1. Wirtschaft

Stopp der Spekulation mit Nahrungsmitteln

Millionen von Men­schen sind auf der Flucht. Ge­trie­ben von Krie­gen und Hun­ger. Die Flücht­lings­wel­len er­rei­chen jetzt auch Eu­ro­pa. Sie sind eine grosse Her­aus­for­de­rung für die eu­ropäi­schen Län­der. Sie müs­sen auch end­lich An­lass sein, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen.

Dazu gehört auch die Ver­ant­wor­tung für die Ver­sor­gungs­si­cher​­heit mit Nah­rungs­mit­teln. In den Jah­ren 2007/2008 und 2010/2011 lös­ten re­kord­hohe Nah­rungs­mit­tel­pre​ise und damit ver­bun­dene Tur­bu­len­zen in zahl­rei­chen Ent­wick­lungs­län­de​rn Ver­sor­gungs­kri­sen​ aus. Die Fol­gen der Markt­tur­bu­len­zen waren und sind Pro­tes­te, Ge­walt und Hun­ger. 2008 lit­ten gemäss Welt­bank al­leine wegen die­ser Not­stände 100 Mil­lio­nen Men­schen welt­weit zu­sätz­lich Hun­ger. Eine in­ten­sive De­batte über die Ur­sa­chen der Kri­sen und über die Rolle der Spe­ku­la­tion mit Agrar­roh­stoff- und Nah­rungs­mit­tel­de­​ri­va­ten beim Ent­ste­hen die­ser Preis­bla­sen setzte ein.

In diesem Umfeld lancierte die Juso Schweiz die Spekulationsstopp-Ini​tiative. Die Initiative will die Spekulation mit Nahrungsmittel an den Warenterminmärkten verbieten. Unterbunden werden sollen jene Absicherungsgeschäfte​, die nicht als Puffer im Handel mit realen Rohstoffen dienen, sondern einzig und alleine der Gewinnerzielung mittels Wetten auf steigende oder sinkende Marktpreise.

Es gibt mannigfaltige klimatische, politische und ökonomische Gründe für den langfristigen Anstieg der Nahrungsmittelpreise seit der Jahrtausendwende. Aus der Sicht von Produzentinnen und Konsumenten in den Entwicklungsländern sind aber nicht primär die langfristig steigenden Preise ein Problem, sondern viel eher die kurzfristigen, extremen Schwankungen der Preise für Grundnahrungsmittel. Für Konsumenten, die achtzig Prozent ihres Einkommens für die Befriedigung von Grundbedürfnissen ausgeben müssen, können kurzfristige Verteuerungen von Nahrungsmitteln existenzbedrohend sein. Umgekehrt können schnell fallende Preise innert Kürze die Existenzgrundlage von Bauern im globalen Süden vernichten.

Der Verdacht, dass die Spekulation auf Agrarrohstoffe negative Auswirkungen auf die Versorgung hat, lässt sich nicht so einfach zurückweisen. Auch der Bundesrat teilt in seiner Botschaft zur Initiative die Ansicht, dass starke Preissprünge bei Grundnahrungsmitteln in den Entwicklungsländern verheerende Folgen haben können. Trotzdem lehnt er die Initiative ohne Alternative ab.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien erachten es als sehr wahrscheinlich, dass die exzessive Spekulation an den Nahrungsmittelmärkten​ Preisschwankungen verstärken kann. Die exzessive Spekulation stellt für die armen Bevölkerungsschichten​ in den Entwicklungsländern ein existenzielles Risiko dar, obwohl oder gerade weil sie selbst nie und nimmer in der Lage sind, selbst solche Preiswetten abzuschliessen. Nur schon dieses existenzielle Risiko, das diese von den Finanzmärkten ausgeschlossenen Menschen tragen müssen, muss für uns in den reichen Ländern Grund genug sein, die Spekulation mit Nahrungsmitteln einzudämmen.

Bereits das Überschiessen der Preise während einiger Monate kann katastrophale Folgen für die Menschen haben. In den armen Ländern müssen die Menschen weit mehr als die Hälfte ihrer Einkommen für die Ernährung aufwenden.

Internatio​nal hat man reagiert. Die G20 arbeitete Empfehlungen gegen die Spekulation aus. Die USA und die EU haben Re-Regulierungen beschlossen. Die Umsetzung wird kommen. Sie bringen mehr Transparenz und schränken die Spekulation mit Nahrungsmitteln ein.

Auch die Schweiz ist gefordert. Sonst werden wir zur Regulierungsoase. Die Folge ist internationale Kritik. Das Konzept der Spekulationsstopp-Ini​tiative, die die Initiantinnen und Initianten vorschlagen, ist äusserst vernünftig. Sie schlagen die Einführung von Positionslimiten für Nahrungsmittelderivat​e vor, die so tief angesetzt werden müssen, dass sie die reine Finanzspekulation mit Nahrungsmitteln ausschliessen. Die notwendige Preisabsicherung realer Geschäfte am Terminmarkt wird von den Positionslimiten vollständig ausgenommen. Somit besteht keinerlei Einschränkung für Produzenten und Händler von Nahrungsmitteln.

Inde​m Positionslimiten die Menge an Terminkontrakten beschränkt, die ein einzelner Händler oder eine Händlergruppe halten kann, verhindern sie erstens, dass bestimmte spekulative Akteure eine Markmacht erreichen, die zu Preisverzerrungen führen kann und Manipulationen von Preisen begünstigt. Zweitens beugen die Positionslimiten exzessiver Spekulation vor. Damit tragen Positionslimiten dazu bei, dass Warenterminmärkte sich auf ihren eigentlichen Zweck beschränken müssen, nämlich eben die Absicherung von Risiken, die im Handel mit realen Rohstoffwerten entstehen.

In der Schweiz sind Positionslimiten im Rahmen des neuen Finanzmarktinfrastruk​turgesetzes FinfraG (Art. 118 und 119) als Möglichkeit vorgesehen. Gemäss Art. 118 „kann“ der Bundesrat solche Limiten auf Verordnungsstufe einführen, wobei er anerkannte internationale Standards und die ausländische Rechtsentwicklung zu berücksichtigen hat.

Das erklärte Ziel des Finanzmarktinfrastruk​turgesetzes war es, den Derivatemarkt wirksam zu regulieren und Markttransparenz herzustellen. Der politische Wille des Bundesrates, Positionslimiten tatsächlich einzuführen und so die Finanzspekulation mit Nahrungsmitteln einzudämmen, scheint jedoch nicht gegeben: Im Vernehmlassungsentwur​f zur Finanzmarktinfrastruk​turverordnung FinfraV sind keine Positionslimiten vorgesehen.

Zudem wird die Transparenz im Over-The-Counter Handel nur ungenügend hergestellt. Damit besteht weiterhin keine griffige Regulierung der Derivatemärkte. Der Bundesrat hat es verpasst, bei den Nahrungsmittelderivat​e griffige Regulierung zu erlassen.

Heute ist die Spekulationsstopp-Ini​tiative der Juso die einzige Antwort, um die Spekulation mit Nahrungsmitteln wirksam zu unterbinden. Darum unterstützt die SP die Initiative „keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“. Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein, um die direkte existenzielle Bedrohung von Millionen Menschen zu bekämpfen.

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide comments
Comments to: Stopp der Spekulation mit Nahrungsmitteln
  • September 25, 2015

    Die Spekulationsstop-Init​iative ist nur ein erster Schritt. Ohne gleichzeitig auch Massnahmen im Rahmen des möglichen gegen das sogenannte Landgrapping – modernes feudales Raubrittertum für neue Latifundien auf Kosten der Kleinbauern der dritten Welt – ist die Initiative ein Schuss in den Ofen.

    Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      Klar. Allerdings sind die Kleinbauern auch nicht immer sehr schlau. Hier bei Cusco, im Heiligen Tal, verkaufen sie ihr Land an Leute, die grosse Hotels bauen wollen. Es ist ein neuer Flughafen geplant, der zwischen Cusco und dem heiligen Tal liegen soll. Also steigen die Bodenpreise munter an. Dann wiederum gibt es Demonstrationen gegen diesen Landkauf, ebenfalls von Kleinbauern. Doch niemand zwingt sie, ihr Land zu verkaufen…bloss der Traum vom grossen Geld.

      Kommentar melden
  • September 26, 2015

    Also diese Spekulationsstop-Init​iative für Lebensmittel setzt voraus dass man künstlich ein Produkt zurück behält und so einen Mangel provoziert,um so einen höheren Preis zu generieren.Um diese Produkte zurück zu behalten,braucht es Lagerkapazitäten.Das wiederum kostet einen Haufen Geld.Termin-Kontrakte​,die genau auf solche künstliche Mangel-Situationen,da​nn ihre Ware abrufen sind deshalb nicht so einfach,wie oben beschrieben wird.Um tatsächlich Spekulanten den Wind aus den Segeln zu nehmen,muss man genügend Lagermöglichkeiten zur Verfügung haben.So kann man in Ruhe abwarten und sich aus den aufgebauten Zwischenlagern bedienen.Irgendwelche​ gesetzliche Vorschriften wird man zu “umschiffen” verstehen und füttert damit nur einen schon genug aufgeblähten Beamten-Apparat.Meine​ Meinung zu dieser INI?..das bringt nichts!!

    Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      Da ja rund um die Welt produziert wird, also aufgrund der unterschiedlichen Jahreszeiten immer von allem auf dem Markt ist, muss diese Spakulation wohl irgendwie anders funktionieren? Kurzfristig? Oder mit Hilfe der Transportkapazität?

      Zu bedenken wäre (wie mein Grossvater, ein ehemaliger Kleinbauer wusste), weshalb man denn rund um die Welt umbedingt dieselben Nahrungsmittel haben muss. Braucht es Bananen in der Schweiz, wenn es doch viel einheimisches Obst gibt? Und falls ja, wieviel Bananen und zu welchem Preis? Man könnte also weniger Bananen einführen und eine dann für 5 Franken verkaufen. Dies würde auch eine positive Auswirkung auf den globalen Transport und die Umweltverschmutzung haben. Doch was geschieht, wenn man so einen Vorschlag bringt?

      Genau! Die Linken kreischen auf, weil ja dann nur noch Reiche Bananen kaufen können und die Rechten jaulen auf, weil sie ihr Geld mit Transporten verdienen.

      Aber wenn man nicht beim eigenen Maul beginnt, dann wird sich nichts ändern 🙂 .

      Kommentar melden
  • September 26, 2015

    Schon der biblische Josef brauchte für die 7 mageren Jahre genügend Speicher von den 7 fetten Jahren; wenn es schon damals klappte, wird das auch heute noch so sein.

    Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      Genau Herr Scheuber!..auf zwei Linien alles erklärt..!!!

      Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      Andererseits bringt Jesus das Gleichnis vom reichen Gutsbesitzer, der plant, mehr Lagerhäuser zu bauen, weil er so gute Ernten macht. Jesus tadelt ihn, er sei ein Narr, denn schon morgen werde Gott sein Leben zurück fordern.

      Also weshalb grosse Lagerkapazitäten aufbauen? Besser wäre möglichst lokal zu produzieren und auch die Transportwege somit zu verkürzen. Das würde einerseits zu einer Verkleinerung der Produktevielfalt führen und andererseits zu einer Umverteilung der Bevölkerung, denn wo weniger wächst können nicht soviele Menschen leben. In ein paar 100 Jahren wäre das Nahrungsmittelprodukt​ionssystem dann wieder im Lot.

      Ok, das Leben wäre dann halt wieder etwas einfacher, Äpfel in der Schweiz, Bananen in Afrika, Orangen in Zentralamerika (zu einfach gesagt 🙂 ). Doch ein einfacherer Lebensstil würde so manches Problem auf der Welt lösen (Energie, Transport, Umweltverschmutzung, etc.).

      Wer ist bereit dazu? Ich:

      http://retoge​meinschaft.bplaced.ne​t/de/node/16

      Und ihr?

      Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      …das Problem ist heute nämlich genau das,dass niemand mehr etwas am Lager haben will,weil das Kosten verursacht!Wenn nun niemand etwas lagern will,tun das evt.die Spekulanten!…sie lagern dort,wo eigentlich die Lager sein sollten,wenn die Ware schon verkauft ist!Nun kommen die ganz Schlauen,und lagern vor dem Verkauf die Ware,und warten,bis sie genug abwirft.Ist das nun spekulativ?..oder einfach geschäftstüchtig?

      Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      Am besten ist es wenn den geschäftstüchtigen Sprkulanten die Ware möglichst schnell verreckt – nur hat dann leider niemand etwas davon ausser einem kleinen Schaden für den superschlauen Spekulanten, der den beim nächstenmal sofort wett macht.

      Kommentar melden
  • September 27, 2015

    ich finde es schrecklich, wenn Menschen so skrupellos sind, dass sie mit dem Hunger der Anderen Geschäfte machen. Das sollte strafbar sein. Jeder Versuch, dem Einhalt zu bieten, ist begrüssenswert.

    Kommentar melden
  • September 28, 2015

    Nicht nur Nahrungsmittel, sondern alle für die Lebensgrundlagen nötigen Ressourcen sollten von der Spekulation ausgenommen werden.
    Dazu gehört auch Wasser, Boden, Wohn – Immobilien (das Recht auf Wohnen).

    Kommentar melden
  • Oktober 9, 2015

    Wenn das Spekulieren verboten würde gäbe es ja nicht einmal mehr “Halsabschneider”!

    Kommentar melden
    • Juli 19, 2021

      Herr Scheuber

      Ich denke nicht, dass Halsabschneider das grosse Problem unserer Wirtschaft und der sich selber zerstörenden Art ist.

      Prinzipell ist jeder Handel auch eine Art von Spekulation.

      Aber unser “Untergang” wird sein, dass man auf “Luft” spekuliert, wie es die Börse tut. Mit Geld Geld verdienen. Sogar mit Geld, Schulden welche noch nicht mal wirklich bestehen, oder nur in einer Buchwertung auftrauchen, keinen Gegenwert haben usw.

      Kommentar melden

Kommentar schreiben

Neuste Artikel

  1. Ausländer- & Migrationspolitik
Verschärfte Grenzkontrollen in Deutschland: Theaterdonner vor Wahlen in Brandenburg! Die Rückweisung von Flüchtlingen verstösst gegen EU-Recht! Das wissen die deutschen Politiker:innen haargenau. Als rhetorische Beruhigungspille für die Wahlbevölkerung nützt dieses Manöver allemal. Schliesslich sind am 22. September Wahlen in Brandenburg.

Bleiben Sie informiert

Neuste Diskussionen

Willkommen bei Vimentis
Werden auch Sie Mitglied der grössten Schweizer Politik Community mit mehr als 200'000 Mitgliedern
Tretten Sie Vimentis bei

Mit der Registierung stimmst du unseren Blogrichtlinien zu