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Wahlen in Frankreich: Die Kandidierenden

Im ers­ten Wahl­gang der Prä­si­dent­schafts­w​ah­len in Frank­reich kön­nen die Franzö­sin­nen und Fran­zo­sen zwi­schen dem links­li­be­ra­len Em­ma­nuel Ma­cron, der rechts­ex­tre­men Ma­rine Le Pen, dem rechts­kon­ser­va­ti­​ven François Fil­lon und dem Link­s­po­pu­lis­ten Jean-Luc Mélen­chon wählen. Der of­fi­zi­elle Kan­di­dat der so­zia­lis­ti­schen Par­tei, Be­noît Ha­mon, dürfte chan­cen­los sein.

www.schlemihl.org

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In drei Tagen findet der erste Wahlgang zu den französischen Präsidentschaftswahle​n statt. Von den elf offiziellen Kandidierenden dürfen sich gemäss aktuellen Umfragen noch vier Hoffnungen für das Erreichen des zweiten Wahlgangs machen. Nachfolgend werden die politischen Positionen der fünf wichtigsten Kandidierenden vorgestellt und in einer zweidimensionalen und einer tripolaren Grafik dargestellt.

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Umfragee​rgebnis vom 19. April 2017 (Quelle: BVA).

Macron, der linksliberale EU-Freund
Die besten Umfragewerte weist der ehemalige sozialistische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron auf. Er tritt für seine neu gegründete politische Bewegung „En Marche!“ zu den Wahlen an. Macron vertritt eine relativ liberale​ Wirtschaftspolitik und will dringend nötige Reformen im französischen Arbeitsmarkt umsetzen. Er ist überzeugter EU-Befürworter und steht für eine liberale Flüchtlings- und Migrationspolitik, für Freihandel sowie eine liberal-progressive Gesellschaftspolitik.​ In der Globalisierung und in der multikulturellen Gesellschaft sieht er Chancen. Macron hat zudem die französische Kolonialpolitik kritisiert. Mit seiner weltoffenen Haltung (sowohl gesellschafts- wie auch wirtschaftspolitisch)​ kann er als Anti-Trump oder Anti-Le Pen bezeichnet werden. Weil Macron anders als Le Pen, Fillon und Mélenchon eine harte Haltung gegenüber Putin fordert, wurden von den staatlichen russischen Online-Portalen „Russia Today“ und „Sputnik News“ Kampagnen gegen Macron geführt, die ihm aber kaum geschadet haben.

Le Pen, die Rechtsextreme
Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsextremen Front National, kann sich gemäss aktuellen Umfragen gute Chancen auf einen zweiten Wahlgang machen. Sie lehnt die multikulturelle Gesellschaft ab und ist mehrfach durch muslimfeindliche und antisemitische Aussagen aufgefallen. Aussenpolitisch vertritt sie einen isolationistischen Kurs. Sie will Frankreich aus der EU, dem Euro und der Nato führen. Stattdessen will sie vertieft mit dem Putin-Regime in Russland zusammenarbeiten. Der Front National hat zudem finanzielle Unterstützung aus Putin-nahen Kreise in Russland erhalten. Wirtschaftspolitisch steht sie für eine protektionistische Abschottungspolitik gegen aussen und eine sozialistisch geprägte Politik im Innern. Le Pen sieht Globalisierung und Freihandel als Bedrohung für Frankreich an.

Fillon, der Rechtskonservative
François Fillon, der offizielle Kandidat der Konservativen steht in Umfragen zurzeit nur an dritter Stelle. Gegen Fillon laufen Ermittlungen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, was ihm geschadet hat. Fillon politisiert am rechtskonservativen Rand der konservativen Partei „Les Républicains“, wie sich Frankreichs Konservative seit 2015 offiziell nennen. Er hat sich in den parteiinternen Vorwahlen überraschend gegen Alain Juppé durchgesetzt. Fillon vertritt einen liberalen Kurs in Wirtschaftsfragen und einen katholisch-konservati​ven Kurs in Gesellschaftsfragen. Er befürwortete eine restriktive Flüchtlingspolitik, ist für ein Burkini-Verbot und will die Rechte von gleichgeschlechtliche​n Paaren einschränken.

Mélench​on, der Linkspopulist
Der ehemalige sozialistische Minister für Berufsbildung und Gründer der Linksaussen-Partei „Parti de Gauche“ Jean-Luc Mélenchon liegt gemäss Umfragen überraschend nur knapp hinter Fillon. Der Linkspopulist Mélenchon vertritt eine radikale linke Wirtschaftspolitik und fordert beispielsweise eine Verringerung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden oder eine radikale Steuerreform. Gegen aussen vertritt Mélenchon ähnlich wie Le Pen eine protektionistische Abschottungspolitik. Weiter will Mélenchon die europäischen Verträge neu verhandeln und droht bei einem Scheitern mit dem Austritt aus der EU und dem Euro. Mélenchon sorgte für Unverständnis als er die sozialistischen Diktaturen Kuba und Venezuela lobte. Während der Krimkrise kritisierte er die Politik der USA, der EU und der Nato und fiel durch Putin-freundliche Statements auf.

Hamon, der linke Sozialdemokrat
Benoît Hamon, der offizielle Kandidat der Sozialistischen Partei liegt gemäss Umfragen abgeschlagen auf dem fünften Platz. Hamon vertritt den linken Flügel seiner Partei und hat sich in den parteiinternen Vorwahlen gegen den ehemaligen Premierminister Manuel Valls durchgesetzt. Hamon wirft der sozialistischen Regierung Hollande eine zu liberale Wirtschaftspolitik vor. Er fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine stark expansive Ausgabenpolitik. Wie Macron vertritt er eine progressive Gesellschaftspolitik und eine liberale Migrations- und Flüchtlingspolitik. Ähnlich wie Mélenchon und Le Pen ist er gegenüber Globalisierung und Freihandel kritisch eingestellt.

Politisc​he Positionen im tripolaren Modell

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Die Positionen der fünf wichtigsten Präsidentschaftskandi​dierenden im tripolaren Modell (Einschätzung schlemihl.org).

Die Darstellung zeigt, welche der drei Hauptideologien (Sozialismus, Liberalismus und Nationalismus) die Kandidierenden am stärksten vertreten. Beim linksliberalen Kandidaten Macron ist die liberale Komponente am grössten, gefolgt von der sozialistischen. Macron vertritt sowohl eine wirtschaftsliberale wie auch eine gesellschaftsliberale​ Politik. Beim rechtskonservativen Kandidaten Fillon ist die nationalistische Komponente stärker ausgeprägt als die liberale. Er vertritt zwar einerseits wirtschaftsliberale Positionen, andererseits aber in gesellschaftspolitisc​hen Fragen stark nationalkonservative Werte. Bei Marine Le Pen ist der Nationalismus dominant, ergänzt durch eine sozialistisch geprägte Wirtschaftspolitik. Liberale Elemente sind bei ihr so gut wie nicht vorhanden. Bei Hamon und Mélenchon dominiert das sozialistische Element. Beim Sozialdemokraten Hamon ist das liberale Element stärker vorhanden als bei Mélenchon. Dagegen vertritt der Linkspopulist Mélenchon stärker linksnationale Ansichten.

Politische​ Positionen im zweidimensionalen Modell

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Die politischen Positionen der fünf wichtigsten Präsidentschaftskandi​dierenden im zweidimensionalen Modell (Einschätzung schlemihl.org).

Die obenstehende zweidimensionale Darstellung zeigt wie stark die einzelnen Kandidierenden gesellschaftsliberale​ respektive wirtschaftsliberale Ansichten vertreten. Auch hier zeigt sich die linksliberale oder sozialliberale Position von Macron deutlich. Bei Fillon wird die wirtschaftliberale Position ebenso deutlich wie die antiliberale Position in gesellschaftliberalen​ Fragen. Le Pen, Hamon und vor allem Mélenchon vertreten linke bis sehr linke wirtschaftspolitische​ Positionen. Allerdings sind die Unterschiede in gesellschaftspolitisc​hen Fragen sehr gross, insbesondere zwischen Hamon und Le Pen. Schliesslich zeigt die Grafik auf, wie viele Gemeinsamkeiten es in den politischen Positionen von Mélenchon und Le Pen gibt.

Zweiter Wahlgang: Gute Karten für Macron, schlechte für Le Pen

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Umfrageergebnisse​ vom 19. April 2017 für mögliche Duelle im zweiten Wahlgang (Quelle: BVA).

Gemäss aktuellen Umfragen würde Emmanuel Macron alle möglichen Duelle in einem zweiten Wahlgang deutlich gewinnen. Ganz anders sieht es bei Marine Le Pen aus. Die polarisierende Vertreterin des rechtsextremen Front National würde alle Duelle verlieren. In einem Duell zwischen Jean-Luc Mélenchon und François Fillon würde sich der Linkspopulist Mélenchon durchsetzen​.

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Comments to: Wahlen in Frankreich: Die Kandidierenden
  • April 24, 2017

    Es ist Sache der Gallier, wen sie zum Präsidenten wählen, wir sollten uns da nicht einmischen.

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  • Mai 7, 2017

    Es ist richtig, wie Herr K. Gutier schreibt, dass wir uns da nicht einmischen sollten. Doch die Wahlen in Frankreich sollten uns brennend interessieren, weil davon nämlich abhängt, ob wir uns von der EU
    weiterhin piesacken lassen sollen oder ob wir von diesem maroden Gebilde in Zukunft Ruhe haben.
    Macron, ein in der Wolle gefärbter Sozialist, der nun von sich behauptet, weder nach links noch nach rechts zu driften, ist in dieser Minute der favorisierte Kandidat; er ist ein Wiedergänger des abgehalfterten Hollande; er wird durchaus in dessen Fussstapfen treten und wahrscheinlich auf dieselbe Weise enden wie sein Vorgänger, so dass in vier Jahren Le Pen umso grössere Chancen haben wird. Vor allem bekennt er sich zur EU, was somit zu einer gewissen Verlängerung ihrer Agonie führt. Gewänne Le Pen die Wahlen, so scheint das Schicksal der EU besiegelt. Das von Herrn Schlemihl Wrobel präsentierte Panorama trifft meines Erachtens zu. Doch auch er lokalisiert Le Pen im Rechtsextremismus, obwohl sie sozialistisch ist, doch, ganz grob gesagt, nur die Aufrechterhaltung der französischen Souveränität verteidigt. Dieser Exkurs allein genügt für die Denunzierung als rechtsextrem, denn eine Affinität zum Nationalismus wird, von der Propaganda so beabsichtigt, assoziiert mit Nationalsozialismus, und die Denunziation wird von den Mainstream-Medien unreflektiert tel quel weiterkolportiert. Hier manifestiert sich äusserst deutlich, welch hohe Bedeutung der mit den Befürwortern der EU stets einhergehende Internationalismus hat, und wir müssten uns endlich bewusst werden, dass der Internationalismus für die Schweiz bedeutet, sich hinunterzunivellieren​, bis bei uns dieselben Zustände herrschen wie im Ausland. Das wollen z.B. unsere Sozialdemokraten, und das ist mitnichten eine aus der Luft gegriffene Behauptung

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