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Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung”

Das Thema Einwanderung stellt die Schweiz vor ein Dilemma. Zum einen ist die Schweiz angewiesen auf Einwanderer, insbesondere als Arbeitskräfte. Zum anderen werden immer wieder auch die negativen Effekte der Einwanderung diskutiert. Für die Initianten der vorliegenden Volksinitiative ist die Zuwanderung in die Schweiz heute nicht streng genug geregelt. Zu viele Ausländer würden in die Schweiz kommen. Die negativen Effekte der Einwanderung würden aufgrund der grossen Masse der Einwanderer die positiven Effekte deutlich überwiegen. Um diese Situation zu verändern wurde die Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ eingereicht.

Ausgangslage

Im Jahr 2002 trat das Freizügigkeitsabkommen (siehe Review “Hoffnungen und Befürchtungen zur Personenfreizügigkeit“) zwischen der Schweiz und der EU in Kraft. Ausserdem gilt es auch für die Länder Norwegen, Island und Liechtenstein (EFTA-Staaten). Das Freizügigkeitsabkommen ist Bestandteil der Bilateralen Verträge I, die zwischen der Schweiz und der EU ausgehandelt wurden. Seither haben EU-Bürger das Recht auf Einreise, Aufenthalt und Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Bleiben dürfen EU-Staatsangehörige, wenn sie eine berufliche Anstellung in der Schweiz vorweisen können. Im Gegenzug geniessen Schweizer in den Vertragsländern die gleichen Rechte.

Dieser Grundsatz ist durch das Anrufen der sogenannten Ventilklausel von Seiten der Schweiz zurzeit jedoch noch schwach eingeschränkt. Diese Klausel erlaubt es der Schweiz unter gewissen Umständen, die Einwanderung aus der EU trotz Freizügigkeit zu begrenzen. Die Ventilklausel hat jedoch für die meisten Länder der EU nur noch bis im Mai 2014 Gültigkeit. Danach kann sie nicht mehr angerufen werden. Darauf hat die Schweiz reagiert, indem konkrete Gesetze zum Verhindern von negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit in Kraft gesetzt wurden („flankierende Massnahmen“). Im Bereich des Lohndumpings (siehe Kasten) wurden beispielsweise Massnahmen ergriffen, um die Arbeitsnehmer zu schützen.

Arbeitssuchende Ausländer aus Nicht-EU-Staaten haben bereits heute deutlich strengere Aufnahmebedingungen. Für sie gibt es bereits jährliche Höchstzahlen (ca. 11’000 pro Jahr), die nicht überschritten werden dürfen. Aus Nicht-EU-Staaten werden ausserdem nur dann Arbeitskräfte aufgenommen, wenn die betreffenden Arbeitsstellen nachweislich nicht durch Schweizer oder EU-Bürger besetzt werden können.

Die Asylpolitik ist bisher unabhängig von der übrigen Zuwanderungspolitik geregelt.

Was wird geändert?

Die Initiative würde zu einer grundlegenden Änderung der Schweizer Zuwanderungspolitik führen. Anstelle der Personenfreizügigkeit soll die Einwanderung neuerdings durch jährliche Höchstzahlen (sogenannte „Kontingente“) für Aufenthaltsbewilligungen für ausländische Personen gesteuert werden.

Die Initiative möchte diese Höchstzahlen auf alle Einwanderer anwenden. Sowohl Grenzgänger, Arbeitskräfte aus der EU und dem Rest der Welt wie auch Flüchtlinge (Asylsuchende) wären von dieser Regelung betroffen. Sie alle dürften nur so lange einreisen, bis die beschlossene Höchstzahl erreicht ist.

Auswirkungen

Die Personenfreizügigkeit mit der EU ist in den Bilateralen Verträgen I zwischen der Schweiz und der EU verankert. Die Personenfreizügigkeit müsste in der Folge neu verhandelt oder, falls die EU Neuverhandlungen ablehnt, gekündigt werden. Alle Verträge der Bilateralen I würden in diesem Fall aufgelöst („Guillotine-Klausel“, siehe Kasten).

Der Zugang zum schweizerischen Arbeitsmarkt würde für EU-Bürger erschwert. Dies beträfe sowohl Niedriglohnangestellte, als auch gut ausgebildete Angestellte in höheren Lohnsegmenten.

Erst in der Umsetzung der Initiative würden die genauen Maximalzahlen beschlossen. Diese könnten theoretisch auch einfach so hoch sein, dass sie in der Realität keinen Unterschied zur jetzigen Situation darstellen würden. In diesem Fall ist es denkbar, dass die EU die Bilateralen Verträge I nicht kündigen würde. Solche Szenarien sind aber reine Spekulation. Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Initiative auf die Einwanderung, die Schweizer Wirtschaft und die internationalen Beziehungen der Schweiz sind im Moment sehr schwierig abzuschätzen.

Argumente der Befürworter

Im Moment reisten sehr grosse Mengen an Einwanderern in die Schweiz ein (60’000-80’000 jährliche Nettoeinwanderer laut dem Bund (siehe Kasten)). Die Schweiz müsse die Kontrolle über die Einwanderung haben und diese nach den eigenen wirtschaftlichen Interessen steuern können.

Die unkontrollierte Zuwanderung in die Schweiz habe zahlreiche negative Auswirkungen. So zum Beispiel überforderte Sozialwerke, überfüllte Züge und Strassen, Wohnungsknappheit, Lieferengpässe für Energie etc.

Lohndumping durch ausländische Arbeitskräfte führe zu tieferen Löhnen für alle. Durch die Initiative würde Schweizer Arbeitsnehmern gewissermassen ein Vorzugsrecht vor Ausländern zugestanden, was Lohndumping verhindern könne.

Die Einwanderung müsse als Ganzes betrachtet werden. Die Zuwanderung von Arbeitskräften und die Asylpolitik müssten deshalb gemeinsam geregelt werden. Nur so könnten die Probleme, welche die Einwanderung in der Schweiz verursache, effektiv angepackt werden.

Gerade Asylbewerber nützten oft die Sozialwerke aus und müssten deshalb härteren Regeln unterzogen werden. Die vorgesehenen Kontingente böten solche Regeln.

Argumente der Gegner

Die Bilateralen Verträge I seien sehr wichtig für das „Erfolgsmodell Schweiz“. Wegen der Guillotine-Klausel (siehe Kasten) würden nach dem Auflösen der Personenfreizügigkeit auch die anderen Teile der Bilateralen I hinfällig. Der EU-Botschafter in der Schweiz bestätigt dieses Szenario. Dies würde zu einer enormen Schwächung des Schweizer Wirtschaftsstandortes führen, zahlreiche Arbeitsplätze gefährden und das Wirtschaftswachstum hemmen.

Die Schweiz würde sich in eine isolierte aussenpolitische Position bringen. Gerade die Beziehungen mit der EU, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz, wären stark gefährdet.

In der heutigen Situation könnten sich (ausser Flüchtlingen) nur Leute in der Schweiz niederlassen, die hier einen Arbeitsvertrag erhalten haben. Das zeige, dass diese Leute von der Wirtschaft gebraucht würden. Nur durch die jetzige, freie Regelung könnten genügend ausländische (Fach-) Arbeitskräfte ins Land geholt werden. Die tiefe Arbeitslosenquote und die hohe Wettbewerbsfähigkeit bestätigten dies.

Aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen müsse jeder Asylbewerbende als Einzelfall geprüft werden. Die Verbindung von Asylsuchenden und anderen Einwanderern sei deshalb nicht sinnvoll.

Literaturverzeichnis

Der Bundesrat. (2013). Bundesrat ruft Ventilklausel für EU-17 und EU-8 an. Gefunden am 8.12.2013 unter Link

Der Bundesrat. (2013). Volksabtimmungen vom 9.Februar 2014 Erläuterungen des Bundesrates. Gefunden am 11.12.2013 unter Link

Economiesuisse. (2013). Informationsblatt 7: Drittstaatenkontingente. Zuwanderung: Kontingente regeln die Zuwanderung aus Drittstaaten. Gefunden am 8.12.2013 unter Link

Eidgenössisches Justizdepartement (EJPD). (2013). Personenfreizügigkeit Schweiz – EU/EFTA. Gefunden am 8.12.2013 unter Link

Heselhaus, S. & Hänni, J. (2011). Rechtsgutachten zur Frage der Vereinbarkeit der eidgenössischen Volksinitiative „Gegen Masseinwanderung“ (Zuwanderungsinitiative) mit dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen). Gefunden am 8.12.2013 unter Link

Masseneinwanderung.ch. (2013). Argumentarium Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“. Gefunden am 8.12.2013 unter Link

Nufer, C. (2013). Riskiert die Schweiz die Bilateralen I? Link Gefunden am 8.12.2013 unter Link

Masseneinwanderung_Gesamttext.pdf – PDF

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