Die Anmoderation von Andrea Vetsch zum Abtritt der neuseeländischen Premierministerin ist ein voller Genuss, sofern man personenkultige PR-Hymnen mag.
«Sie gehört zu den neuen Politstars, zu den neuen weiblichen Politstars. Frauen, die nicht nur politisch für Gleichstellung kämpfen, sondern sie auch leben. Im Falle von Jacinda Ardern hiess das, dass sie als amtierende Premierministerin Neuseelands eine Tochter geboren hat. Jacinda Ardern wurde zum Vorbild, nicht nur für Frauen. Auch weil sie einen neuen Politstil verkörpert: einen, bei dem nicht nur Intellekt, sondern auch Einfühlungsvermögen zählt. Nun tritt Jacinda Ardern überraschend zurück. Sie habe Zitat ‘nicht mehr genug im Tank’ für eine weitere Amtszeit.»
Eine Anmoderation für die Ewigkeit. Oder zumindest für Studierende der Medienwissenschaften, wie man es machen sollte (wenn man in die PR-Branche will) oder es eben nicht machen sollte (wenn man den unabhängigen Nachrichtenjournalismus vorzieht).
Natürlich darf man bei einem Rücktritt die positiven Seiten und Erfolge hervorheben, das gehört sich so. Ganz verschweigen sollte eine seriöse, gebührenfinanzierte Newssendung wie die SRF-Tagesschau die kritischen Stimmen und Niederlagen aber auch nicht. Dazu am Schluss des Beitrags nur so viel: «Das Ansehen der abtretenden Premierministerin und ihrer Partei hat abgenommen. In den jüngsten Umfragen fiel die Laborpartei hinter die konservativen Rivalen zurück.»
Aha. Und warum? Jetzt wo’s interessant geworden wäre, erfährt man von der Tagesschau nichts mehr. Das Denkmal für Jacinda Ardern, Politstar, muss makellos bleiben.
(Bericht: Michael Gschwend, Mitarbeit: Walter Schrepfer)
Link zur Sendung: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-19-01-2023-hauptausgabe?urn=urn:srf:video:07099594-c725-4499-a8b8-666b89cfd357
P.S.: Andrea Vetsch hat übrigens eine Gabe dafür, linke Frauen in den Himmel zu loben. Simonetta Sommaruga kennt das.
Nachtrag vom 20.1.2023: Sogar der boulevardeske Blick berichtet vorbildlich differenzierter als die Tagesschau von SRF: https://www.blick.ch/ausland/neuseelands-premierministerin-jacinda-ardern-42-will-nicht-mehr-diese-gruende-stecken-hinter-dem-ruecktritt-id18242822.html
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