1. Aussenpolitik

Tagi: „Eine Analyse“ – „Hart, aber direktdemokratisch“

Roger Köppel hat in der Sen­dung «Hart, aber fair» die bes­se­ren Ar­gu­men­te. Scharf und zu Recht weist er die Hoheitsansprüche deut­scher Po­li­ti­ker zurück.

“Tages-Anzei​ger”, vom 11.02.2014, von Guido Kalberer; Link: http://www.tagesanzei​ger.ch/kultur/diverse​s/Hart-aber-direktdem​okratisch/story/19729​452

Text (Auszug):

Wenn grosse Nationen über Entscheidungen kleiner Nationen sprechen, verhält es sich mitunter wie am Familientisch: Entweder loben die Eltern das Verhalten der Kinder und geben Ratschläge, wie sie es das nächste Mal noch besser machen können, oder sie tadeln sie und geben ihrem Missfallen darüber Ausdruck, was der Nachwuchs wieder angestellt hat.

Wie gross die Gefahr ist, mit solcher Rhetorik nicht nur paternalistisch, sondern auch arrogant zu wirken, hat die Sendung «Hart, aber fair» am Montagabend eindrücklich gezeigt.

Roger Köppel, in Deutschland besser bekannt als jeder Bundesrat und die klare Nummer eins im Ranking der Schweiz-Erklärer und -Verteidiger, hat die Übergriffe vor allem von Ralf Stegner, der die Schweizer in einem Tweet als Spinner bezeichnete, souverän gekontert.

Als ob es sich bei der Schweiz um ein weiteres Bundesland handle, sprach der stellvertretende Parteichef der SPD überheblich von den krassen Fehlern der Eidgenossen – während einmal mehr die Strassenumfragen, die der Sender einspielte, die Kluft aufzeigten zwischen dem, was die Politiker wollen, und dem, was das Volk will. Fast einhellig lobte das Fussvolk in Neuss die Schweizer, denen der ebenfalls in der Runde sitzende Journalist Rolf-Dieter Krause die Freiheit der Dummheit attestierte.

Erziehe​rische Gegenrede

Natürlich steht es jedem frei, Entscheidungen in Bausch und Bogen zu zerreissen. Nur besteht die schwierige Kunst des politischen Dialogs darin, auch im Zweifelsfall davon auszugehen, dass der andere recht haben könnte – ansonsten braucht niemand niemandem zuzuhören. Auch wenn man ganz anderer Meinung ist, muss die Berechtigung der gegenteiligen Position zumindest in Betracht gezogen werden. Dies gehöre unabdingbar, wie Roger Köppel schmallippig und entnervt wiederholte, zum Wesen der direkten Demokratie. …

Rhoenblicks Ergänzung:

In Deutschland herrscht das alternativlose Handeln vor – von ‚Denken‘ kann nicht die Rede sein; Beispiele: Energie-Wende, Euro-Krise.

… Aufschlussreich für das ganze Gespräch war die Aussage von Ralf Stegner,

dass man

über eine Angelegenheit wie die Einwanderung nicht mit einem Ja oder Nein abstimmen könne.

Wieso eigentlich nicht? Verstehen die Stimmbürger nicht, worum es geht? Oder ist eine solche Abstimmung gefährlich, weil sie in die Struktur eines Staates eingreift? Stegner, der sich bei anderer Gelegenheit für den Einbezug direktdemokratischer Elemente aussprach, müsste bestimmen, was eine halbdirekte Demokratie genau wäre – jedenfalls lässt sich der Verdacht nicht ausräumen, dass es jene Form von Demokratie wäre, bei der die gewählten Politiker die Freiheit hätten, eine Abstimmung je nach Ausgang und Resultat als richtig demokratisch gültig oder eben nur als halbdemokratisch zu bezeichnen. …

Rhoenblicks Ergänzung:

Anders formuliert. Die deutschen Politiker wie Herr Dr. Ralf Stegner – genauer; die deutsche Politiker-Kaste – will festlegen, wozu ihre Untertanen etwas sagen dürfen und wo sie aus – von der Politiker-Kaste festgelegten political-correctness​-Regeln – nichts sagen dürfen. Warum? Weil die deutsche Politiker-Kaste Angst hat, das Ausland würde dann von Nazi-Deutschland reden. Aber so spricht das Ausland – zum Beispiel: Griechenland – sowieso und immer dann, wenn es die Deutschen als arrogant, besserwisserisch, frech erlebt: „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“ oder „Deutschland, Deutschland über alles …“

Israels Ministerpräsident Netanjahu, über die Bundeskanzlerin verärgert, erfrecht sich, der deutschen Bundeskanzlerin einen Hitlerschnauz unter die Nase zu halten und sie so fotografieren zu lassen! “Zum Spass” – versteht sich – ?

„The Huffington Post“; Link:

http://www.huf​fingtonpost.de/2014/0​2/25/netanjahu-merkel​-hitler-bart_n_485327​6.html?just_reloaded=​1&src=sp&comm_ref=fal​se

… Im Unterschied zur repräsentativen Demokratie spült die direkte Demokratie regelmässig – mitunter rechtzeitig, aber nicht immer rechtmässig – Dinge an die Oberfläche, die im offiziellen Jargon der Politiker keinen Platz haben (dürfen). Auch wenn es unangenehm ist, gewisse Voten des Souveräns zu akzeptieren, zum Wesen der direkten Demokratie gehört es, diese ernst zu nehmen, auch wenn sie sich als Fehler entpuppen sollten.

Do you like Jürg Walter Meyer's articles? Follow on social!
Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide comments
Comments to: Tagi: „Eine Analyse“ – „Hart, aber direktdemokratisch“
  • März 4, 2014

    Als nach der betroffenen Sendung die E-Mail auf ca. 80% pro Schweiz einliefen, hat die ARD einfach die Meinungssaussagen frühzeitig abgestellt, genauso, wie schon in andererfn Fällen früher, wenn es um nicht genehme Meinungsrends ging. Das ist auch beim ZDF leider so. Die MEI Abstimmung hat mehr in Gang gesetzt als das in der Schweiz bisher realisiert wurde. Ralf Stegner ist ein Ideologe, den wir hier getrost vergessen können.

    Kommentar melden
  • März 29, 2014

    Dafür stellt Köppel, der Verfechter des Inländervorrangs, bei seiner ‘Weltwoche’ nun einen deutschen Redaktor an.

    http://www.nzz​.ch/aktuell/schweiz/i​m-anfang-war-das-wort​-1.18272943

    Kommentar melden

Kommentar schreiben

Neuste Artikel

  1. Umwelt, Klima & Energie
Wiederaufbau von Blatten oder doch lieber„passive Sanierung“ von gefährdeten, potenzialarmen Bergtälern? Sollte man nicht lieber die Abwanderung aus gefährdeten und potenzialarmen Bergtälern fördern statt dort wieder einen risikobehafteten Neubau von Siedlungen und Infrastruktur anzustreben? Dass diese Thematik erst heute aufkommt zeigt, wie lange es in der Schweiz jeweils dauert, bis regionalpolitische Erkenntnisse in der Praxis ankommen.
  1. Gesellschaft
Toxische Männlichkeit: Auch ein Problem der Feministinnen! Toxische Männlichkeit ist nichts, was nur Männer praktizieren. Sie ist eine Kultur, die viele von uns selbst ausüben. Der Drang, sich auch innerhalb der progressiven Kreise permanent zu sagen, wer falsch denkt und falsch handelt, ist aus meiner Sicht ein Problem. Auch wenn es sicher oft gute Argumente dafür gibt, aber der Ton, der Habitus, die Gesten der Entwertung und Verabsolutierung – es sind letztlich vereinzelnde, einsam machende Praxen, die kaum Kraft für gemeinsamen Widerstand, neue Ideen und geteilte Träume zu mobilisieren vermögen.

Bleiben Sie informiert

Neuste Diskussionen

Willkommen bei Vimentis
Werden auch Sie Mitglied der grössten Schweizer Politik Community mit mehr als 200'000 Mitgliedern
Tretten Sie Vimentis bei

Mit der Registierung stimmst du unseren Blogrichtlinien zu