1. Sonstiges

Warten auf den angekündigten Vertragsbruch

Es gibt so ty­pisch schwei­ze­ri­sche Sa­chen. Etwa Fon­due, Ri­vel­la, Al­phör­ner oder Roger Köp­pel. Auch in der Po­li­tik gibt es sol­che Ei­gen­hei­ten. Zum Bei­spiel das Ver­nehm­las­sungs­ve​r­fah­ren oder das Stän­de­mehr. Und dann gibt es auf die­sem Feld auch ty­pisch hel­ve­ti­sche Wör­ter, viel­mehr Un­wör­ter, die ge­eig­net sind, zu be­schö­ni­gen oder zu ver­schlei­ern. Zu nen­nen wäre da etwa das «­Mo­ra­to­ri­um» oder der «­au­to­nome Nach­voll­zug». Mein neues Lieb­lings­wort ist jetzt die «ein­sei­tige Schutzklausel».

Eine​ sol­che «ein­sei­tige Schutz­klau­sel» wird der Bun­des­rat dem Par­la­ment an­fangs März vor­aus­sicht­lich vor­schla­gen. Das ist schon in­so­weit lus­tig, als es bei der Um­set­zung der Mas­sen­ein­wan­de­ru​ngs­i­ni­tia­tive für Lö­sun­gen in­ner­halb der Bi­la­te­ra­len Ver­träge ei­gent­lich zwei bräuch­te: Uns und die EU.

Halten wir also fest: Die EU hat mehrfach betont, dass eine gegenseitige Schutzklausel aufgrund von Artikel 14/2 des Abkommens über den freien Personenverkehrs (FZA) nicht möglich ist. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Schweiz in der Umsetzungsgesetzgebun​g, die im März präsentiert werden soll, eine einseitige Schutzklausel vorsieht. Es ist möglich, dass diese das FZA noch nicht verletzt. In diesem Fall handelt es sich um nichts anderes als eine Ankündigung des Vertragsbruchs. Nicht mehr und nicht weniger. Dies ist nur der Versuch, die nationalen Wogen zu glätten, den Anschein eines Voranschreitens zu suggerieren und Zeit zu gewinnen. Faktisch kommt man bei der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung​ nicht den kleinsten Schritt weiter.

Mit dieser Ankündigung hat sich der Bundesrat selber doppelt unter Druck gesetzt. Erstens wird er eine einseitige Schutzklausel einführen müssen, wenn keine Einigung mit der EU gefunden werden kann. Gleichzeitig würde bei einer – zugegebenermassen unwahrscheinlichen – Einigung trotzdem von allen, denen der Kompromiss mit der EU zu wenig weit geht, die einseitige Schutzklausel gefordert.

Die Bilateralen Verträge stossen schon länger an ihre Grenzen. Die EU beharrt auf dem Standpunkt, dass keine weiteren Abkommen abgeschlossen werden können, wenn kein institutioneller Rahmen geschaffen wird. Diese Verhandlungen erwiesen sich sowohl innenpolitisch als auch mit der EU als sehr schwierig. Eine Ankündigung des Vertragsbruchs seitens der Schweiz wird diese Verhandlungen im besten Fall erschweren, im schlimmsten Fall verhindern. Der Bundesrat sagt: «Die einseitige Schutzklausel ist kein Problem – erst deren Anwendung.» Aha, jä so.

So warten wir nun alle irgendwie aufeinander. Auf den Bundesrat, die Weisheit des Parlaments, die Briten oder RASA. Und typisch schweizerisch hoffen wir, dass irgendwann ja vielleicht auch alles anders kommt. In Europa oder der Schweiz. «Durchwursteln», «usestüdele». Und sonst machen wir dann halt eine Durchsetzungsinitiati​ve.

Der Text ist zuerst erschienen im P.S. vom 5. Februar 2016.

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Warten auf den angekündigten Vertragsbruch
  • Februar 20, 2016

    NEIN zum schleichenden EU-Beitritt

    Keine EU-Annäherung in kleinen Schritten. In dieser Frage gibt es leider keine Kompromisse. Wir lassen uns weder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) richten noch von der EU erpressen!

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    • Juli 19, 2021

      1. Der EGMR hat nichts mit der EU zu tun.

      2. Die Menschenrechte sind individuelle Freiheitsrechte und schützen jeden einzelnen Bürger vor staatlicher Willkür. Wenn wir die Menschenrechtskonvent​ion kündigen schaden wir uns selber. Das einzige Land, das sie je gekündigt hat, war Griechenland während der Militärdiktatur. Wollen Sie sich mit einer Diktatur auf eine Stufe stellen, Herr Schneider? Ich nicht.

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    • Juli 19, 2021

      @Pfister
      Kritisches Hinterfragen des Europäischeb Gerichtshofes wäre von Vorteil. Aber denken ist halt Glückssache.

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    • Juli 19, 2021

      Was tue ich nicht, Herr Oberli?

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    • Juli 19, 2021

      Ich meinte Herrn Bischof.

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    • Juli 19, 2021
  • Februar 21, 2016

    ……gibt es mit der EU Verträge die noch jemand wirklich einhält???..ist ausgerechnet die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied die letzte Bastion im Einhalten von gegenseitigen Verträgen??….fast scheint es so!..So wie das aussieht,müssten die Herren in Bern das Ruder längst wieder selbst in die Hände nehmen.Haben sie auch den Mut dazu??…leider nein..!

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  • Februar 21, 2016

    Von wegen… Siehe jetzt der “Angriff” auf unsere Definition, dass eine Militärwaffe zu Hause aufbewahrt wird.

    Dies wurde gemäss Rücksprache mit Verbänden, so im Schengenvertrag definiert, dass die Schweiz dies dürfe und explizit auch so umsetze. Und nun? Ich hoffe, dass sich die Verreine und Verbände gegen diese Ankündigung wehren mit allen Mitteln.

    Ehrlich gesagt, wer hält sich denn auch in der EU an die Verträge? GB mit der einseitigen Definition der Einwanderungsdefiniti​on? Was ist denn anders als bei uns? Nichts. Ausser dass wir NICTH in der EU sind und GB bereits schon Ausnahmen erhalten hat in der Währung.

    So klar zu erkennen, dass die EU ein “Verrein” mit NUR Ausnahmen ist und absolut inkosequent in der Umsetzung.

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  • Februar 21, 2016

    Was sich da die EU mit der Schweiz vorgenommen hat, erinnert mich an eine Prophetie wärend dem letzten Weltkrieg. ” Und die Schweiz das spitze Stachelschwein, nehmen wir noch vor dem Morgenessen ein”. Es wird langsam Zeit die Stacheln wieder zu zeigen.

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  • Februar 22, 2016

    Wer will eigentlich dieses Vereingte Staaten Europa?Wer sind die Hintermänner (oder Frauen?)dieser Grossmachts-Strategie​?Es soll mir keiner mehr schreiben,es sei eine “friedenserhaltende” Massnahme !Diese Massenzuwanderungen mit diesen Phänomenen von Parallellgeschaften,k​önnten für lange Zeit für Unruhe,oder schlimmstenfalls für Terror,und kriegerischen Auseinandersetzungen führen,wo es wirklich besser wäre,die Einwanderung wieder eigenständig steuern zu können.Da das Nichteinhalten von Schengenabkommen,das die Sicherheit Europas und deren Aussengrenzen hätte garantieren sollen,kläglich Schiffbruch erlitten hat,kann man kaum mehr von Vertragsbruch schreiben.Somit ist es wieder jedem Land freigestellt,für die eigene Sicherheit selber einzustehen.Ich wünsche darum dem BR Mut und Zuversicht,und sie sich wieder vermehrt auf ihre eigenen Stärken besinnen.

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  • Februar 22, 2016

    Leute wie Martin Naef schwächen die SP.
    Sie treiben viele Mitglieder in die Arme der SVP.
    Martin Naef gehört offensichtlich zu den Anpassern.
    Er übersieht, dass ein Land wie die Schweiz sehr wohl im Stande ist, sich selbständig “durchzuwursteln”.
    U​nd dass die EU irgendwann entdeckt wird, dass sich ein Land wie die Schweiz sich sehr gut brauchen lässt.
    Zum Beispiel in Sachen Friedensbildung zwischen zerstrittenen Ländern, da weitgehend neutral.
    Oder Verkehr zwischen Nord- und Südeuropa, da hochentwickelt, sicher und stabil.
    Solche Vorzüge untergraben Leute wie Markwalder, Naef, Strahm etc.

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  • Februar 25, 2016

    Na und?

    Denkt man tatsächlich, dass wenn die EU vielleicht tatsächlich die Verträge kündigen würde, dass damit die Schweiz unter geht? Wohl kaum….

    Dann hätten wir es ja wieder in der eigenen Hand, dass man den Verkehr am Gotthard stoppen könnten, auch mit einer 2. Röhre. Müssten uns nicht mit emotionen volllabbern, was nun gute und schlechte Menschen sind. Eine teure MEI wäre nicht mehr nötig gewesen und die vielen Milliarden ,die man in die EU steckt, könnte man in Projekte der Zusammenarbeit mit Länder gezielt einsetzen.

    Auch hätte die EU uns nicht aus dem Forschungsprojet ausschliessen müssen, obwohl es damals sogar VOR der MEI abstimmung war… aber das Geld hat die EU immer schön einkassiert.

    Wenn hier einer immer noch davon überzeugt ist, dass die EU Menschen nicht zu Romas macht, dann glaubt doch weiter an die sog. Freiheit des Reisens, weil die Grossindustrien das wollen und damit ihre Gewinnoptimierungen noch weiter unkontrolliert vorantreiben können. Und dem lieben Bürger nimmt man immer mehr Freiheiten weg und erzählt Diesem, dass er nun doch ohne Grenzen reisen und sich bewegen könnte.

    Konnten wir das vorher nicht? Ist oder war das so schlimm an der Grenze einen Ausweis zu zeigen? Und gearbeitet wurde schon immer im Ausland, vor oder nach Schengen. Aber damals noch kontrolliert und an der Grenze wurden viele Kriminelle bereits erkennt und nicht einfach wie heute über die halbe Welt unkontrolliert verteilt.

    Nun ja – schön zu Wissen, dass Schengen und die EU nicht die Rechte der Menschen stärkt, sondern diesen die Grundrechte entzieht und zu Menschen 2. Klasse macht…. Naja, ich bin alt genung und muss dieses entstehende Debakel auch nicht mehr lange miterleben…..

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  • Dezember 18, 2016

    Die von einer Mehrheit der Abstimmenden angenommene Einwanderungsinitiati​​ve wird NICHT umgesetzt. Weshalb? – Sie KANN NICHT umgesetzt werden, und das war auch der Mehrheit der JA-Sager/innen rechtzeitig klar kommuniziert:

    1) Den Initianten und der Öffentlichkeit wurde VOR dem Beginn der Unterschriftensammlun​​​​​​​​​g völlig korrekt mitgeteilt, dieser Wortlaut könne NICHT umgesetzt werden, weil die bilateralen Verträge vorgingen und ALS GANZE eingehalten werden müssten. Die Initiative wurde in Kenntnis dieser eindeutigen Sachlage von den Initianten NICHT zurückgezogen.

    2) Die Initiative wurde aber vom Bundesrat NICHT für ungültig erklärt, weil man annahm, wenigstens die Stimmberechtigten hätten 1) zur Kenntnis genommen und die Initiative würde vernünftigerweise abgelehnt. Die JA-Stimmenden blendeten aber den entscheidenden Hinweis, dieser Wortlaut könne NICHT umgesetzt werden, einfach aus. Das kann und darf sich die direkte Demokratie natürlich leisten – nur nachher nicht jammern.

    3) Die Personenfreizügigkeit​​​​​​​​​ ermöglicht also weiterhin jeder arbeitsuchenden qualifizierten Person aus der EU, in einem Land eine Stelle anzutreten, wo ihre Branche boomt, so in der Schweiz. DESHALB ist hier der Zuzug so gross. Umgekehrt arbeiten, forschen und studieren auch viele Leute aus der Schweiz in der EU.

    4) Die Freizügigkeit kann und darf NICHT durch Kontrollapparate reduziert werden, auch wenn dies in manchen Fällen wünschenswert erscheinen mag. Eine drastische Reduktion des Zuzugs, wie sie die sog. “MEI” verlangt, wird also ausschliesslich durch eine Krise oder eine Katastrophe herbeigeführt.

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