Die Revolutionen von Tunesien und Ägypten zeigen eindrücklich, wie die neuen Medien immer stärker Einfluss nehmen und die Regeln der Politik grundlegend ändern. Aber nicht nur in der arabischen Welt, auch bei uns beginnen Soziale Medien eine immer wichtigere Rolle zu spielen, wie die Affäre Guttenberg deutlich zeigt. Mittlerweile bezweifelt fast niemand mehr, dass sich Guttenberg ohne das Internet wohl länger hätte halten können – und vielleicht hätte er mit seiner Bildzeitungs-Kampagne sogar Erfolg gehabt und wäre immer noch im Amt, wären da nicht die ‘Brand-Beschleuniger’ Facebook, Twitter, YouTube und in diese Fall vor allem Guttenplag gewesen. Guttenberg ist ein ‘Produkt’ der Massenmedien. Er beherrschte das politische Spiel mit ihnen wie fast kein anderer – Sein Scheitern ist typisch für den Übergang der Politik in eine neue Zeit.
Wie verändert sich die Politik aber durch die sozialen Medien? Im Grunde sind es die selben drei Veränderungen auch bei uns, die wir schon bei den Tunesischen und Ägyptischen Revolutionen gesehen haben:
1) Moral und Ethik spielen zunehmend eine grössere Rolle.
2) Die Geschwindigkeit von Veränderungen ist viel grösser.
3) Klare Führungsstrukturen fehlen: Zunehmende Authorität des Wissens, nicht der (Macht-) Position.
Die zunehmende Rolle von Moral und Ethik in der Politik hat verschiedene Gründe – Zum einen ist es die grosse zusätzliche Transparenz des Internets, welche ein ‘Vertuschen’ oder ‘Aussitzen’ von unethischem Verhalten immer unmöglicher macht. Zum anderen spielt auch die neue Art der Informationsverbreitung auf dem Web eine wichtige Rolle: Es fehlen Zwischenstationen, und relevante Informationen können innert Minuten weltweit ungefiltert verbreitet werden. Obwohl die Massenmedien in einer freien Gesellschaft eine Schlüsselrolle spielen, verfolgen sie auch eigene Interessen, wobei gewisse relevante Infomation gefiltert und zurechtgelegt wird – Diese ‘Zensur der Massenmedien’ umgehen die Sozialen Medien.
Die ungeheure Geschwindigkeit des Internets lässt sich exemplarisch an Guttenberg sehen: Es gab Aussagen in seiner Verteidigungsrede, die fast während seiner Rede wiederlegt waren – auf Twitter und mit entsprechenden Links auf die Fakten. Und schon wenige Stunden später war wohl fast die gesamte Rede überholt durch zahlreiche neue nachgewiesene Plagiatsstellen, welche Blogger weltweit auf Guttenplug zusammentrugen.
Aber auch in Egypten hat die unglaubliche Geschwindigkeit in den letzten 18 Tagen alle überrascht – Politik, und insbesondere politische Skandale und Umwälzungen werden so unglaublich schnell, dass die Betroffenen oft gar keine Zeit mehr finden die Fakten für sich zurechtzulegen oder zu vertuschen.
Die Geschwindigkeit kommt aber auch vom Fehlen von klaren Führungsstrukturen: Früher waren politische Umwälzungen viel mehr an oppositionelle Führungsfiguren gebunden. Der Aufbau dieser Authoritäten hat Zeit in Anspruch genommen. In der Ägyptischen Revolution gab es diese Anführer viel weniger. Nach dem Sturz von Mubarak war auf Twitter zu lesen: “This is Revolution 2.0: No one was a hero because everyone was a hero.” Die Revolution wurde zu einem grossen Teil von einzelnen Ausssagen auf Twitter und Facebook geleitet, mit denen die Masse übereinstimmten und die verbreitet wurden – egal von wem sie stammten.
So gesehen herrschte eine “Authorität der Masse oder des Wissens”, nicht eine Autorität der Position. Und dies war schlussendlich auch ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Revolution: Man kann durch Geheimdienste wohl Anführer aus dem Verkehr ziehen, wenn aber die Masse führt, dann versagen diese Mittel.
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Kommentare anzeigen Hide comments“So funktioniert Politik 2.0” –
http://kloten.grunliberale.ch/files/20110317_KlotenAnz_mhe.pdf
Zusammenfassung dieses Artikels und Portrait von mir im Anzeiger der Stadt Kloten –