Auch die Stadt Winterthur leidet an akutem Lehrermangel. Da fällt mein Blick interessiert auf eine Schlagzeile in der Weltwoche (2010/29): «Horror-Job-Schule». Die Weltwoche kommt auf Probleme zu sprechen, die ich auch schon als solche erkannt habe.
Schulqualität hängt am Lehrer
Einen Punkt vermisse ich allerdings im Artikel: Nebst dem Lehrermangel haben wir ein eklatantes Qualitätsproblem, zumindest in einigen unserer städtischen Primarschulen. Meine erste Beobachtung ist die, dass die Qualität des Unterrichts stark von der Lehrperson abhängt. Leider sind das sehr schlechte Voraussetzungen in einer Zeit des Lehrermangels. Doch selbst wenn es genug Lehrkräfte gäbe, wäre es wohl schwierig, schlechte Lehrer zu feuern.
Auf der anderen Seite stellt sich nicht nur die Weltwoche die Frage, ob man die Lehrer nicht einfach überfordert. Möglicherweise wären viele der heute schlechten Lehrer gar nicht so schlecht, wenn die Ansprüche an sie auf ein menschliches Mass reduziert würden. Doch für die wirklich unfähigen Lehrer müsste es die Möglichkeit ihrer Entlassung geben, aber die gab es weder zu meiner Schulzeit und noch viel weniger heute.
Integration mit Mass
Schulqualität vor Integration
Die Weltwoche ortet das Problem, wie ich, vor allem beim Themenkomplex der «Integrativen Förderung» (IF). Es ist schlicht Irrsinn, wenn man meint, man könne alle Kinder, von geistig behinderten bis zu hochbegabten in ein und derselben Klasse unterrichten, womöglich noch mit einer Schülerzahl von zwanzig oder mehr, und es genüge, ein paar «IF-Hilfskräfte» beizustellen, um zu einem guten Unterricht zu kommen.
Es ist sicherlich falsch, wenn man Kinder vorschnell in Sonderschulen ausscheidet. Es ist aber genauso falsch, dies nicht zu tun, dort wo ein Kind dem Unterricht nicht mehr folgen kann, oder wo ein Kind vom Unterricht gelangweilt wird. Für wenige Prozent von Schülern bedarf es nach wie vor öffentlicher Sonderklassen, aber dies nicht nur für lernbehinderte, sondern auch für hochbegabte. Ich plädiere für eine Volksschule mit einer breiten Regelklasse, in die man integriert, was man ohne Qualitätseinbusse am Unterricht integrieren kann, aber die auch Sonderschulen unterhält. Im Vordergrund muss stehen, dass möglichst alle Schüler aus ihren Fähigkeiten das Optimum herausholen können. Aber das Optimum ist sehr individuell: Während es für ein geistig schwer behindertes Kind bereits ein grosser Erfolg sein kann, einen verständlichen Satz zu formulieren, kann es am andern Ende des Spektrums sein, dass ein hochbegabtes Kind nach drei Schuljahren ins Gymnasium wechselt. Fair ist es, wenn beide das Maximum aus sich herausholen können.
Auch intelligente Kinder brauchen Förderung
Intelligente Kinder, die unterfordert sind, hängen ab und reduzieren ihre Leistung. Im Extremfall geht das soweit, bis sie als «dumm» gelten und in Sonderschulen für Lernschwache abgeschoben werden. Daher sollte man in Sonderschulen regelmässig Intelligenztest durchführen, um die Klassenzuteilung zu überprüfen.
Die Einstellung, dass nur intellektuell benachteiligte Kinder einer Förderung bedürften und kluge Kinder selbst schauen sollen, wo sie bleiben, ist vollkommen falsch: Sie vernichtet intellektuelles Potential, welches unsere Gesellschaft dringend braucht.
Gleiche Chancen heisst, für jedes einzelne Kind aus den von der Natur (und der Vorschulerziehung!) vorgegebenen Fähigkeiten das maximal Mögliche heraus zu holen. Absolut unfair und für die Gesellschaft fatal wäre es, wenn sich die Klügsten den Dümmsten anpassen müssten.
Gesunde Konkurrenz ist Ansporn
Für ein Lob der Leistung
Eine weitere Krankheit unseres Schulsystems ist der im Unterartikel «Ungesunde Situationen» angesprochene fehlende Respekt vor den Leistungen unserer Kinder. Ohne Leistung fallen unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft zusammen. Eine der wenigen Ressourcen der Schweiz, und ich wage sogar zu behaupten die wichtigste, ist unsere Bildung, unsere Erfahrung und unser Wissen. Diesen Schatz sichert man sich nicht mit Leistungsverachtung und Nivellierung nach unten!
Es kann und darf nicht sein, dass man den Schülern verbietet über ihr Zeugnis zu sprechen oder bei Sportveranstaltungen dem Sieger zuzujubeln. Es darf nicht sein, dass man extra austarierte Mannschaften von sich unbekannten Schülern aus verschiedenen Klassen, ja Schulhäusern bildet und darauf achtet, sportliche Spiele möglichst unentschieden enden zu lassen!
Jedes Kind hat Stärken und Schächen
Es ist sowieso selten der Fall, dass ein Schüller überall der Beste ist und einer überall schlecht. Die meisten Kinder haben irgendwo ihre Stärken und anderswo ihre Schwächen. So gesehen dürfte es sich natürlicherweise ergeben, dass jedes Kind irgendwo einmal für seine Leistung gelobt wird, das eine in der Mathematik, das andere bei den Sprachen, ein anderes im Werken oder im Sport. Oft ist es so, dass ein Kind, welches in intellektuellen Bereichen gute Leistungen erbringt, im Sport nicht so leistungsfähig ist und umgekehrt. Selten gibt es universale Genies oder Versager. Ein Universalgenie kann eine Klasse verkraften. Und bei einem Universalversager sind ohnehin Sondermassnahmen oder eine Sonderschule fällig. Da gibt es nichts, was gegen eine gesunde, d.h. nicht übertriebene Konkurrenz spricht.
Über Leistung reden, Leistung loben
Im aufstrebenden China werden die Zeugnisse in der Schule öffentlich ausgehängt und Eltern wie Schüler vergleichen die Leistungen. So weit will ich nur schon aus Datenschutzgründen nicht gehen. Aber es darf den Schülern unter keinen Umständen verboten werden, über ihre Noten und Leistungen mit den andern zu sprechen, im Gegenteil, dieser Austausch soll gefördert werden. Selbst hier in Winterthur herrscht der Missstand eines Verbots, über das Zeugns zu sprechen (zumindest in der Schuleinheit Hegi).
Die Lehrer sollen vielmehr bei der Zeugnisverteilung die guten Schüler vor der Klasse für ihre Leistungen loben. Dazu gehören nicht nur die Besten, sondern auch diejenigen, die sich am meisten gesteigert haben, auch wenn sie noch immer nicht gut sind. Denn es ist eine grössere Leistung, sich zu verbessern, als eine gute Note zu halten.
Das könnte dann etwa so tönen, der Lehrer sagt: «Klassenbester ist A mit einem Durchschnitt von 5,6, dicht gefolgt von B und C mit 5,4 und 5,3. Ebenfalls einen Durchschnitt von 5 und mehr haben D, E und F. Den grössten Fortschritt hat G gemacht, der sich von einem ungenügenden 3,5 auf 4,2 gesteigert hat, herzlichen Glückwunsch, weiter so. Ebenfalls stark verbessert haben sich H und I.»
Dabei sollen wie gesagt nur besonders gute Leistungen gelobt werden. Mittelmässige und schlechte Leistungen braucht man nicht zu erwähnen. Ziel soll es sein, den Kindern eine positive Rückmeldung und damit einen Ansporn und eine Bestätigung zu geben. Weil auch Leistungsverbesserungen gelobt werden, haben auch schlechte Schüler Aussicht auf lobende Erwähnung.
Ein schlechtes Beispiel: Hogwards
Sehr missfallen hat mit beim Lesen von Harry Potter, dass dort, ganz nach angelsächsischem System, gleich von Anfang an alle Schüler in vier Gruppen, sogenannte Häuser, eingeteilt werden, mit dem einzigen Ziel, sich zu konkurrieren. Dafür erhielten die Schüler für «ihr Haus» «Punkte» für Wohlverhalten und «Punktabzug» für Fehler. So solle es hingegen auch nicht sein. Eine solche künstlich erschaffene Konkurrenz lehne ich entschieden ab.
Es spricht aber nichts gegen eine normale Konkurrenz, die sich nicht durch Tadel, sondern vor allem durch Lob für gute Leistungen auszeichnet. Wer Leistung erbringt, soll ermuntert werden. Wer nie Leistung erbringt, soll abgeklärt und einer geeigneten Massnahme zugeführt werden.
Quellen:
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