Kennen Sie den Spruch: “Ein schönes Gesicht braucht Platz?” Damit wird die Lichtung beschrieben, die auf dem Kopf entsteht, wenn die Haare freier Fläche weichen. Auch eine schöne Stadt braucht Platz. Das ist einer der Vorzüge Zürichs. Über den See schweift der Blick in die Weite, aufgehalten nur vom weiss glänzenden Alpenkamm. Aber, sagen Stadtrat und Mehrheit des Gemeinderates, eine Stadt braucht angemessene Plätze. Das sagen sie seit längerem. Drum haben wir Erfahrung mit diesen architektonisch wertvollen, offenen, sauberen, mit Bauminseln und Einbauten wie Türmen oder “Treibhäusern” “möblierten”, zum Flanieren und Verweilen einladenden, sehr teuren und meistens leeren Plätzen. Neu Oerlikon legt Zeugnis davon ab. Nun soll auch der Sechseläutenplatz zu einem solchen architektonischen Wunder mutieren. Lassen wir den Beschrieb des Stadtrates für sich sprechen: “Bei der Gestaltung stehen drei Grundprinzipien im Vordergrund: die optische Öffnung des Platzes, die Begrünung und die flexible Nutzung. Die Oberfläche des Platzes wird grösstenteils aus Valser-Quarzit bestehen. Verschiedene Elemente prägen den Platz: Bauminseln werden Schatten spenden und den Platz begrünen, Sitzelemente und ein Wasserspiel werden aus dem Sechseläutenplatz einen grosszügigen, ästhetisch überzeugenden Stadtplatz machen.” Der Valser-Quarzit ist leicht grünlich. Das soll wohl an die vordem bestehende Wiese erinnern. Zwar sind das Sechseläuten und der Zirkus Knie als wichtige Nutzer des Platzes unbestritten: “Auf das zentral gelegene «Feuerzentrum» aus Stahlplatten wird künftig der «Böögg» zu stehen kommen. Für den Zirkus gibt es bereits verschiedene fixe Verankerungen.” Aber, der normierte Platz, das normierte Feuer, das normierte und für alle Zeiten gleiche Zirkuszelt, da man fragt sich, in welcher Welt diese Leute leben? Und das führt zur nächsten Frage: Was stört eigentlich an der Wiese? Natürlich bestanden immer Probleme mit dem Platz, der aufgrund der intensiven Nutzung mit schwerem Gerät stark verdichtet war. Das Wasser lief bei Regen schlecht ab und die Wiese neigte dazu, an der Oberfläche sumpfig zu werden. Das wird mit dem neuen Hartplatz zweifellos besser. Auch die Reinigung mit Maschinen wird möglich. Das Gras unterzieht sich eben nicht allen architektonischen und politischen Wünschen nach Ordnung und Ästhetik. Grosse, offene Plätze sind repräsentativ, sie laden zum Aufmarsch. Die Unterstellung ist natürlich bösartig, aber mir kommt der rote Platz in den Sinn. Die jährlichen Paraden zum Gedenken an die Oktoberrevolution. Angesichts der politischen Verhältnisse in unserer Stadt, könnte unser Sechseläutenplatz nach Moskauer Vorbild umbenannt werden. Zwar fehlt das Lenin-Mausoleum, aber für 17.5 Mio. Fr. lässt sich bestimmt ein Parteibonze zum Einbalsamieren auftreiben.
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Kommentare anzeigen Hide commentsWas die politischen Verhältnisse der Stadt angeht, so entscheiden die Wähler, wen sie wählen, und das tun sie in aller Regel aufgrund besserer Argumente derjenigen, die gewählt werden wollen, und aufgrund vollbrachter Leistungen der bereits gewählten Personen.
Will heissen, wenn ich mich im Stadtrat politisch nicht ausreichend vertreten fühle, dann liegt das daran, dass die Mehrheit der Wähler eine andere politische Richtung bevorzugt. Das System nennt sich “Demokratie”
Sind Sie ein schlechter Verlierer?
Die Demokratie ist dasjenige System, in dem Minderheiten sich frei äussern dürfen. Es ist ihnen gestattet, sich politisch zu betätigen und Abstimmungskämpfe zu führen und notfalls zu verlieren. Im Fall des Sechseläutenplatzes ist das noch nicht geschehen. Ihnen scheint die freie Meinungsäusserung zu missfallen. Offenbar sollen Minderheiten schweigen. Es gibt Systeme, in denen die Meinungsfreiheit unterdrückt wird. Man nennt sie Diktaturen. Eine solche war auch die UdSSR, deren Chefs sich auf dem Roten Platz mit Aufmärschen feiern liessen. Sie würden sich über die Umbenennung sicher auch freuen – oder nicht?
Mir missfällt nicht die freie Meinungsäusserung von Leuten, die sich im Parlament untervertreten fühlen, egal ob sie politisch meiner Meinung sind oder nicht – mir missfallen wenn schon Ihre letzten zwei Sätze des ersten Beitrages. Es ist mir schwer verständlich, warum jemand, der Argumente auf sachlicher Ebene wieder die Umgestaltung des Platzes hat, so etwas schreibt.
Sozial und sozialistisch sind sich so verwandt wie kommunal und kommunistisch, nämlich gar nicht. Deshalb verstehe ich den Sinn Ihrer Aussage nicht, oder, wie mein Lehrer zu sagen pflegte, “nicht alles was hinkt ist ein Vergleich”.
Ansonsten haben Sie natürlich recht. Jeder darf in unserem Land in seinem persönlichen Stil argumentieren.