Dass die Diskussion um die Atomkraftwerke nach dem Desaster in Japan auch in der Schweiz heftig geführt würde, war zu erwarten. Wie so oft brauchte es ein bedeutendes Ereignis, um die Debatte in Gang zu bringen. Genauso oft aber sind es die politischen Parteien, die sofort versuchen, daraus Kapital zu schlagen – und damit erst noch Erfolg haben. Ohne lang zu überlegen, wurde da teilweise schon am Tag danach der unmittelbare Ausstieg verlangt. Eine sofortige Stellungnahme wurde natürlich auch von der Energieministerin gefordert. Diese aber hat sich wohlweislich zurückgehalten und damit das einzig Richtige getan. Sie hat die Situation analysiert und schliesslich dem Bundesrat die massgebenden Grundlagen für einen seriösen Entscheid geliefert.

 

Der Bundesrat musste in den letzten Monaten und Jahren viel Kritik einstecken. Mit seinem Entscheid, innert gut 20 Jahren aus der Atomkraft auszusteigen, hat er nun aber Mut und Weitsicht bewiesen. Ein solches Ziel braucht es, damit auch ernsthaft die nötigen Massnahmen zu ergriffen werden. Solch klare Vorstellungen haben bisher gefehlt. Ein Teil der Wirtschaft ist nicht erfreut über die Meinung des Bundesrates. Klar – das Wirtschaftswachstum könnte darunter leiden. Da stellt sich aber einmal mehr die Frage: Kann denn die Wirtschaft pausenlos und immerwährend weiter wachsen? Einmal muss doch ein Höchststand erreicht sein. Oder bin ich zu naiv, um das zu verstehen? Ein anderer Grund für den Widerstand sind die Kosten, die ansteigen könnten. Eigentlich sollte man meinen, die Beseitigung der Gefahr, die von Atomkraftwerken und Atommüll ausgeht, sollte uns einige Franken wert sein.

 

Dass der Atomstrom, der in 30 Jahren nicht mehr zur Verfügung steht, anderweitig beschafft werden muss, ist ja wohl klar. Nebst der Sonnenenergie stehen hier die Wasserkraft und der Wind im Vordergrund. Aber gegen neue Anlagen für Wind- und Wasserkraft erhebt sich halt jeweils auch sofort Widerstand. Hier werden die Politik und das Volk nicht darum herum kommen, Prioritäten zu setzen. Das heisst, gewisse Eingriffe in die Landschaft zu tolerieren. Für mich das bedeutend kleinere Übel als Atomkraftwerke, deren Abfälle auch in Tausenden von Jahren noch eine tödliche Gefahr sind.

 

Nun, man darf gespannt sein, wie sich die Dinge bei uns in der Schweiz weiter entwickeln. Zu hoffen bleibt, dass auch der National- und der Ständerat und schliesslich das Volk den gleichen Mut, die gleiche Weitsicht wie der Bundesrat haben. Nur wenn ein konkretes Ziel gesetzt wird, wird es auch angestrebt.

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Comments to: Wie weiter mit der Energie?
  • Januar 24, 2012

    Sehr geehrter Herr Roth,

    Es macht mich sehr traurig, wenn ich Politiker erlebe, die sich einseitig und lückenhaft mit dem Thema Atomausstieg befassen. Etwa die Aussage: „Dass der Atomstrom, der in 30 Jahren nicht mehr zur Verfügung steht, anderweitig beschafft werden muss, ist ja wohl klar“ lässt jeden, der sich intensiv mit Kern- und Reaktorphysik befasst, nur den Kopf schütteln.

    Auf eine entsprechende Aussage von Geri Müller antwortete ich:
    „Vergessen Sie bitte solchen Quatsch! Die Kernenergie-Nutzung ist in wesentlich grösserem Mass als heute noch solange möglich, wie es Menschen auf der Erde geben wird. Natururan enthält neben dem heute genutzten Isotop Uran-135 auch noch das 140-mal häufigere Isotop Uran-138. Auch dieses kann in Zukunft genutzt werden. Da dieser Prozess auf Umwegen abläuft, ist nicht eine 140-fache sondern nur etwa eine 50-fache Energiegewinnung aus Uran-138 möglich. Daneben ist auch das Isotop Thorium-132 nutzbar. Es kommt auf der Erde sehr häufig vor. Die Kernspaltung ist so noch während mehreren zehntausend Jahren möglich. Daneben wird ab etwa Jahrhundertmitte auch die Kernfusion mit praktisch unbeschränkt nutzbarem Brennstoff zur Verfügung stehen. In wenigen Jahrzehnten wird sie schon möglich sein. Doch ihr grosses Potential zur Weiterentwicklung wird die Wissenschaftler und Techniker noch lange beschäftigen. Bis die Kernfusion die Kernspaltung auch vom ökonomischen Blickwinkel her endgültig wird verdrängen können, werden wohl noch einige Generationen sich um diese Energiequellen kümmern müssen.“

    Durch das Lesen meiner Beiträge inkl. den zwei Links haben Sie, Herr Roth, innerhalb kurzer Zeit eine zusammenfassende und leicht verständliche Einführung in die heutige Sicht der Kernenergie-Nutzung. http://www.vimentis.c​h/dialog/readarticle/​gedanken-zum-atomauss​tieg-/

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  • Januar 24, 2012

    Sehr geehrter Herr Jorns,

    Danke für die Reaktion. Ich behaupte nicht, dass in 30 Jahren die Ressourcen für die Produktion von Atomstrom nicht mehr vorhanden sein werden. Ich behaupte, dass es nötig ist, in 30 Jahren mit der Produktion von Atomstrom aufzuhören. Mit der (ungelösen) Entsorgung von Atommüll hinterlassen wir unseren Nachkommen eine unermessliche Hypothek. Da fragt sich: Was richten wir da nur an?

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    • Juli 19, 2021

      Sehr geehrter Herr Roth,

      Die in unseren AKW ausgemusterten Brennstäbe werden uns noch lange beschäftigen. Sie als “Atommüll” zu bezeichnen, zeigt die leider weit verbreitete Unkenntnis. Insbesondere an den Schulen unterrichten überwiegend einseitig orientierte “Atomkraft – Nein Danke”-Kämpfer.

      H​ier wieder ein Ausschnitt aus meinen bisherigen Beiträgen:

      Wir schnuppern erst ein bisschen am geförderten Uran herum, bringen die in unseren heutigen Reaktoren erst zu 2% genutzten Brennstäbe in einen unmöglichen Strahlungszustand und haben sogar Angst davor, sie für ca. 1 Mio. Jahre von der Biosphäre fernzuhalten. Die genutzten Brennstäbe aus unseren Kernreaktoren gehören niemals in ein Endlager. Sie sind in zukünftigen Kernreaktoren noch lange nutzbar. Dabei wird normalerweise vorerst eine Aufbereitung durchgeführt. Eine Ausnahme ist der Laufwellen-Reaktor von TerraPower. Finanziell beteiligt ist dort unter anderen auch Bill Gates.
      http://de.wik​ipedia.org/wiki/Laufw​ellen-Reaktor
      Es gibt zwei Möglichkeiten für die heute zwischengelagerten Brennstäbe. Bekanntlich dürfen sie das Zwischenlager erst ab 2040 verlassen. Es steht nichts im Weg, sie noch einige Zeit länger dort zu lassen. Allerdings müssen die alternden Lagergefässe jeweils nach einigen Jahrzehnten ersetzt werden. Die heute im Vordergrund stehende Variante ist jedoch eine Tiefenlagerung mit Rückholbarkeit. Ein solches Tiefenlager brauchen wir sowieso. Wir haben verschiedenste Radionuklide aus unterschiedlichsten Anwendungen, z.B. aus der Medizin, zu entsorgen. Ideal wäre, wenn wir vorher die lange strahlenden Radionuklide durch Transmutationen in einen kurzlebigen Zustand bringen könnten. Grundsätzlich ist das möglich, doch muss das Kosten-Nutzen-Verhält​nis und die Zumutbarkeit der bleibenden Strahlungsbelastung für kommende Generationen abgeschätzt werden. Abfälle mit Halbwertszeiten von wenigen hundert Jahren sind problemlos während ihrer Strahlungszeit in einer sicheren Verpackung einschliessbar.

      We​itere Informationen unter
      http://www.ene​rgiedialog.ch/2010/12​/kein-tiefenlager-fue​r-die-ewigkeit
      und
      http://www.nag​ra.ch/g3.cms/s_page/8​0050/s_name/rueckholb​arkeit/s_element/1279​50/searchkey/r%FCckho​lbarkeit

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  • Januar 24, 2012

    Zitat U.Roth: “Ohne lang zu überlegen, wurde da teilweise schon am Tag danach der unmittelbare Ausstieg verlangt. Eine sofortige Stellungnahme wurde natürlich auch von der Energieministerin gefordert. Diese aber hat sich wohlweislich zurückgehalten und damit das einzig Richtige getan.”

    Diese Zurückhaltung lag aber v.a. daran, dass sie bei ihrem Amtsantritt als Energieministerin noch den AUSBAU der Atomkraft angekündigt hatte! Die übliche CVP-Windfahnenpolitik​…

    (Ja, wie “Parteifreund” Grunder sagte: “Es ist nicht verboten, gescheiter zu werden!” — aber warum immer erst nachher?? Gouverner, c’est prévoir!)

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