1. Gesellschaft

Vom Nutzen wissenschaftlicher Studien

Die mensch­li­che Wahr­neh­mung un­ter­liegt Feh­lern. Bei­spiels­weise überschätzen wir die Wir­kung von spektakulären Ein­ze­ler­eig­nis­se​n wie Gross­ka­ta­stro­phen​ und ver­schlies­sen uns den täglich statt­fin­den­den Ge­scheh­nis­sen, ob­schon deren Aus­wir­kun­gen ins­ge­samt schwer­wie­gen­der sind. Wir las­sen uns von be­kann­ten Ar­gu­men­ten eher überzeugen als von un­be­kann­ten und wir ge­wich­ten höher, was uns di­rekt be­trifft. Diese Me­cha­nis­men die­nen der Fil­te­rung von In­for­ma­ti­on. Sie stel­len un­sere Handlungsfähigkeit und men­tale Ge­sund­heit si­cher. Wer nicht fo­kus­sie­ren kann, wird sich nie ent­schei­den und wird al­len­falls irr­sin­nig. Hier hel­fen wis­sen­schaft­li­che​ Stu­dien wei­ter. Die Wis­sen­schaft ver­sucht, verfügbare In­for­ma­tio­nen nach ob­jek­ti­ven Kri­te­rien zu sam­meln, in Da­ten­rei­hen zu brin­gen und aus­zu­wer­ten, um un­se­rer sub­jek­ti­ven Wahr­neh­mung ob­jek­ti­vierte Aus­sa­gen ent­ge­gen­zu­set­zen​. Auch wis­sen­schaft­li­che​ Ar­beit un­ter­liegt Feh­lern, wes­halb ein wich­ti­ger Grund­satz die Re­pro­du­zier­bar­ke​it ist. Je­der­mann müsste das Re­sul­tat der Stu­die eben­falls er­rei­chen, wenn er die Me­thode und die Art der Da­te­ner­he­bung ko­piert. Aus­ser­dem muss eine Stu­die auch ihre Gren­zen of­fen­le­gen. Die­ser Tage wur­den zwei Stu­dien veröffentlicht, die in den Me­dien kon­tro­vers dis­ku­tiert wer­den, weil sie die Be­quem­lich­keit vie­ler Mitbürger stören. Die erste ist von Pa­trick Schel­len­bauer im Auf­trag von ave­nir­suisse unter dem Ti­tel: „Wanderung, Woh­nen und Wohlstand“ als Dis­kus­si­ons­pa­pie​r ver­fasst wor­den, um die von der SP an­ge­ris­se­nen Po­le­mik um die Miet­zin­s­ent­wick­l​ung zu ver­sach­li­chen, aber auch um die Abhängigkeit der Mie­ten von der Zu­wan­de­rung auf­grund der Personenfreizügigkeit​ zu un­ter­su­chen. Fa­zit: Die Miet­zin­sen sind seit 1970 we­ni­ger stark ge­stie­gen als die Ein­wan­de­rung und die durch­schnitt­li­chen​ Ein­kom­men. Aus­ser­dem weist der Ökonom dar­auf hin, dass ver­bil­ligte Miet­zin­sen immer Kos­ten ver­ur­sa­chen, die in der Regel von der All­ge­mein­heit be­zahlt wer­den müssen, damit ei­nige we­nige ver­bil­lig­ten Wohn­raum zur Verfügung ha­ben. Die an­dere Stu­die wurde von der Krebs­liga Schweiz zu­sam­men mit dem Bun­des­amt für Ge­sund­heit be­auf­tragt und be­han­delt die Häufigkeit von Krebser­kran­kun­gen im Um­feld von Kern­kraft­wer­ken (www.canupis.ch). Sie wi­der­legt eine deut­sche Stu­die aus dem Jahr 2007, die für Kin­der die in der Nähe eines KKW wohn­ten, ein mar­kant höheres Ri­siko aus­mach­te, an Krebs zu er­kran­ken. Der Main­stream sagt: Miet­zin­sen sind zu hoch und müssen durch staat­li­che Re­gu­lie­rung ge­senkt wer­den. Die Stu­die sagt: Staat­li­che In­ter­ven­tion ver­teu­ert das Ge­samt­sys­tem und ist un­ge­recht. Der Main­stream sagt: KKW brin­gen Leute um und müssen ab­ge­stellt wer­den. Die Stu­die sagt: Es stimmt nicht, dass das Krebs­ri­siko in der Nähe von KKW steigt. Wie wir mit den Re­sul­ta­ten wis­sen­schaft­li­che​r Stu­dien um­ge­hen, ist wie­derum in­di­vi­du­ell ver­schie­den.

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Comments to: Vom Nutzen wissenschaftlicher Studien
  • Juli 24, 2011

    “Der Main­stream sagt: KKW brin­gen Leute um und müssen ab­ge­stellt wer­den. Die Stu­die sagt: Es stimmt nicht, dass das Krebs­ri­siko in der Nähe von KKW steigt. Wie wir mit den Re­sul­ta­ten wis­sen­schaft­li­che​r Stu­dien um­ge­hen, ist wie­derum in­di­vi­du­ell ver­schie­den.”

    Ja, Herr Siegenthaler, wie man mit den Resultaten der wissenschaftlichen Studien umgeht ist individuell verschieden. Ich zum Beispiel habe immer noch die Resultate der Forschungen um das KKW in Sellafield GB im Kopf, wo seinerzeit eine extreme Auffälligkeit der Krebskrankheiten bei Kindern und Erwachsenen in der Umgebung des Werks festgestellt worden ist. (Leukämie)
    Ich frage mich auch, wie mit dem immer noch ungelösten Entsorgungproblem des Atommülls weiter umgegangen wird. Gibt’s da auch schon Studien? Wohl kaum. Kann ja auch nicht sein, dass wären in jedem Fall höchstens Spekulationen.

    Ich​ stelle fest, dass sich Politik und Wirtschaft zu ungelösten Fragen nie so experimentierfreudig zeigen wie im Einsatz zu der so risikobehafteten Atomstromproduktion. Der Umgang damit scheint mir etwa genauso unseriös wie der mit der weltberühmten CO2-Lüge, diese “Studien und Messungen” waren mehrheitlich manipuliert wie man heute weiss.

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    • Juli 18, 2021

      Sehr geehrte Frau Keller,

      Sie haben natürlich recht. Es gibt zu allen möglichen Themen alle möglichen Studien. Die meisten sind nicht vergleichbar, weil Fragestellungen und Untersuchungsmethoden​ differieren. Gerade deshalb ist der Umgang mit den Studienresultaten schwierig und wir tendieren dazu, das zu berücksichtigen, was unsere eigene Meinung bestätigt. Es ist unbestritten, dass Sellafield ein Problem war, das allerdings mittlerweile behoben wurde. Die von mir angeführte Studie wurde in der Schweiz durchgeführt und ist eine Antwort auf eine Studie aus Deutschland, die ebenfalls ein markant höheres Krebsrisiko für Kinder in der Nähe von KKW auszumachen meinte. Es kommt darauf an, wie gross und repräsentativ die untersuchte Datenmenge ist, auch welche Zeitdauer überblickt werden kann und auch wer die Studie beauftragt hat und wer sie durchführt. Hier scheint mir die Schweizer Studie sehr vertrauenswürdig.

      ​Über die Endlagerung von Atommüll gibt es allerdings sehr viele Studien. Sie können sich u.a. auf der Homepage der Nagra darüber orientieren.

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