Noch vor einer Woche waren die Ereignisse in Nordafrika, Bahrain und Jemen in aller Munde. Heute nimmt man nicht mehr wahr, dass der libysche Widerstand und die Demonstranten in Bahrain massakriert werden. Was in Japan passiert, überschattet alles. Auch Katastrophen sind relativ. Was gestern stimmte, ist heute falsch. Bundesrätin Leuthard meldet, wie Kanzlerin Merkel, dass die Kernenergie grundsätzlich hinterfragt werden muss. Noch vor kurzem erhielten alle deutschen Kernkraftwerke einen Persilschein und die Bevölkerung im Kanton Bern stimmte zu, eine Erneuerung des KKW Mühlebergs immerhin ins Auge zu fassen. Nur die SVP bekennt sich noch zu ihren Parolen von gestern. Sind diese Parolen wirklich so von gestern? Der Schreibende hat selbst im Jahr 2006 als Projektleiter eine grossangelegte Übung zum Thema Erdbeben durchführen dürfen. Unter Einbezug von militärischen und zivilen Stellen der Schweiz, Österreichs und Liechtensteins wurde durchgespielt, was passiert, wenn im Rheintal die Erde mit einer Magnitude 6 bebt. Das Szenario wurde vom Schweizerischen Erdbebendienst gerechnet. Beteiligt waren auch zivile Unternehmen wie die Migros, die Gebäudeversicherung, Spitäler, chemische Industrie und Natel-Anbieter. Es war enorm, zu sehen, was geschehen würde. In Japan bebte die Erde mit einer Stärke 9. Kurz danach brach ein Tsunami von 15m Höhe über die Küste. Japan ist im Landesinneren kaum bewohnbar. Die Bevölkerung lebt an der Küste. Es handelt sich um eine der am höchsten entwickelten Volkswirtschaften der Welt. Elektrische Energie ist dort so wichtig, wie bei uns. Die KKW waren auf einem – so weit bekannt – guten Stand. Die Naturkatastrophe übertraf sämtliche Erwartungen. Es gibt Ereignisse, die können vom Menschen nicht bewältigt werden. Wir haben keine Ahnung, wie es in Japan weitergeht. Wir können aber davon ausgehen, dass es weitergehen wird. Werden Teile von Tokio verstrahlt? Werden Teile des Landes nicht mehr bewohnbar sein? Möglich. Charles Perrow hat im Jahr 1984 ein Buch mit dem Titel „Normal Accidents“ geschrieben. Er stellte die Theorie auf, dass sich Hochrisikotechnologien nicht auf Dauer kontrollieren lassen und dass Katastrophen unausweichlich sind. Er hatte den Fast-GAU im Atommeiler Three Mile Island untersucht. 1986 erfolgte der Unfall in Tschernobyl, womit Perrow zum Guru der Atomkraftgegner wurde. Nach Perrow kamen andere Wissenschaftler, die bewiesen, dass es sehr wohl möglich ist, mit Hochrisikotechnologien zu leben. Es sind viele Menschen gestorben. Wir werden am Schluss feststellen, dass trotzdem Herzinfarkte und Autounfälle weltweit mehr Leute töten als diese Katastrophe. Auch wir werden zur Tagesordnung übergehen und weiter Strom aus KKW brauchen, weil es nichts gleichwertiges gibt. Der Rückweg ins Mittelalter ist keine Option!
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