1. Sonstiges

Regelwerk zur Migration

Die Union ist sich ei­nig: Wor­auf sich CDU und CSU im De­tail einigten

„Rhein-Necka​​​​r-Zeitun​g“ (RNZ) vom Dienstag den 10.20.2017; von Tobias Schmidt, RNZ Berlin

Die „Quadratur des Kreises“ auf 35 dürren Zeilen – länger ist das „Regelwerk zur Migration von CDU und CSU nicht.

Für hunderttausende Flüchtlinge könnten die Vereinbarungen große Auswirkungen haben, wenn sie umgesetzt werden.

Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer jubeln, sehen in der Einigung auf eine „Obergrenze light“ eine gute Grundlage für den Start von Jamaika-Verhandlungen​​​​​ mit Grünen und FDP.

Ganz so stabil sind die Pflöcke zur Begrenzung der Zuwanderung allerdings nicht, die Merkel und Seehofer mit ihrem knappen Papier eingerammt haben. Gesichtswahrung für den bayerischen Ministerpräsidenten, auch CDU-Chefin Merkel sieht sich bestätigt, weil das Grundrecht auf Asyl unangetastet bleibt.

Beste Jamaika-Stimmung nach der Einigung der Schwesterparteien, aber was bedeutet der Deal für die Betroffenen?

Hintergr​​​​​ünde zum Unions-Deal:

> „Obergrenze light“:

Pro Jahr sollen nicht mehr als 200 000 Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge sowie deren Familienangehörige von Deutschland aufgenommen werden.

Allerdings wird die Zahl nur als Ziel beschrieben, das erreicht werden soll. Es handelt sich um eine Netto-Zahl: Diejenigen, die abgeschoben werden oder freiwillig zurückkehren, werden herausgerechnet.

Unte​​​​​r dem Strich könnten also mehr als 200 000 Menschen aufgenommen werden.

Überdies ist die Zahl nicht in Stein gemeißelt. Die Bundesregierung „und der Bundestag“ sollen den Deckel korrigieren, wenn die Zahl „wider Erwarten durch internationale oder nationale Entwicklungen nicht eingehalten werden“ kann.

Durch die Einschaltung des Bundestages kann es also keine Alleingänge der Regierung wie im Sommer 2015 mehr geben.

Und wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert, könnten weniger Menschen aufgenommen werden.

> Asylrecht und Flüchtlingsschutz:

Tr​​​​​otz der angestrebten Begrenzung muss niemand, der politisch verfolgt wird, fürchten, keinen Asylschutz in Deutschland mehr zu erhalten. Dies gilt allerdings nur für rund ein Prozent aller Neuankömmlinge.

Auch Kriegsflüchtlinge, denen bei einer Abschiebung kein menschenwürdiges Leben mehr möglich wäre, dürfen nicht abgewiesen werden: „Wir bekennen uns zum Recht auf Asyl im Grundgesetz sowie zur Genfer Flüchtlingskonvention​​​​​ und zu unseren aus dem Recht der EU resultierenden Verpflichtungen zur Bearbeitung jedes Asylantrags“, lautet der zweite Satz in Merkels und Seehofers „Regelwerk“.

Die Grenze von 200 000 steht daher nur auf dem Papier. Eine tatsächliche Abweisung des 200 001. Asylbewerbers oder Kriegsflüchtlings wäre nicht zulässig.

Allerdings werden Kriegsflüchtlinge ihre Familien auf absehbare Zeit nicht nachholen dürfen, wenn sie subsidiären Schutz erhalten. Der Familiennachzug für diese Menschen „bleibt ausgesetzt“, haben sich die Unionsspitzen festgelegt. Menschenrechtsorganis​​​​​ationen wie Pro Asyl, aber auch Kirchen sehen dies sehr kritisch.

> Entscheidungs- und Rückführungszentren:

Deren bundesweite Einführung hätte für Flüchtlinge und Asylbewerber die gravierendsten Folgen.

Derzeit werden sie nach ihrer Erstunterbringung und Registrierung auf die Kommunen verteilt und können ein weitgehend normales Leben oft inmitten von Städten führen, bis über ihre Anträge endgültig entschieden ist, was derzeit in komplizierten Fällen sieben bis zwölf Monate dauert.

Nach dem von der CSU durchgedrückten Konzept sollen künftig „alle Neuankommenden“ bis zum Asylbescheid in diesen Zentren bleiben und bei einer Ablehnung direkt von dort abgeschoben werden. Als Vorbild dienen große Einrichtungen in Heidelberg sowie im bayerischen Manching und Bamberg.

Flüchtlingso​​​​​rganisationen beklagen, die Menschen würden in Manching und Bamberg in „Lager“ auf dem Lande verbannt und isoliert, hätten dort keine angemessenen Zugang zu rechtlicher Beratung. Ein „Desintegrationsprogr​​​​​amm“ und „Abschreckungspolitik​​​​​“ beklagte Pro-Asyl-Geschäftsfüh​​​​​rer Günter Burkhardt gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. „An Entrechtungsprogramme​​​​​n werden wir uns nicht beteiligen“, sagte auch Grünen-Chefin Simone Peter. Ihr Kollege Cem Özdemir reagierte weniger scharf, erwartet aber „Erklärungen“ aus der Union.

> Sichere Herkunftsländer:

Migr​​​​​anten aus Marokko, Algerien und Tunesien könnten nach ihrer Ankunft sofort wieder zurückgeschickt werden, würden diese Länder – wie von der Union gefordert – zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Auch Abschiebungen von Menschen, die bereits in Deutschland leben, würden erleichtert. Die Grünen haben die Aufnahme der drei Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Drittländer bislang über den Bundesrat verhindert.

> Arbeitsmigration:

Wie​​​​​ viele Menschen sich Hoffnung machen können, in Deutschland arbeiten zu dürfen, bleibt im Unionspapier völlig vage. Dort heißt es lediglich: „Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften fehlt.“ Die Pläne von FDP und Grünen gehen schon wesentlich weiter. Insbesondere die Liberalen wollen Hochqualifizierten ermöglichen, in Deutschland zu arbeiten.

Region Heidelberg vom Dienstag, 10. Oktober 2017, Seite 2

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