1. Sonstiges

Ode ans Milizsystem

Das Mi­liz­sys­tem hat in der Schweiz eine lange Tra­di­tion, die ursprünglich auf den Ge­dan­ken der Ein­heit von Bürger und Sol­dat zurückreicht. Mon­tes­quieu, Jean-Jac­ques Rous­seau oder auch Im­ma­nuel Kant ver­lang­ten be­reits die Be­waff­nung des Volks und das Ver­bot eines ste­hen­den Hee­res. Das Mi­liz­sys­tem wurde von An­fang an auf die Po­li­tik aus­ge­dehnt. Schon früh hatte ein Jungbürger den Eid ab­zu­le­gen, dem Va­ter­land zu die­nen, und so war es üblich, dass wich­tige Staats­stel­len nicht von fest an­ge­stell­ten Ma­gis­tra­ten oder Be­am­ten, son­dern von Bürgern ein­ge­nom­men wur­den. Bis heute ist unser öffentliches Leben geprägt vom Ge­dan­ken, dass ein befähigter Bürger ne­ben- oder eh­ren­amt­lich öffentliche Ämter zu übernehmen hat. Schliess­lich fand das Mi­liz­sys­tem auch Ein­gang in den pri­va­ten Be­reich, da die durch die Frei­heits­rechte ga­ran­tierte Ver­samm­lungs- und Ver­ei­ni­gungs­frei­​heit immer auf frei­wil­lige Mit­ar­beit an­ge­wie­sen war. Ver­ein­s­auf­ga­ben wur­den eh­ren­amt­lich übernommen, womit sich das Mi­liz­we­sen mit der Zi­vil­ge­sell­schaft​ ver­band.

Das Milizsystem wird heute in der Politik vor allem von linker Seite arg strapaziert. Mit parlamentarischen Vorstössen wird versucht, das Parlament in ein vollamtliches Profigremium umzugestalten und die Entschädigung für die Parlamentarier zu erhöhen. Damit wird unsere Tradition torpediert, dass sich ein Schweizer Parlamentarier seinen Lebensunterhalt in der freien Marktwirtschaft erarbeiten soll. Dabei ist es ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dass sich in einem Milizparlament Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und beruflichen Erfahrungen treffen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass diese Vielfältigkeit zu weitreichenderen Visionen und zu reichhaltigeren Lösungen führt, als dies in einem Profiparlament möglich ist. Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass die Vereinigung eines Berufs- und eines Parlamentarierlebens ein grosses organisatorisches Geschick und vor allem sehr grosses Verständnis des Arbeitgebers, der Mitarbeiter und der Familie erfordert. Im heutigen Umfeld, in dem die Mitmenschlichkeit oft einem gewinnmaximierten Denken untergeordnet wird, ist es keine Selbstverständlichkei​t mehr, dass einem Arbeitnehmer das Ergreifen einer nebenamtlichen politischen Tätigkeit oder einer ehrenamtlichen Vereinsarbeit ermöglicht wird. Deshalb gebührt allen Arbeitgebern und Unternehmern, die ihren Mitarbeitern diese Freiheit einräumen, grosser Dank. Aber nur, weil wir diesbezüglich vor einer Herausforderung stehen, heisst dies noch lange nicht, dass sich das seit langem bewährte System überlebt hat.

Die Forderung nach einem Profiparlament sendet zudem ein falsches Signal an alle aus, die sich ehrenamtlich in einem Verein engagieren oder die sich in irgendeiner Art für öffentliche Interessen einsetzen. Denn auch diese Arbeit braucht Zeit und ist eine Herausforderung an das Organisationsgeschick​ ganzer Familien, und dennoch wird sie in unzähligen unbezahlten Stunden gerne geleistet. Unsere tiefe Staatsquote kann nur dank diesem grossen freiwilligen Einsatz aufrecht erhalten bleiben.

Die Befürworter eines Profiparlaments befürchten, nebenamtliche Tätigkeit verleite dazu, möglichst viele Mandate anzunehmen. Diesem berechtigten Einwand ist nur mit Transparenz beizukommen. Schlussendlich wird sich jeder Politiker gegenüber seinen Wählern verantworten und erklären müssen, wenn er sich in unzähligen Interessenbindungen verstrickt und sich damit dem Vorwurf aussetzt, nicht mehr unabhängig und damit nicht mehr im Interesse seiner Wähler zu agieren.

Die Forderung nach einer Erhöhung der Entschädigung für nebenamtliche Parlamentarier dient den Befürwortern ebenfalls dazu, in Salamitaktik auf ein Profiparlament hinzuarbeiten. Jeder Kandidat, der sich der Wahl stellt, kennt die Rahmenbedingungen des Amts. Wer damit nicht einverstanden ist, muss sich einer Wahl nicht stellen. Ein Nationalrat verdient inklusive aller Nebenleistungen im Jahr rund CHF 130‘000. Das ist für ein Nebenamt genug, auch wenn die mit dem Amt einhergehenden Spesen und Investitionen hoch sind. 

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Comments to: Ode ans Milizsystem
  • April 10, 2012

    Wir haben bereits ein Profiparlament. Wer 50% oder mehr dafür arbeitet ist Profi und nichts anders. Sogenannte Mandate sind für mich kein Arbeit. Das ist erlaubte Korruption. Das Ehrenämter ziemlich lukrativ sein können, dass hat gerade Frau Fiala gezeigt.

    Ein Nationalrat oder Ständerat ist zu mindestens 50% Berufspolitiker und viele sind das bereits jetzt zu 100%. Vor allem die Bekannteren aus allen Parteien könnten sonst nicht andauernd irgendwo zu sehen sein. Wie die drei Uni-Zürich-Professore​n das mit ihrer Stelle vereinbaren können, entzieht sich meiner Kenntnisse. Da muss die Uni beide Augen zudrücken.

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  • April 10, 2012

    Als Milizpolitiker werden die bezeichnet, die zum größten Teil im Bedarfsfall aufgestellt werden. Sie sind meisten ehrenamtlich ohne Geldspritze von Bund tätig oder soll die neue Initiative von Oswald Sigg 2000 Franken für jedermann dazu verhelfen ?

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  • Oktober 11, 2016

    Zu Beginn der Legislaturperiode dürfen die Parlamentarier/innen im National- und Ständerat ihre Entschädigungen erhöhen. Das haben sie anfangs Juni 2012 getan. Sie bekommen seither 1000 CHF mehr pro Jahr.

    (handelszeit​​ung.ch/politik/gehal​t​serhoehung-fuer-sch​we​izer-parlamentarie​r-3​31120)

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