„Der Sozialstaat Schweiz ist in dieser Legislatur steckengeblieben. Die Reform der Altersvorsorge ist blockiert. Die IV wird zwar saniert, aber mit unsicheren Aussichten. ALV und EO schreiben Defizite. Der paternalistische Staat ist kein Zukunftsmodell. Gefragt ist ein Umdenken.“ Es ist nicht immer ein Genuss, die NZZ zu lesen. Ganz besonders nicht, wenn man sich in den Idealen der SVP zuhause fühlt. Doch Michael Schoenenberger hat die Ausgabe des 08.-09.10.11 mit seinen Gedanken im Artikel „Der Sozialstaat und seine Fehldisposition“ bereichert. Er zeigt schlüssig auf, weshalb unser System der öffentlichen Wohlfahrt in der Krise steckt. Er ortet zwei grundlegende Übel. Erstens: „Wer über die Zuteilung der Mittel bestimmen kann und wiedergewählt werden will, der erliegt dem Anreiz, Geld zu verteilen. Oder umgekehrt: Er verspürt keine Lust, an den Leistungen des Sozialstaats zu rütteln.“ Zweitens: „Der Wohlfahrtsstaat fördert die Nachfrage nach seinen Leistungen. Wen das Gesetz dazu zwingt, sich gegen Krankheit zu versichern und einen vom Staat definierten Grundbetrag ungeachtet der eigenen Risikolage einzuzahlen, der wird Leistungen konsumieren wollen. […] Wem der Staat vorschreibt, wie viel er für sein Alter zur Seite zu legen hat, ist kaum bereit, Abstriche beim späteren Bezug in Kauf zu nehmen.“ Ich gehe mal davon aus, dass Michael Schoenenberger Alexis de Tocqueville gelesen hat. Letzterer hat in seinen Überlegungen zur Demokratie in den USA, die er im 19. Jahrhundert bereiste, viele ausserordentlich hellsichtige Gedanken über das Funktionieren der Demokratie und auch über die ihr innewohnenden Gründe zum Scheitern formuliert. Als Royalist und Adeliger betrachtete er unsere Staatsform aus kritischer Distanz. Er sagte etwa: „Die amerikanische Republik wird überleben bis zu dem Tag, an dem der Kongress die Entdeckung macht, dass er die Öffentlichkeit mit öffentlichen Geldern bestechen kann.“ Für unseren Staat läge das Heil konsequenterweise in einer Rückbesinnung auf die alten Zustände vor der Mutterschaftsversicherung, den Krankenversicherungs- und Altersvorsorgeobligatorien, der Bewegungsfreiheit der Sozialhilfebezüger und der freiwilligen Übernahme der SKOS Richtlinien in der Bemessung der Sozialbeiträge. Nur machte bereits Tocqueville darauf aufmerksam, dass sich die Mehrheit nur ungern etwas wegnehmen lässt. In einer Demokratie würde das unweigerlich zum Umsturz führen. Er sieht eine schlechte Regierung in demjenigen Moment in besonderer Gefahr, in welchem sie sich zu reformieren versucht. Wir können diesen Vorgang in Griechenland beobachten. Schoenenberger ist da zuversichtlicher. Er empfiehlt 1. keine neuen Versprechen und 2. Konfrontation mit den Tatsachen. Darin sehe ich die wichtigste Aufgabe der SVP. Aber, die Gefahren lauern auch bei uns…
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Kommentare anzeigen Hide comments@ Rolf André Siegenthaler
Genau deswegen haben die Schweiz und z. B. der Kanton Aargau die Schuldenbremse eingeführt! Mal sehen was die SVP sagt, wenn wegen dieser Schuldenbremse der Kampf um die Prioritäten in den öffentlichen Budgets wieder härter wird. Will die SVP dann immer noch neue Kampfjets auf Kosten von Sozialausgaben anschafffen?
Sehr geehrter herr Schneider
Weshalb sollen diese Kampfjets nicht angeschafft werden?
Es werden ja auch viele Ausgaben in die EU und Entwicklungsländer gemacht, (übrigens fliesst viel Geld in die Entwicklung, als in die Schweiz.)
In Italien wurde der Arbeitsminister von Berlusconis Partei umgebracht, als er versuchte den Arbeitsmarkt ein bisschen zu liberalisieren.
Was ich von Politikerinnen und Politiker höre, sind in sich gescheite, aber nichtsagende Sätze und Hinweise auf Zitate. Selbstverständlich ist viel Wahrheit dahinter und schon vor Jahrhunderten gab es blitzgescheite Leute. Hilft uns diese Feststellung mit unseren Problemen weiter? NEIN!
Kürzungen dort, wo es ums Wohl des Schweizer Volkes geht und um sich werfen mit Milliarden, wenn es dem eigenen Ego und der Parteilinie dient. Weder von einem Politiker noch einer Politikerin habe ich bisher gehört, dass sie oder er die Vorsorgesysteme nicht durch Kürzungen, sondern durch Effizienzsteigerung sanieren will. Hier raus und dort rein und dabei noch den Verwaltungsapparat aufblähen, das sind die bisherigen Resultate! Wieso jammern Pensionskassenverantwortliche über fehlende Ertragsmöglichkeiten, wenn es auch heute noch relativ sichere Titel mit über 8 Prozent Rendite gibt?
Auf http://www.powervorsorge.com ist ein Portfolio seit Januar 2009 publiziert und aktualisiert, welches jedes Jammern Lügen straft. Nicht nur das: Die CS ist Lead Bank in der Schweiz für einen Titel, welcher am 14.10.2011 eine Jahresrendite von sage und schreibe 18.31 Prozent aufweist. Übrigens: bereits 2010 zahlte dieser Titel zwischen 16 bis über 19 Prozent aus, je nach Börsenkurs; ununterbrochen! Der Dollar hat in 10 Jahren von 2001 bis 2011 ziemlich genau 50 Prozent an Wert verloren. Mit solch einem Titel hat man jedoch in 5 Jahren sein Kapital verdoppelt. Rechnen Sie selbst weiter!
Wieso konnte die UBS dem Bund gegenüber in der Finanzkrise mit 12.5 Prozent Sollzins gerade stehen und der Konto-3a-Sparer erhält lediglich 1 Prozent Zins auf sein in der Regel 30 Jahre laufendes Sparprogramm? Hier traut sich kein Politiker ran, denn Geld ist Macht und sich gegen die Macht stellen, kann die Karriere kosten. Gar nicht so abwegig, denn über 80 Prozent der Vermögen befinden sich inzwischen in Händen von weniger als 20 Prozent der Bevölkerung.
Wenn Sie eine sichere Anleihe kennen mit 8% Rendite kennen, so könnten Sie bei der Migrosbank einen Kleinkredit für 100’000 Fr. aufnehmen zu 5.9% und die Differenz einsacken. Falls sie noch mehr Hebeln wollen, so können sie einen lomardkreidit auf die gekauften Titel aufnehmen und so noch mehr zocken.
Ich als Ökonom weiss, dass es keine sichere Anlagen gibt mit hoher Rendite, denn sonst hätten die Banken dies mit ihrem Eigenhandel schon längst zum verschweinden gebracht.
Lieber Herr Keller. “Ich weiss” macht schon mal stutzig. Relativ sicher heisst eben weniger als SICHER.
Bildung und Kenntnis erzeugt Wissen. Wussten Sie, dass die Banken sich mit billigen Krediten finanzieren (~1%)und das Geld teuer weiter verleihen? Nehmen wir Ihre 5.9 Prozent, so ist dies eine Bruttomarge von 490%. Es gibt nun auf dieser Welt Titel, welche steuerbefreit sind, wenn sie 90% ihrer Nettogewinne an die Aktionäre auszahlen. So kommen Aktionärsrenditen von über 12% p.a zustande.
Dass diese Titel mit Staatsanleihen besichert sind, macht sie relativ sicher. Weil Staatsanleihen auch nur relativ sicher sind, vermeide ich das Wort SICHER allein stehend zu benutzen. –Soviel zu “ich weiss”. Wie würden Sie ein Portfolio bezeichnen, welches heute über 100% Kapitalgewinn aufweist und dabei bezüglich des Einstandspreises 16% Dividenden ausschüttet? Sie brauchen nur auf den Link im Text zu klicken.