Tier- und Menschenversuche finden insbesondere in der medizinischen und biologischen Forschung Anwendung. Dabei werden unter anderem Medikamente auf Sicherheit und Wirksamkeit überprüft, oder Funktionsmechanismen von biologischen Strukturen untersucht. Tier- und Menschenforschung wird grundsätzlich unterschieden und unterliegt unterschiedlichen, weitreichenden Einschränkungen. Die Initiative hat ein totales Verbot von Tier- und Menschenversuchen zum Ziel, ausserdem dürften auch Produkte, welche mit Tierversuchen entwickelt wurden, nicht mehr importiert werden.

Ausgangslage

Tier- und Menschenversuche sind essenziell in der Forschung von Krankheiten und potenziellen Medikamenten. Der Tierschutzindex bescheinigt der Schweiz eines der weltweit strengsten Tierschutzgesetze. Die Anforderungen für Tierversuche sind dabei weitreichend: ein Tierversuch darf nur stattfinden, wenn gleichwertige Erkenntnisse nicht anders gewonnen werden können; die Belastung der Tiere muss so gering wie möglich sein; der mögliche Nutzen für die Gesellschaft muss gewichtig sein; es dürfen nicht mehr Tiere als notwendig eingesetzt werden. Auch für die Forschung am Menschen gelten Einschränkungen: die Interessen, Gesundheit und das Wohlergehen des einzelnen Menschen haben Vorrang gegenüber den Interessen der Wissenschaft und Gesellschaft; Menschenversuche dürfen nur stattfinden, wenn gleichwertige Erkenntnisse nicht anders gewonnen werden können; die beteiligten Personen müssen gut informiert und einverstanden sein; eine kantonale Ethikkommission muss die Forschung vorgängig prüfen und bewilligen. Weitergehende Bedingungen gelten für die Forschung mit urteilsunfähigen Personen.

Tierversuche werden von der kantonalen Tierversuchskommission geprüft, in der auch Tierschutzorganisationen vertreten sind. Dort werden die geltenden Kriterien geprüft. In den letzten 40 Jahren hat der Einsatz von Versuchstieren stark abgenommen, von knapp 2 Millionen Anfang der 1980er-Jahre auf aktuell rund einer halbe Million. Die Mehrheit davon machen Ratten und Mäuse aus. 40% der Tiere waren keinen Schmerzen ausgesetzt. 3,5% hingegen waren schweren Belastungen ausgesetzt.

Mit der Annahme der Initiative wären Tier- und Menschenversuchsverbote in der Schweiz gänzlich verboten, und der Import von Produkten, welche mit dem Einsatz von Tier- und Menschenversuchen hergestellt wurden, wäre untersagt. Auch soll die tierversuchsfreie Forschung mindestens zu gleichen Teilen wie die Forschung mit Tierversuchen staatlich gefördert werden. Eine Ausnahme vom Tier- und Menschenversuchsverbot besteht bei «Erstanwendungen», welche im überwiegenden Interesse der betroffenen Menschen und Tiere liegen, erfolgsversprechend sowie kontrolliert und vorsichtig vollzogen werden sollen. Inwiefern sich diese von traditionellen Tierversuchen unterscheiden, lässt die Initiative offen.

Die Annahme der Initiative hätte nicht nur Auswirkungen auf die zukünftige Zulassung von Medikamenten, sondern auch auf den Import bereits zugelassener Medikamente, welche anhand von Tierversuchen angepasst werden, wie etwa Grippeimpfstoffe. Diese Grippeimpfung müsste also bei ausbleibender technischer Innovation ohne Tier- und Menschenversuche im Ausland erfolgen.

Die Gegner der Initiative befürchten unter anderem schwerwiegende Auswirkungen auf den Forschungsstandort Schweiz, das Gesundheitssystem, sowie die Agrarindustrie. Auch würde das Importverbot wahrscheinlich gegen das WTO-Abkommen und Freihandelsabkommen mit der EU und anderen Staaten verstossen.

Argumente der Befürworter

Das Initiativkomitee betrachtet Tierversuche als Tierquälerei. Daher stuft die Initiative Tierversuche auch als Tierquälerei ein, welche als Verbrechen geahndet werden könnten. Seit 60 Jahren komme das 3R-Modell – also ersetzen, reduzieren, verfeinern – zur Anwendung, dennoch würden nach wie vor zu viele Tiere gequält.

Dabei brächten solche Versuche nicht viel: von 100 Wirkstoffen versagten 95 bei Menschenversuchen. Tier- und Menschenversuche könnten keine aussagekräftigen Daten liefern, sondern lediglich vage Durchschnittswerte. Der Mensch sei ein Individuum, welches dementsprechend individuelle Medizin benötige. Mit Tierversuchen, welche aus einer Reihe von Tests an einem Labortier bestünden, käme man diesem Ziel nicht näher, da die Situation im Versuchslabor der Realität nicht nahekomme.

Nicht zustimmungsfähige Tiere und Menschen seien vor dem Missbrauch für Experimente zu schützen. Forschung könne auch ohne unnötiges Leid betrieben werden, beispielsweise an Biomaterialien aus Operationsabfällen. Denn bei Tierversuchen sei Übertragbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit nicht gesichert, da die Unterschiede zwischen den Arten zu gross seien.

Die Initiative stelle ferner eine Chance für Forschung und Medizin dar, da Ressourcen für die Entwicklung von Dummysystemen und neuen Methoden freigesetzt würden.

Argumente der Gegner

Bundesrat und Parlament sind gegen die Initiative. Im National- und Ständerat hat sich niemand dafür ausgesprochen.

Schon heute gäbe es Mechanismen, um Tierversuche wenn immer möglich zu vermeiden. Die Initiative gehe allerdings mit einem absoluten Verbot von Tierversuchen zu weit und habe schwerwiegende Auswirkungen für Gesundheit und Wirtschaft.

Die öffentliche Gesundheit werde durch die Annahme der Initiative ernsthaft gefährdet, da viele Medikamente in der Schweiz nicht mehr zur Verfügung stünden. Es werde eine Zweiklassenmedizin eingeführt, da eine Reise ins Ausland zur Einnahme der benötigten Medikamente nicht für alle finanzierbar sei.

Tierversuche seien etwa in der Krebsforschung oder der Chirurgie nach wie vor unabdingbar. Dennoch werde die tierversuchsfreie Forschung gefördert, etwa im Rahmen eines mit 20 Millionen Franken dotierten Forschungsprojektes. Zudem habe die Schweiz bei Tier- und Menschenversuchen schon eine der weltweit strengsten Regelungen, und die meisten Tierversuche fänden schmerzlos statt.

Auch die Wirtschaft würde unter dem Tierversuchsverbot leiden. Forschungsprojekte würden ins Ausland verlegt, welches mit einer Firmenabwanderung und einem Arbeitsplatzverlust einher ginge. Zudem könnte die Initiative auch gegen internationale Verträge verstossen, welche dann neu ausgehandelt werden müssten.

 

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Volksinitiative Tier- und Menschenversuchsverbot


Quellen

Bundeskanzlei (2022). Eidgenössische Volksinitiative ‘Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt’. Gefunden am 18. Januar 2022 unter https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis477t.html

Bundesrat (2021). Erläuterungen des Bundesrates – Volksabstimmung vom 13.02.2022. Gefunden am 17. Januar 2022 unter https://www.admin.ch/dam/gov/de/Dokumentation/Abstimmungen/Februar2022/DE%20B%C3%BCchlein.pdf.download.pdf/DE%20B%C3%BCchlein.pdf

Bundesrat (2022). Volksinitiative «Ja zum Tier und Menschenversuchsverbot». Gefunden am 17. Januar 2022 unter https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20220213/volksinitiative-ja-zum-tier-und-menschenversuchsverbot.html

IG Tierversuchsverbots-Initiative (2020). Klärungen zur Tier- und Menschenversuchsverbots-Initiative. Gefunden am 17. Januar 2022 unter https://tierversuchsverbot.ch/wp-content/uploads/Tierversuchsverbot_BotschaftBR_Klaerungen_DE_20200213a_VAI_LO_MMV_rb.pdf

IG Tierversuchsverbots-Initiative (2017). TierVersuchsVerbots INITIATIVE. Gefunden am 17. Januar 2022 unter https://tierversuchsverbot.ch/wp-content/uploads/Flyer_TVVI_201504.pdf

Nein zum Verbot von Tierversuchen (2021). Argumentarium gegen die Tier- und Menschenversuchsverbots-Initiative. Gefunden am 18. Januar 2022 unter https://www.tierversuchsverbot-nein.ch/media/299/download

SRF (2022). Die Initiative für ein Tierversuchsverbot in Kürze. Gefunden am 18. Januar 2022 unter https://www.srf.ch/news/abstimmungen-13-februar-2022/initiative-tierversuchsverbot/auf-einen-blick-die-initiative-fuer-ein-tierversuchsverbot-in-kuerze

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