer (Deutsch, Mathe, Fremdsprachen,…) hineinnimmt.

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  • September 4, 2012

    Guten Tag,

    Eine “Kollegin” schrieb etwas in ihr Facebook, was mir gar nicht gefallen hatte.

    Also telefonierte ich der Polizei, um eine Anzeige wegen Verleumdnung zu machen. Worauf der Polizist meinte, er regle das mit einem Gespräch. Er telefonierte ihr, sagte ihr, ab jetzt, Datum Zeit, kontrollierre er ihr Konto, wenn etwas enthalten sei über mich das verleumdnerisch ist, werde er bei einer Klage als Zeuge auftretten. Sie solle diese Beiträge jetzt löschen und in Zukunft unterlassen.

    Probl​em erledigt und es kamen ja fragen weil es schon gelesen wurde, aber die 2 hatte nicht ich am Rücken!!!

    Es braucht einfach ein Gesetz, dass solche Verleumdungsaktionen genügend hart bestraft und eine Stelle, die den Ist-Zustand im Netz auf Anfrage sichert. Mehr nicht und es braucht nicht neue Kontrollen und keine Gesetzesflut.

    Die Anonymität ist beizuhalten!!!

    Lie​be Grüsse Kurt Nünlist

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    • Juli 19, 2021

      Gut gemacht. Beim Fall Manuel 13 musste der Täter freigelassen werden wegen Gesetzteslücke. Die gibt es schon.

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    • Juli 19, 2021

      Die Anonymität liegt mir einfach auch am Herzen.

      – Ich bin 13 Jahre alt und mein Penis ist erst 10 cm gross, ist das normal?
      – Mein Bruder belästigt mich, was soll ich machen?
      – Ich habe Stimmungsschwankungen​ und der innere Antrieb fehlt mir..
      – Hilfe mein Mann schlägt mich und ich kann mich nicht von ihm trennen.
      – Mein Freund hat mich verlassen, wie bringe ich diese Leere weg?
      – Ich habe keinen Hunger mehr und muss alles erbrechen was ich esse..
      – …….

      Millionen von Fragen die gestellt werden weil man anonym ist. Anonymität hat auch positives und ich denke nicht dass es gut wäre, wenn man im Netz nicht mehr anonym ist. Die Anonymität ist nur bei begründeten Einzelfällen aufzuheben.

      Liebe Grüsse Kurt Nünlist

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    • Juli 19, 2021

      Ja, bloss wenn “Anonym” minderjährige Kinder sexuell missbraucht, dann ist etwas dagegen zu tun.

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    • Juli 19, 2021

      Ja sicher ist dann etwas zu tun. Dies ist heute schon möglich. Die IP-Adresse ist ja bekannt.

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    • Juli 19, 2021

      Dass das Internet in vielen Fällen schon “der grosse Bruder” ist und als Ratgeber für kleinere und grössere Probleme dienen muss – dies ist schon sehr traurig und dazu war das kürzlich im Magazin abgedruckte Interview mit der MIT-Professorin Turkle “Weniger Internet bitte!” aufschlussreich. Man kann nur hoffen, dass wir alle den Wert eines direkten menschlichen Kontakts wieder so hoch achten, wie wir es sollten – und dass die Lehrpersonen dies auch unserer Jugend vermitteln. Das wäre ein zentraler Inhalt von Medienkompetenz-Unter​richt. In dem Sinn würd ich mir wünschen “weniger Anonymität bitte!”. IP-Adresse hin oder her.

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