1. Sonstiges

Sommersession 2013

Der Fall „Lex USA“

Als Mitglied der Wirtschaftskommission​ sass man in dieser Session entweder im Ratssaal oder in einer Kommissionssitzung. Einziges Thema in und um das Bundeshaus, vor und nach den Ratsdebatten, am Wochenende, in jedem Medium: Die „Lex USA“. Alleine im Nationalrat hat das Geschäft zehn Stunden Kommissionssitzung und fünf Stunden Debatte in Anspruch genommen – und das innert lediglich zweier Sessionswochen. Ein solch dringliches Verfahren bringt unser Milizparlament definitiv an seine Grenzen, wenn nicht an den Rand des Machbaren. Der Zeitdruck war so hoch, dass kaum Zeit für Reflexion und Austausch blieb. Mein Votum, welches ich im Rat als Berichterstatter der Kommission zur „Lex USA“ gehalten habe, ist an einem schönen Sonntagmorgen im Garten entstanden. Das Protokoll der letzten Sitzung lag noch nicht einmal vor. Am Montag letzte Gespräche und dann die Debatte am Dienstagvormittag. Gerade angesichts der Wichtigkeit des Geschäfts und der Unnötigkeit den Parlamentsweg zu beschreiten, schien mir das Manöver des Finanzdepartements sehr fragwürdig zu sein. Schliesslich braucht es dieses Bundesgesetz nicht, um den Steuerkonflikt mit den USA zu lösen. Der Bundesrat verfügt über die nötigen Kompetenzen, jenen Banken die Teilnahme am Programm zu ermöglichen, die dies wollen. Besonders stossend an der Vorlage war, dass rückwirkend eine Änderung des Datenschutzes für Schweizer Bankangestellte und Dritte vorgenommen worden wäre. Zudem hätte man mit diesem Bundesgesetz einen Präzedenzfall geschaffen, in dem man eine juristische Sachfrage auf die politische Ebene gehoben hätte. Das Risiko, dass in Steuerkonflikten von anderen Staaten das Gleiche von der Schweiz eingefordert werden würde, hätte deutlich zugenommen. Diese haben zwar nicht die Macht eines Department of Justice, politisch halten sie aber dennoch den einen oder anderen Trumpf gegen die Schweiz in der Hand. Deshalb ist es richtig, das Geschäft auf der rein juristischen Ebene und in der Verantwortung des Bundesrats zu belassen.


Initiati​venflut und Masseneinwanderung

Nein, in der vergangenen Sommersession war die „Lex USA“ nicht das einzige Thema. Es fand auch eine lange Debatte über die Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ statt, mit über 80 Rednerinnen und Rednern und diversen Fragestellern. Hinzu kamen Voten der Kommission, der Fraktionen und des zuständigen Bundesrats. Es werden wohl mal wieder gegen sieben oder acht Stunden Debatte gewesen sein. Das eine ist die Länge der Initiativdebatten, das andere die Anzahl Initiativen. Im Parlament sind neun Volksinitiativen hängig, wovon der Nationalrat die meisten bereits behandelt hat. Weitere 13 sind noch beim Bundesrat pendent und 16 Initiativen befinden sich im Unterschriftenstadium​. Das Parlament wird in den nächsten Jahren also pro Session im Schnitt mit zwei Volksinitiativen à je vier bis acht Stunden Beratung beschäftigt sein. Es braucht gerade mal 2.2 Prozent der Stimmbevölkerung, um das Parlament dermassen auf Trab zu halten. Aus meiner Sicht Grund genug, die Unterschriftenzahl für Volksinitiativen anzuheben. Aber zurück zur Masseneinwanderungsin​itiative der SVP: Was können wir effektiv gegen Einwanderung tun? Ganz einfach, seien wir weniger erfolgreich. Dann gäbe es weniger Arbeitsstellen zu besetzen, es bräuchte weniger Fachkräfte und Spezialisten, die Investitionen in den Standort Schweiz gingen zurück. Ich erlaube mir die ICT-Industrie als Beispiel heran zu ziehen: In den letzten zwei Jahren haben wir knapp 1‘000 neue Lehrstellen geschaffen. Insgesamt macht das aktuell etwa 8‘200 Lehrstellen. Die Branche verzeichnet ein starkes Wachstum. Bis 2020 wird ein Fachkräftemangel allein in der ICT von 25‘000 Personen erwartet. Wir schaffen es nicht, diese Fachleute alle selbst auszubilden, schon nur weil es zu wenig Schüler gibt. Können wir diesen Fachkräftebedarf aber nicht sicherstellen, verlieren wir die Arbeitsplätze ins Ausland, denn die Firmen sind dort, wo sie das nötige Personal finden. Wenn nicht in der Schweiz, dann halt in Deutschland, in den USA oder in Singapur. Wenn man eine wachsende Wirtschaft und ein attraktiver Wirtschaftsstandort in Europa und in der Welt sein will, dann muss man die Initiative gegen Masseneinwanderung mit Überzeugung ablehnen. Ansonsten wird die Schweiz in Zukunft mehr und mehr zum Land der strukturschwachen Betriebe, mit stagnierendem Wirtschaftswachstum, steigenden Arbeitslosen, fehlenden Investitionen, veralteter Infrastruktur, negativer Erfolgsrechnung und steigenden Migrationszahlen – ins florierende Ausland!


Der automatische Informationsaustausch​ als Allerheilmittel

In dieser Session fand auch noch eine a.o. Session statt, eine Art Spezialdebatte zu einem aktuellen Thema mit einer ganzen Reihe von Vorstössen. Dieses Mal ging es um einen steuerkonformen Finanzplatz und den automatischen Informationsaustausch​. Die Schweiz befindet sich unter Druck. Interessant dabei ist, dass was früher als des Teufels angesehen wurde, nämlich der automatische Informationsaustausch​, heute plötzlich als Allerheilmittel gilt, und zwar nicht nur bei den Anhängern der Linken sondern auch bei den Banken. Der BDP kann es dabei nicht schnell genug gehen mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses und dem freien Kundendatenverkehr. Die Frage, ob Ja oder Nein zum automatischen Informationsaustausch​, ist eigentlich die Falsche. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie gestalten wir die Rahmenbedingungen, damit der Finanzplatz auch in Zukunft eine tragende Rolle in unserer Volkswirtschaft spielen und Arbeitsplätze schaffen kann? Der Automatische Informationsaustausch​ ist staatspolitisch höchst problematisch. Er verletzt die Privatsphäre und schafft den gläsernen Bürger, der schutzlos dem Staat ausgeliefert ist. Es geht aber auch nicht darum, Steuerhinterzieher zu schützen. Die Schweiz hat mit der Abgeltungssteuer ein durchdachtes Konzept lanciert. Bürger können im internationalen Umfeld ihre Steuern bezahlen, ihre Privatsphäre bleibt jedoch gleichzeitig geschützt. In diesem Sinne ist zu begrüssen, wenn der Bundesrat die Abgeltungssteuer als gleichwertigen Standard in die OECD-Verhandlung mit einbringt. Wir können aber auch nicht nur auf unserem besseren Standard beharren. Wenn die Mächtigen den automatischen Informationsaustausch​ wollen, kann die Schweiz nicht einfach nur Nein sagen. Wir sollten unsere Positionen frühzeitig in der OECD einbringen. Es braucht gleiche Spielregeln für alle, das gilt insbesondere für gewisse Bundesstaaten und Inselkolonien der USA und Grossbritannien. Weiter braucht es Datenschutzstandards zum Schutz des Bürgers, die nicht verhandelbar sind (z.B. das Recht zu wissen, welche Informationen gesammelt und weiter gegeben werden). Länder, die den Standard des Datenschutzes nicht teilen, sind auch im Rahmen der OECD keine Partner für den automatischen Informationsaustausch​. Zudem muss von der OECD ein Nein der Schweizer Bevölkerung bei einer Volksabstimmung akzeptiert werden. Ein solches wäre gleichbedeutend mit einem Veto eines EU-Staates. Der Bundesrat ist nun zweifach gefordert: Erstens gilt es die oben skizzierte Finanzmarktstrategie ohne Abstriche und ohne Sololäufe umzusetzen. Zweitens entscheidet sich die Zukunft des Finanzplatzes mit seinen über 100‘000 Arbeitsplätzen nicht allein am automatischen Informationsaustausch​. Es braucht insgesamt bessere Rahmenbedingungen für den Finanzplatz. Die Forderungen liegen auf dem Tisch, sei es die Abschaffung der Stempelsteuer, eine Lösung für internationale Investoren bei der Verrechnungssteuer, ein Währungsabkommen mit China oder eine Unternehmenssteuerref​orm, die die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft stärkt. Hier gibt es viel zu tun. Packen wir diese Baustellen an!


Damit verabschiede ich mich in die politische Sommerpause und wünsche ihnen allen erholsame und erlebnisreiche Sommertage!

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Comments to: Sommersession 2013
  • Juni 26, 2013

    Sehr geehrter Herr Noser,
    grundsätzlich​ mögen Sie recht haben, aber es stimmt nicht dass die Schweiz den USA oder der EU nichts entgegenzusetzen haben. Einige Botschaften vertreten die Interessen der USA in Ländern in welchen die USA keine Botschaft unterhalten kann. Man könnte diese Verträge kündigen.
    Ähnliches gilt insbesondere auch für Deutschland und die EU. Man müsste nur endlich den MUT aufbringen das auch durchzusetzen.
    Alles​ was Diese wollen ist an unser Geld und sonst nichts.

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  • Juli 4, 2013

    Herr Widmer,

    Ich bin auch Ihrer Meinung! Wenn die Schweizer Diplomatie mit mehr Härte (aber diplomatisch bleiben) vorgehen würde und wenn sie dabei aufzeigen würde, wie wichtig die kleine Schweiz für gewisse Interessen ist, dann würde es sich kein Steinbrück leisten wollen, der Schweiz mit der Kavallerie zu drohen, wenn sie nicht das tut, was man von ihr verlangt! Ich bin der Meinung, dass sich nur schwache erpressen lassen. Nur Länder, die sich nicht zur Wehr setzen, kommen bei gewissen Ländern unter die Räder.

    Parlament kommt vom Reden, Diskutieren. Herr Noser, Es ist Ihr Beruf, zu diskutieren und zu verhandeln. Auch in der Wirtschaft haben es die Kapitäne nicht immer einfach und ihr Tagespensum geht oft auch in die 14 – 16 Stunden pro Tag inkl. der Samstag. Jeder wählt seinen Beruf selber und kennt die Vor- und Nachteile. Etwas mehr Sitzleder hätte ich von Ihnen erwartet.

    Noch ein Vorschlag zur Diskussion! Warum unterstützen Sie nicht das Asylgesuch des Herrn Snowden? Hier müssten Sie zwar auch wieder viel reden, aber Herr Vischer würde Sie sicher dabei unterstützen – fragen Sie ihn doch einmal.

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