Jeder Kanton soll die Zahl seiner Grenzgänger selber festlegen: Dies verlangt eine Standesinitiative, die der Tessiner Grosse Rat am Montag verabschiedet hat – es ist bereits die dritte.
Das Tessin steckt in einer paradoxen Situation. Es braucht die Grenzgänger aus Italien für die Industrie, die Spitäler und den Tourismus. Ungeklärt ist die wachsende Flut der «frontalieri» (Grengänger), Auch arbeiten die „frontalieri“ zu Niedrigstlöhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen. Mit 60’000 „frontalieri“ pro Jahr ist für die Tessiner Parteien die Schmerzgrenze überschritten:
Nun muss Bundesbern endlich handeln !
Die Tessiner Parteien haben etliche Vorstösse präsentiert (ohne Erfolg in Bern):
So hat am Montag der Tessiner Grosse Rat bereits die dritte Standesinitiative verabschiedet. (Siehe oben !) Gegen den Willen der SP wurde sie mit 63 zu 14 Stimmen gutgeheissen.
Die Tessiner Grünen im Grossen Rat wollen eine Vorlage zur Abstimmung bringen, welche in Grenzregionen die Schaffung von Sonderzonen verlangt. In diesen sollen Massnahmen gegen die vor allem negativen Folgen der Personenfreizügigkeit zur Anwendung gebracht werden. Ende Februar verabschiedeten eine Mehrheit aus Lega, SVP, SP und Grünen die Vorlage in Form einer Standesinitiative.
Kürzlich haben nun die Grünen mit der Lega eine MotionEine Motion ist ein Handlungsinstrument der Parlamentarier d... eingereicht: Der Anteil der Quellensteuer, der an Italien ausbezahlt werden müsste, soll zurückbehalten werden, um Druck auf Bern und Rom auszuüben.
Bereits kurz vor dem 9. Februar hatte der Grosse Rat auf Anregung der FDP fast einstimmig eine Standesinitiative beschlossen. Bern solle das seit 1974 bestehende Abkommen mit Italien neu aushandeln.
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf weist diese Forderung explizit zurück. Laut der Magistratin sieht das Grenzgänger-Abkommen keine Klausel zur einseitigen Kündigung vor. (muss ein Ankommen überhaupt solche Klauseln vorsehen ? jeder Vertrag ist einseitig kündbar, Konsequenzen müssten in Kauf genommen werden) Es ist ein wichtiger Bestandteil des Doppelbesteuerungsabkommens, über welches Bern mit Rom verhandelt, sagt Frau Widmer Schlumpf. Die Bundesrätin bei einem Blitzbesuch versichert dem Tessiner Staatsrat : Sie wolle sich für ein «günstigeres» Abkommen einsetzen.
Das sind keine konkreten Zugeständnisse. Was bedeutet, „ich will mich einsetzen“ ? Italien wird nie auf dieses Abkommen verzichten, es sei denn es wird gekündigt. Die Antworten von Frau Bundesrätin Widmer Schlumpf sind juristisch spitzfindig, aber es ist in kein politisches Handeln. Es braucht bei diesen Verhandlungen politisch klare Positionen. Ich denke nicht, dass die Tessiner Politiker (zusammen mit den Tessiner National- und Ständeräten) solche Forderungen stellen, wenn es unmöglich und unsinnig wäre. Das Vorgehen der Finanzministerin wird im Tessin Hass schüren und den sozialen Frieden gefährden.
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Kommentare anzeigen Hide comments“Ich denke nicht, dass die Tessiner Politiker (zusammen mit den Tessiner National- und Ständeräten) solche Forderungen stellen, wenn es unmöglich und unsinnig wäre.”
Herr Jossi, ist das die ‘Frage’, die wir beantworten sollen? Unsinnig JA oder NEIN, solche Forderungen zu stellen?
Einige Zeilen vorher teilen Sie uns mit, das Tessiner Parlament habe eine Standesinitiative, welche ein Sonderstatut für die Grenzgängerkantone verlangt, bereits angenommen. Es steht darin aber nicht, ‘jeder Kanton soll die Zahl seiner Grenzgänger selber festlegen’.
“Der Tessiner Grosse Rat fordert ein Sonderstatut für den Kanton Tessin. Eine entsprechende Standesinitiative der Grünen wurde nach kontroverser Debatte mit 40 zu 25 Stimmen angenommen. (…)”
http://www.blick.ch/news/ausland/tessiner-grosser-rat-fordert-mit-standesinitiative-sonderstatut-id2689210.html
Oder ist diese Standesinitiative die unsinnige Forderung, auf die wir reagieren sollen, oder Ihr Titel: “Nun muss Bundesbern handeln (…)”
Wir können Ihren Titel nicht mit JA oder NEIN beantworten. Bedeutet er, dass nun der Bund diese Initiative umsetzen oder sie ablehnen muss?
Sehr geehrter Herr Willibald von Wildenstein
Für Ihre Ausführungen danke ich. Leider konnte ich über Sie im Profil nichts lesen.
Ich weiss aus Ihrer Antwort, dass Sie Blickleser sind und ihr Name lässt auf ein deutsches Adelsgeschlecht schliessen.
Ich habe keine Frage gestellt, die Sie beantworten sollen.
Ich wollte mit meinem Artikel zeigen, dass der Tessiner Staatsrat Verschiedenes versucht, um der Misere im Tessin Einhalt zu gebieten. Da in der FDP viele Politiker Anwälte sind, glaube ich dass die letzte Forderung an Bundesbern gut überlegt war.
Wenn der Bund das Abkommen mit Italien nicht auflösen will, dann soll er echte Alternativen bieten, damit der Zunahme der Grenzgänger sofort Einhalt geboten wird.
Bis anhin hat die Finanzministerin Widmer Schlumpf in dieser Angelegenheit nichts Konkretes geboten. „ich werde mich einsetzen“ … ist kein Angebot.
Von den Lesern meines Artikels (somit auch von Ihnen) erwarte ich, dass sie die Probleme der italienischen Schweiz ernst nehmen und von dieser Problemen erzählen, wo sie sich gerade befinden.
Uebrigen s an der Strasse, wo ich wohne sind 13 neue Häuser gebaut worden. Alle sind verkauft. Ich bin der einzige Schweizer.
Willibald von Wildenstein
Die Lösung liegt sehr nahe. Es dürfen soviele italienische Grenzgänger in die Schweiz kommen, wie schweizerische Grenzgänger in die Lombardei arbeiten gehen.
Das wäre eine Lösung, leider hat die Schweiz einen so schlechten Vertrag ausgehandelt, dass dies unmöglich ist.
Otto Jossi
Die EU reitet doch auf der Personenfreizügigkeit und verdammt die Kontigentierung. Wir könnten die Personenfreizügigkeit doch weiterführen, indem wir die Bestimmung erlassen, dass nur soviele Einwanderer pro Jahr kommen können, entsprechend der durchschnittlichen prozentualen jährlichen Einwanderungszahlen sämtlicher anderer EU-Staaten ;-)))
Eventuelle Möglichkeit: Keine Kontigentierung, sondern Personenfreizügigkeit im Rahmen des Durchschnitts, was andere EU-Länder an Einwanderung haben (Deutschland z.B. 8,3%)
Danke für Ihre Antwort Herr Safado,
Das was Sie vorschlagen ist auch eine Art Kontigentierung, Ackermann , ehemaliger Chef der deutschen Bank und Schweizer, hat einen Vorschlag in dieser Richtung gemacht. Er will, dass ein Land die Einwanderung regulieren kann, wenn der %- Satz der Ausländer über 15% steigt. IM Tessin ist es aber der Grenzgängervertrag mit Italien, der dem Tessin schadet. Mit keinem anderen Land haben wir einen derart schlechten Vertrag.
Die Tessiner/innen mit höherer Bildung in der Arbeitsmarktregion Lombardei/Tessin sind auch auf die Stellen in in der Lombardei angewiesen. Die Grenzgänger/innen pendeln also in beide Richtungen. Was stört, ist nur die Grenze, so lange wir nicht in der EU sind.
Falsch Herr von Wildenstein
Theoretisch könnten Sie Recht haben. Aber AuslämderIhnnen sind in Italien nicht willkommen. Es werden ihnen bürokratische Hürden gestellt, so dass eine Arbeitsaufnahme quasi unmöglich ist.