Was Fachkräftemangel mit Tiefststeuerpolitik zu tun hat.
Am 3. August hat der Bund im gleichen KMU-Newsletter eine Umfrage zur „Talentknappheit“ und eine Studie zur Steuerbelastung veröffentlicht:
Fachkräftemangel: Fast die Hälfte der befragten Schweizer Unternehmen sei von Talentknappheit betroffen. Es bestehe zwar weltweit ein Überangebot an Arbeitskräften, aber sie seien zuwenig qualifiziert. „Die Krise hat den Arbeitgebern gezeigt, dass sie mit weniger Mitteln gleich viel bzw. mehr erreichen könnten. (…) In einer sich ständig verändernden Arbeitswelt sind Individuen starkem Druck ausgesetzt, dem sie nur dank geeigneter Fähigkeiten standhalten können.” Es sei unerlässlich für die Arbeitnehmenden, sich ihr Leben lang weiterzubilden, damit ihre Kompetenzen sich mit den Bedürfnissen des Unternehmens decken.
Steuern: Die Steuerbelastung auf Unternehmen und hoch qualifizierte Arbeitnehmende sei 2011 weiter abgesunken. Kein einziger der 17 untersuchten Kantone habe seine effektive Steuerbelastung auf Unternehmensebene erhöht oder plane eine solche.
Fazit: Unternehmen zahlen wenig Steuern. Die öffentliche Hand ist unter Spar- und die Arbeitskräfte sind unter Weiterbildungsdruck. Das freut kommerzielle Anbieter teurer beruflicher Weiterbildung. Vielen Arbeitskräfte fehlt aber nicht nur das Geld, sondern neben Job und Familie auch die Zeit dazu. Darum gehen den Unternehmen viele Talente verloren.
Führungskräfte der Wirtschaft täten besser daran, sich für eine berufliche Weiterbildung zu engagieren, die für alle bezahlbar ist. Stattdessen jammern sie kollektiv und lobbieren für weitere Steuersenkungen. Das kann ja auf lange Sicht nicht aufgehen!
Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide commentsIst doch kein Problem, mit der Personenfreizügikeit stehen der Schweiz die Fachkräfte von ganz Europa zur Verfügung.
Mit dieser Einstellung hat doch die schweizerische Wirtschaft während der letzten Jahre die eigenen Ausbildungsstruckturen sträflich vernachläsigt. Es war und ist doch für die Firmen nicht attraktiv, die notwendigen Fachkräfte selber auszubilden, so lange diese im Ausland besorgt werden können.
Wenn die schweizer Wirtschaft nur Zugriff auf die heimischen Arbeitskräfte hätte, würde es wieder attraktiv, diese Arbeiter gezielt den Bedürfnissen dieser Wirtschaft und des Landes entsprechend aus- und weiterzubilden.
Ich bin überzeugt, dass diese gezielte Förderung langfristig besser für unsere Wirtschaft und unser Land wäre, da damit auch die Qualität zunehmen würde. Qualität ist ein grosses Markenzeichen der Schweiz. Leider hat diese die letzten Jahre abgenommen und wir konnten nur erfolgreich bleiben, da auch andernorts die Qualität noch mehr gesunken ist.
Auch wäre es zum Vorteil jedes Einzelnen, da diese Förderung auch ihm zu Gute kommen würde.
Es ist zum Glück nicht nötig, von der Personenfreizügigkeit Abstand zu nehmen, um die berufliche Weiterbildung in der Schweiz zu fördern. Das Volk hat 2006 einem Verfassungsartikel zugestimmt, der lautet:
„Der Bund legt Grundsätze über die Weiterbildung fest. Er kann die Weiterbildung fördern.
Das Gesetz legt die Bereiche und die Kriterien fest.“ (Artikel 64a BV).
Leider ist das zugehörige Gesetz noch nicht in Kraft. Es ist erst in Erarbeitung und kommt hoffentlich bald und erfolgreich durch’s Parlament. Aber ein Gesetz, das Weiterbildung fördert, zum Beispiel indem die Angebote für alle bezahlbar sind, kann nur nützen, wenn wir auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellen und diese kommen unter anderem aus den Steuern, welche auch die Unternehmen bezahlen.
Weshalb soll sich der Bund um die berufliche Weiterbildung kümmern. Dies ist doch die Aufgabe der Wirtschaft. Sie soll selber entscheiden welche Bedürfnisse unsere Wirtschaft diesbezüglich hat.
Es macht doch keinen Sinn den Bund als Zwischeninstitution einzuschalten. Dies erhöht doch nur die Bürokratie und macht das System träge. Auch ist es nicht richtig, dass die Kosten der Ausbildung immer auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Immer spricht man von dem Verursacherprinzip. Auch hier sollte dies gelten. Jeder wirtschaftliche Bereich soll für die bereichsspezifische Ausbildung auch selber aufkommen.
Weshalb? Weil das Volk es zu Recht so beschlossen hat.
Die Schweiz wäre nicht die Schweiz, wenn alle immer alles nur selber und einzig aus Eigennutz täten. Gerade im Zusammenhang mit Bildung von Verursacherprinzip zu reden, ist völlig verfehlt.
Grundbildung, Ausbildung und berufliche sowie überfachliche Weiterbildung liegen im Interesse der Unternehmen, des Staates und der einzelnen Menschen. Die Leistung des/der Einzelnen und das Zusammenspiel aller Leistungen ergeben ein Ergebnis. Es lässt sich ablesen an den Kennzahlen der Volkswirtschaft und an der Befindlichkeit der Menschen. Um das Beste für alle zu erreichen, braucht es das koordinierte Zusammenspiel aller. Auch bezüglich Finanzierung heisst das, dass die Kosten gemeinsam getragen werden, so dass alle Menschen Zugang zu Weiterbildung haben und alle Unternehmen genug qualifiziertes Personal finden.
Sie haben recht in Bezug auf die Grundausbildung. Der Staat muss bezüglich Ausbildung eine bestimmte Basis schaffen. Diese soll auf einem hohen Niveau sein.
Aber alles weitere ist Sache der Wirtschaft. Sie soll definieren, welche Ausbildungen gebraucht werden und soll diese auch finanzieren.
Dies ist nicht mehr Aufgabe des Staates. Der Staat kann dies auch nicht, da er nicht die Flexibilität besitzt sich den heute immer schneller ändernden Umständen anzupassen. Dies muss dem freien Markt überlassen werden.
Die Fragen sind, ob der Mensch für den Markt da ist und wann der “freie” Markt den Menschen, also seine eigenen AkteurInnen, überfordert. Aus- und Weiterbildung lässt sich nun mal nicht beliebig beschleunigen, auch wenn der “freie” Markt das verlangen würde. Denn Lernen ist ein Prozess, der nicht nur Intelligenz sondern auch Zeit braucht. Das gilt für Organisationen genau so wie für einzelnen Menschen. Ich meine, das Konzept des “freien” Marktes spielt sich selber an die Wand. Das zeigen nicht zuletzt die sich ständig und in immer kürzeren Abständen folgenden Krisen. Um noch Schlimmeres zu verhindern muss sich die Politik, also letztlich das Volk, aufrappeln und dem Markt wieder die Position zuweisen, die richtig ist. Der Markt ist nicht Selbstzweck, sondern eine Organisation, um die Menschen mit den Gütern zu versorgen, die sie zum Leben brauchen.
Ja, und je mehr in diese Märkte mit Regeln eingegriffen wird, desto mehr besteht die Gefahr, dass Lücken in diesen Regeln gunutzt werden um Profit auf Kosten der Allgemeinheit zu erwirtschaften.
Der Zug geht Richtung:
Politik und Wirtschaft importieren teuer ausgebildete Fachkräfte und die Kids der Arbeiter und Angestellten sind als ungelernte für Billiglohnjobs vorgesehen.
Dieser Trend spielt sich auch im Bemühen ab, die Volksschule mit Privatschulen für die Vermögenden zu konkurenzierern. Gute Lehrer in Privatschulen, andere sind für die Volkschule vorgesehen. Eben AMI-System!
mit einem bedingungslosen grundeinkommen und einer kompletten änderung des wirtschaftssystems – weg von grosskonzern- und banken-lobbyismus, hin zu regionaler mittelstand-wirtschaft – wäre es kein problem für jeden einzelnen, seine talente in die wirtschaft lohnend (für arbeitgeber und arbeitnehmer) einzubringen… stattdessen hält man am völlig veralteten “wachstumsdogma” und an der vollbeschäftigungsideologie fest und schraubt an den details herum. das muss scheitern. das gesetz wird nichts bringen, befürchte ich…
Guten Morgen Karin Müller
In dieser Diskussion geht es mir nicht um eine komplete Änderung des Wirtschaftssystems. Dass das System des entfesselten Marktes verbunden mit dem Glauben an ein unbegrenztes Wachstum total versagt hat, ist angesichts der sich Schlag auf Schlag folgenden Krisen offensichtlich. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ist ein Vorschlag, der das eine oder andere Problem lösen könnte, aber kein Patentrezept. Die Frage, wie wir für ein Weiterbildungangebot sorgen, welches alle bezahlen können, bliebe erhalten.
Ja, richtig. Ein Grundeinkommen für alle und jeder kann sich dann selber verwirklichen. Ob sich dann genügend Leute finden die auch etwas tun das unsere Gesellschaft weiterbringt ist dann aber fraglich. Ich glaube kaum, dass es viele Leute gibt die ihre Talente als PutzfrauenMänner, in der Kehrichtabfuhr usw. sehen.
@roland steiner: klar, dass viele das heutige sklaventum aufrechterhalten wollen, damit wir eine saubere schweiz haben. putzfrauen/männer oder müll-entsorger müssten besser bezahlt werden, da sie einen wertvollen beitrag zur gesellschaft leisten. und wenn sich immer noch zu wenige finden, die den dreck der anderen wegmachen wollen, muss man’s halt selber tun. vielleicht würde man dann mal einsehen, dass wir hier nichts anderes als sklavenhandel betreiben – unter dem deckmantel der freien marktwirtschaft. ein manager könnte gar nicht arbeiten, wenn er nicht hunderte von sklaven hätte, die ihm die infrastruktur bereitstellen. im endeffekt würde endlich mal LEISTUNG bezahlt und nicht machtstreben oder besitz…
@j.gerber rüegg: ich war zwei jahre arbeitslos. und zwar nicht, weil ich mir keine weiterbildung hätte leisten können, sondern weil ich überqualifiziert (sprich: zu teuer) war/bin. ich musste mich selbstständig machen, um mir ein einkommen zu garantieren. meine kunden sind hochzufrieden, und mir macht die arbeit spass, weil ich meine talente einsetzen kann. früher im grosskonzern waren meine kreativität, mein können, meine talente nicht gefragt. ich hätte mich umschulen müssen in eine richtung, die mir überhaupt nicht liegt, um den job zu behalten… das meine ich, wenn ich sage, das system ist von grund auf krank und dass es nichts nützt, da und dort ein pflästerli aufzukleben. wenn schon weiterbildung fördern, dann bitte auch inhaltlich und v.a. dort, wo die leute wirklich talentiert sind. nicht einfach nur wieder da, wo die menschen den lobbys nützen, wo sie dann wieder ins hamsterrad von sinnlosigkeit und leistungsdruck geraten… so viele talente und ideen liegen brach – nicht, weil weiterbildung zu teuer und zeitintensiv wäre, sondern weil diese talente dazu führen würden, den “erfolg” der grosskonzerne zu untergraben. wie viele ingenieure würden lieber ihren grips für erneuerbare energien einsetzen anstatt marode kkws zu überwachen? wie viele ärzte würden gern ihre patienten heilen, anstatt sie mit medikamenten noch kranker zu machen? es gibt genug talente, sie werden nur am falschen ort eingesetzt, immer schlechter bezahlt und dadurch versanden sie…
Frau Müller, sie verstehen mich falsch. Auch ich bin für gerechte Löhne. Und diese würden auch automatisch kommen, wenn in der Schweiz das Prinzip von Angebot und Nachfrage funktionieren würde. Leider wird aber durch die grosse Zuwanderung der Markt verfälscht. Wenn die Gesellschaft in der Schweiz endlich so weit kommen würde nur mit den eigenen Arbeitskräften zu Wirtschaften, würde sich die Lohnproblematik automatisch lösen.
Da dies aber nicht funktioniert, kommen immer wieder Ideen auf wie regulatorisch eingegriffen werden kann. Leider können Regeln nie alle Bereiche abdecken und die Fantasie der Leute die solche Dinge misbrauchen ist unerschöpflich.
herr steiner, ich glaube, es ist viel zu kurz gegriffen, die pfz für lohndumping oder die fehlende soziale verantwortung gewisser arbeitgeber verantwortlich zu machen. klar, schlägt man die zeitungen auf, würde man meinen, die “ausländer” seien an all unseren problemen schuld. doch werden die probleme durch solche propaganda nicht noch verschärft? alle ausländer raus, und all unsere probleme sind gelöst. ist das wirklich ihr ernst?
um nochmals auf das problem der “fehlenden” fachkräfte zurückzukommen – ich denke nicht, dass es an fachkräften fehlt. viele fachkräfte wurden mit überhöhten löhnen aus der kmu-welt in die grosskonzerne abgezogen, dort ausgelaugt und nun den sozialwerken zugeführt (um es mal moderat auszudrücken). solange die (lokale) realwirtschaft ausgeblutet wird und die von den bedürfnissen der gesellschaft komplett abgehobenen (globalen) grosskonzerne machen, was sie wollen, wird sich nichts ändern. ich finde, auch ein bedingungsloses grundeinkommen macht nur sinn, wenn das steuersystem und das geldsystem entsprechend erneuert werden.
Ja sie haben recht, es gibt genug Fachkräfte in der Schweiz. Somit frage ich sie, weshalb brauchen wir dann die PFZ???
Auch habe ich nicht behauptet, dass die Ausländer das Problem sind. Auch ich würde mein Glück in der Schweiz versuchen wenn ich in Deutschland leben würde. Vor allem jetzt, da der Schweizerfranken so stark ist, würde ich für ein paar Jahre in die Schweiz kommen um gutes Geld zu verdienen.
Das Problem sind die lieben Leute in der Schweiz die es zulassen, dass die Bevölkerung in der Schweiz Zuwachsraten von über 2 % pro Jahr haben. Das bringt unserem Land Probleme in verschiedenen Bereichen. Aber von diesen Problemen profitieren natürlich auch wieder viele Leute in der Schweiz auf Kosten der Allgemeinheit.