1. Sonstiges

Unsere direkte Demokratie ist in Gefahr

Zur Schweiz gehört die di­rekte De­mo­kra­tie: die Möglichkeit des Vol­kes, durch In­itia­ti­ven und im Rah­men von Re­fe­ren­den di­rekt die Ver­fas­sung und die Ge­setze mit­zu­ge­stal­ten und al­len­falls auch die Mit­glie­der der Re­gie­rung zu wählen. Die di­rekte De­mo­kra­tie be­grenzt die Macht der Re­gie­rung, wobei schon al­lein die Aus­sicht, mit einer Vor­lage vor dem Volk be­ste­hen zu müssen, dazu beiträgt, dass die Re­gie­rung sich am Volk aus­rich­tet. In einer di­rek­ten De­mo­kra­tie wer­den die Ent­schei­dun­gen von den un­mit­tel­bar Be­trof­fe­nen ge­fasst. Damit wird gewährleistet, dass der Staat sich um die tatsächlichen Bedürfnisse der Bürger kümmert und mit sei­nen Mit­teln haushälterisch um­geht. Dank der di­rek­ten De­mo­kra­tie ist die Macht im Staat auf viele Köpfe ver­teilt. Ein Ein­zel­ner oder eine Grup­pie­rung kann in einer di­rek­ten De­mo­kra­tie nicht uneingeschränkt herr­schen. Und schliess­lich führt die di­rekte De­mo­kra­tie in aller Regel zu guten Ent­schei­den, weil in ihnen die Weis­heit aller Bürger zum Aus­druck kommt: die Le­bens­er­fah­rung der Men­schen, ihre In­tui­tion, ihr Au­gen­mass, ihre Sor­gen und Ängste, ihre emo­tio­nale Bin­dung zur Hei­mat, ihre Vor­stel­lun­gen von An­stand und Mo­ral, ihre Sorge um die Um­welt und un­sere Nach­kom­men.

Angesichts all dieser Vorzüge der direkten Demokratie verwundert es nicht, dass noch heute täglich auf der ganzen Welt Menschen mit der Forderung nach Demokratie auf die Strasse gehen. In der Schweiz hingegen wird auf leisen Sohlen, aber beharrlich und auf breiter Front gegen den direktdemokratischen Einfluss des Volkes gekämpft.

Verfassung​sgerichtsbarkeit

So will der Bundesrat die Verfassungsgerichtsba​rkeit ausbauen. Wenn das Bundesgericht in einem konkreten Streitfall ein Bundesgesetz für verfassungswidrig hält (zum Beispiel die heutige Namensregelung im Eherecht, weil sie der Gleichbehandlung der Geschlechter widerspricht), soll das Bundesgericht – anders als heute – nicht an das Gesetz gebunden sein. Dieser Vorschlag leuchtet zunächst durchaus ein: Die Verfassung steht über den Gesetzen, und zudem ist sie demokratisch stärker abgestützt (weil ihr zwingend eine Mehrheit des Volkes zugestimmt hat, während Gesetze vom Parlament erlassen werden und das Volk ihnen nur im Fall eines Referendums zuzustimmen braucht). Die Normen der Verfassung – angesprochen sind hier vor allem die Grundrechte – sind jedoch naturgemäss offen formuliert und bedürfen der Konkretisierung im Einzelfall. Es geht dabei um die Abwägung von Interessen und damit um eine wertende Entscheidung. Gerade darum kann es vorkommen, dass das Parlament Gesetzesbestimmungen erlässt, die es für verfassungskonform hält, die sich im Nachhinein aber als verfassungswidrig erweisen. Wenn nun Richter Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit​ hin überprüfen sollen, können auch sie nicht ohne eigene Interessenabwägung und ohne eigene wertende Entscheidung beurteilen, ob eine Gesetzesbestimmung der Verfassung widerspricht. Sie müssen ein Urteil fällen, das zwar in rechtliche Argumente gekleidet ist, im Kern aber einen politischen Charakter hat, und heben gegebenenfalls den vom Parlament und allenfalls dem Volk getroffenen Entscheid auf. Eine solche Machtverschiebung vom Parlament und vom Volk hin zu ein paar wenigen Richtern ist abzulehnen.

Völkerre​cht als Schranke von Verfassungsänderungen​

Der Einfluss des Völkerrechts auf unsere Rechtsordnung nimmt laufend zu. Hand in Hand mit dieser Entwicklung geht ein schleichender Abbau der demokratischen Mitwirkungsrechte des Volkes. Das zeigt sich beim zwingenden Völkerrecht als Schranke von Verfassungsinitiative​n, und zwar sowohl anlässlich der Vorprüfung der Initiativen als auch bei der Umsetzung nach ihrer Annahme. Als Beispiele zu nennen sind die Ausschaffungsinitiati​ve, die Verwahrungsinitiative​ und die Minarett-Initiative. Die Schranke des zwingenden Völkerrechts ist als solche unbestritten; sie steht schon heute in unserer Verfassung. Doch ist keineswegs klar, was zum zwingenden Völkerrecht gehört und was die Tragweite gewisser völkerrechtlicher Normen ist. Zum Beispiel gibt es eine Tendenz unter den Staats- und Völkerrechtlern, eine Kategorie des „regionalen zwingenden Völkerrechts“ zu begründen, was dazu führen könnte, dass ein grosser Teil der Normen der Europäischen Menschenrechtskonvent​ion (EMRK) als zwingendes Völkerrecht unserer Verfassung vorgehen würde. Das zwingende Völkerrecht ist somit nicht eine ein für alle Mal festgelegte Schranke; es gibt Tendenzen, sie auszubauen, womit die demokratischen Mitwirkungsrechte weiter eingeschränkt würden.

Vorrang des Völkerrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichts

Der Einfluss des Völkerrechts auf unsere Rechtsordnung wächst aber auch, weil die Gerichte diesen Einfluss zulassen und sogar verstärken. Auch diese Entwicklung findet fernab von einer direktdemokratischen Mitwirkung des Volkes statt. So ist das Bundesgericht schon länger dazu übergegangen, Bundesgesetze im konkreten Anwendungsfall auf ihre Vereinbarkeit mit der EMRK zu überprüfen (womit es die EMRK in gewisser Weise über die Verfassung hebt, da es zurzeit noch keine Verfassungsgerichtsba​rkeit mit Bezug auf Bundesgesetze gibt). Die EMRK wird ihrerseits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Rahmen der Auslegung laufend weiterentwickelt. EMRK-Spezialisten räumen ein, dass niemand 1974, als die Schweiz die EMRK ratifizierte, ahnte, was alles einmal aus diesem Staatsvertrag abgeleitet würde. Im Ergebnis steht nicht nur die EMRK, sondern auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über dem schweizerischen Bundesgesetzgeber.

A​uch das EU-Recht beeinflusst über die Rechtsprechung der Gerichte unsere Rechtsordnung. Wenn der Schweizer Gesetzgeber aus eigenen Stücken unsere Gesetze dem EU-Recht anpasst – was in manchen Bereichen sinnvoll ist –, dann berücksichtigt das Bundesgericht bei der Anwendung dieser Gesetze auch Weiterentwicklungen des EU-Rechts, die nach der Übernahme dieses Rechts eingetreten sind. Begründet wird dies damit, dass die mit der Übernahme des EU-Rechts angestrebte Rechtsangleichung nur dann erreicht wird, wenn unser Recht auch die späteren Entwicklungen in der EU mitmacht. Damit wird jedoch das schweizerische Gesetzgebungsverfahre​n umgangen.

Die Volksinitiative „Staatsverträge vors Volk!“ der AUNS will dem wachsenden Einfluss des Völkerrechts mit einem Ausbau des Staatsvertragsreferen​dums entgegentreten. Staatsverträge in wichtigen Bereichen sollen gemäss der Initiative zwingend Volk und Ständen vorgelegt werden müssen.

Bilaterale III

In unmittelbarer Zukunft drohen schliesslich Einschränkungen der demokratischen Mitwirkungsrechte im Bereich der Bilateralen Verträge. Hier stehen – wenige Tage nach den Wahlen – Grundsatzentscheidung​en zur Frage an, ob und wie genau die Schweiz auf die Forderung der EU nach einer Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen bei den sogenannten institutionellen Fragen eingehen soll. Es geht hier um die automatische Übernahme neuer EU-Vorschriften im Rahmen bestehender bilateraler Verträge, um die einheitliche Auslegung der Verträge und um die Einsetzung einer besonderen Behörde zur Beurteilung von Meinungsverschiedenhe​iten. Mit einer solchen Anbindung an das Rechtssystem der EU würden fast unweigerlich die direktdemokratischen Mitwirkungsrechte eingeschränkt.

Der Kampf gegen den Abbau der direkten Demokratie geht in die entscheidende Runde. Im gegenwärtigen Wahlkampf ist dieses Thema zu kurz gekommen; nicht zuletzt, weil die anstehende Diskussion über einen weiteren Ausbau der bilateralen Beziehungen mit der EU offenbar gezielt bis nach den Wahlen unter dem Deckel gehalten werden sollte. Die SVP hat jedoch immer darauf hingewiesen, dass unsere direkte Demokratie in Gefahr ist und durch eine schleichende Anbindung an die EU und durch die Übernahme von immer mehr Völkerrecht laufend weiter eingeschränkt wird. Schritt für Schritt geben wir die Vorzüge der direkten Demokratie preis. Es ist zu hoffen, dass dann, wenn in der politischen Diskussion offen über den Abbau der direkten Demokratie verhandelt wird, genügend Vertreter der SVP in Bern ihre Stimme erheben können und das auch tun werden.

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Unsere direkte Demokratie ist in Gefahr
  • Oktober 19, 2011

    Hüben wie drüben, unsere (direkte) Demokratie geht vor die Hunde; was in jüngster Zeit beschlossen wurde, ist doch mit gesundem Menschenverstand und einem Minimum an Demokratieverständnis​ nicht vereinbar.
    http://yo​utu.be/rPHzruEbQtE

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    • Juli 19, 2021

      Herzlichen Dank Derek Richter für den Link. Ein weiterer unfassbarer diktatorischer Skandal der EU. Und unsere Linken Blinden wollen wirklich in diese EU. Gut bei diesem Schwachen Bundesrat wird es wohl gleich 3 Tage nach den Wahlen eine Anbindung an die EU plant..auch daran wohl..unfassbar

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    • Juli 19, 2021

      Danke für den Link, Herr Schneider. Der Film ist bestimmt polemisch – aber jeder einzelne Punkt, den er anprangert, steht wirklich in diesem Vertrag. Da muss man sich schon ein paar Fragen gefallen lassen.

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  • Oktober 19, 2011

    In der Tat: “Der Kampf gegen den Abbau der direkten Demokratie geht in die entscheidende Runde”. Ich wünsche mir, dass das Thema nicht zum die-SVP-gegen-alle oder alle-gegen-die-SVP wird stilisiert werden können. Es ist im ureigenen demokratischen Interesse jeder Schweizerin und jedes Schweizers, egal welcher Couleur, dass uns diese grossartige und einmalige Errungenschaft erhalten bleibt. Kompromisse sind oft nötig, aber hier kann es keinen geben.

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  • Oktober 24, 2011

    Sehr sehr schade haben sie es nicht geschafft Herr Vogt. Sie sind eine tolle Persönlichkeit und stehe ehrlich dazu, nicht über jedes Thema fundiert Bescheid zu wissen. Es ist nicht nur eine Stärke etwas zu wissen, sondern auch eine Stärke ist, wenn man zugeben kann mal etwas nicht zu wissen. Hätte in Bern gut getan. Aber natürlich wären sie in Wirtschaftsreichen und Demokratiestärkung ein ideale Persönlichkeit ebenfalls gewesen. Ich hoffe sie treten in 4 Jahren nochmals an und wünsche ihnen beruflich und persönlich alles Gute!

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  • Oktober 25, 2011

    Bravo Herr Vogt. Uebrigens Schreiber unten dran sagte die SVP käme noch auf knapp 25% Wähleranteil. Sieht man schon wieviel Wahrheitsgehalt in seinen Aussagen ist, in Wahrheit sieht es für die SVP viel besser aus im Gegensatz zu seinen Grünen. Aber nun zum Thema, es soll nur aufzeigen bitte unseren Grünen Wähler nicht zu ernst nehmen. So stimmt auch dieser Beitrag von ihm nicht. Das zwingende Völkerrecht wird in keinem einzigen Punkt verletzt. Und es zeigt von der schlimmen Haltung der Linken, dass sie kriminelle Ausländer unter irgendein Völkerrecht stellen wollen und diese nicht ausgeschafft werden können. irgend ein Vökerrecht über das aber kein Volk bestimmt hat, geschweige den Völker, sondern ein paar Intellektuelle, welche übrigens auch die Fehlbildung EU zu verantworten haben. Und diese wollen nun unser Volksrecht die direkte Demokratie abschaffen. Unglaublich. Der Ständerrat entscheid eine Vorprüfung von Initiativen (notabene selbst Herr Vischer Grüne findet dies absolut falsch….), mit einem Warnhinweis vor Unterschriftensammlun​g. Und selbst wenn es dort ein OK geben sollte, kann NACHDEM DIE INITIATIVE angenommen wurde ein Verfassungsrichter diese Abstimmung dann nochmals als ungültig erklären. Dies ist diabolisch und gefährlich. Heuchlerisch besonders wie die gleichen welche dies beschlossen haben, die SVP kritisierten weil diese nicht wegen den Kampfjets vors Volk wollen, obschon das Volk das Rüstungsreferendum nicht wollte. Und nun dieses heuchlerische Gebaren. ihr Punkt “Der Einfluss des Völkerrechts auf unsere Rechtsordnung wächst aber auch, weil die Gerichte diesen Einfluss zulassen und sogar verstärken. Auch diese Entwicklung findet fernab von einer direktdemokratischen Mitwirkung des Volkes statt. So ist das Bundesgericht schon länger dazu übergegangen, Bundesgesetze im konkreten Anwendungsfall auf ihre Vereinbarkeit mit der EMRK zu überprüfen (womit es die EMRK in gewisser Weise über die Verfassung hebt, da es zurzeit noch keine Verfassungsgerichtsba​rkeit mit Bezug auf Bundesgesetze gibt). Die EMRK wird ihrerseits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Rahmen der Auslegung laufend weiterentwickelt. EMRK-Spezialisten räumen ein, dass niemand 1974, als die Schweiz die EMRK ratifizierte, ahnte, was alles einmal aus diesem Staatsvertrag abgeleitet würde. Im Ergebnis steht nicht nur die EMRK, sondern auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über dem schweizerischen Bundesgesetzgeber” kann ich besonders unterstützen. Aber auch wie der Bundesrat nun die Mitbestimmung des Volkes bei den bilateralen einschränken will oder einen schleichenden Beitritt in die EU will. Nein wir dürfen nicht zulassen wie der Bundesrat und die Mittelinken die Schweiz verkaufen will und die direkte Demokratie abschaffen will. Das Volk hat die SVP wieder zur Wählerstärksten Partei gemacht. Und obschon die Medien und Parteien sich schon freuten wegen angeblich knapp 4% Wäherverlust der SVP sind es in Wahrheit deutlich weniger. Und dies auch nur weil die SVP-Tehemen extra vor den Wahlen verschwiegen wurde. Wie wird es wohl nun werden wenn es allen klar wird wie die Mittelinken die Schweiz in die EU führen will und insbesondere die direkte Demokratie abschaffen will. Weitere Siege der SVP sind vorgezeichnet. Danke dass sich die SVP gegen die Diktatur wehrt und für die dirkete Demokratie kämpft. Es gibt nur die SVP. Danke

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  • Oktober 28, 2011

    Herr Vogt,
    Ich habe nur eine Frage: Wie weit kann von unserer europhilen Landesregierung in diesen Fragen überhaupt rechtsgültig entschieden werden ohne die Zustimmung der Bevölkerung?

    Könne​n Sie – oder ein informierter Vimentis Nutzer mir diese Frage beantworten bevor ich hysterisch werde? Also schnell, bitte.

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  • März 27, 2014

    “Die EMRK wird ihrerseits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Rahmen der Auslegung laufend weiterentwickelt. EMRK-Spezialisten räumen ein, dass niemand 1974, als die Schweiz die EMRK ratifizierte, ahnte, was alles einmal aus diesem Staatsvertrag abgeleitet würde. Im Ergebnis steht nicht nur die EMRK, sondern auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über dem schweizerischen Bundesgesetzgeber.”

    Das trifft zu, Herr Vogt, und ist auch richtig so, und die Nichteinhaltung durch die Schweiz führt zu Verurteilungen, u. a. mit finanziellen Folgen.

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  • Juni 29, 2015

    Solange Wendehälse wie Vogt mal so mal so stimmen und reden, rückgradlos dazu, geht’s mit unserer Demokratie bergab! Seine Haltung zur Gotthardröhre zeigts!

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